Cerner Health Services Deutschland

Interview mit dem Berliner Betriebsrat von Cerner (ehemals Siemens Health Services)

05.10.2015 | Im Februar 2015 wurde Siemens Health Services von dem amerikanischen Unternehmen Cerner Coperation übernommen. Die eigenständige Gesellschaft mit dem Namen Cerner Health Services Deutschland GmbH (Cerner HSD) entwickelt, vertreibt und wartet Software – Lösungen für Krankenhäuser.

Fotos: IG Metall

er Betriebsrat mit sieben Mitgliedern hat gemeinsam mit den Betriebsräten der anderen Standorte und mit der IG Metall erreicht, dass  zahlreiche bestehende tarifliche und betriebliche Regelungen in einem Überleitungstarifvertrag weiterhin gelten. Cerner HSD hat sechs Standorte in Deutschland – Essen, Frankfurt a /M., Hamburg, St. Wolfgang, Erlangen und Berlin. Berlin ist mit rund 180 Beschäftigten der größte.

Was genau wird bei Euch entwickelt?

In Berlin entwickeln wir Krankenhaus-Informationssysteme für das Patientenmanagement und die Patientenabrechungen sowie die klinische Dokumentation der Patientendaten, kurz KIS. Diese Software führen wir beim Kunden ein, spezifizieren es entsprechend der Kundenanforderungen, pflegen die Programme und schulen das Personal vor Ort.

Wie haben die Beschäftigten die Nachricht von dem geplanten Verkauf erlebt?

Die Beschäftigten waren teilweise wie vor den Kopf geschlagen. Denn es gab zwar etliche Gerüchte, aber die schnelle Umsetzung des Verkaufs traf viele Beschäftigte überraschend – etliche haben es erst aus der Tagespresse erfahren. Entsprechend hoch waren die Verunsicherung, der Ärger und die Wut, dass man nicht früher informiert worden war. Und trotz gegenteiliger Aussagen der Firmenleitung hatten viele Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.  Damals sind viele Kolleginnen und Kollegen in die IG Metall eingetreten. Dies hat uns bei den Verhandlungen zum Überleitungstarifvertrag sehr geholfen.

Welche Zusagen waren für die Beschäftigten besonders wichtig?

Es waren die konkreten Beschäftigungsbedingungen für unsere Kolleginnen und Kollegen wichtig. Also, die tarifliche Bezahlung, dass die Betriebsvereinbarungen weiterhin gelten und die Regelungen zur Altersteilzeit  auch zukünftig möglich sind. Viele Kolleginnen und Kollegen sind zu diesem Zeitpunkt in die IG Metall eingetreten, denn sie hatten erkannt, dass sie mit der Gewerkschaft ihre Interessen besser durchsetzen können als ohne. So ist beispielsweise der Beschäftigtenschutz für drei Jahre, den die IG Metall erreichen konnte, für viele eine echte Erleichterung. Und das wichtigste: In den Verhandlungen hat Cerner die Zusage gegeben, dem Arbeitgeberverband  beizutreten. Dies bedeutet für uns eine gewisse Sicherheit.

Für die Mitglieder hat die IG Metall eine Gruppen-Rechtsberatung angeboten. War diese erfolgreich?

Von den teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen haben wir positive Rückmeldungen bekommen, weil Fragen beantwortet und damit Unsicherheit minimiert werden konnten. Und für ganz individuelle Fragen konnte man Einzelberatungen verabreden.

Welche wesentlichen Punkte regelt der Überleitungstarifvertrag? Wie lange ist er gültig?

Der Überleitungstarifvertrag gilt für drei Jahre und ist erstmals zum 31. März 2018 kündbar. Er enthält unter anderem Zusagen für die Standorte – und zwar, dass die Funktionen und Geschäftstätigkeit weiter geführt werden und dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

Die Geschäftsführung von Cerner strebt einen Haustarifvertrag an, so dass regionale Unterschiede aufgrund der teilweise differierenden Tarifverträge durch einheitliche Regelungen ersetzt werden.

Die neuen Strukturen sind bei Euch aufgebaut: beispielsweise der Gesamtbetriebsrat mit seinen Ausschüssen. In Berlin könnt Ihr als bestehendes Betriebsratsgremium weiter arbeiten. Was kommt jetzt?

Im August 2015 haben sich im Gesamtbetriebsrat noch der Wirtschaftsausschuss und der Datenverarbeitungsausschuss (DV) konstituiert. Insbesondere beim Datenschutz werden die Unterschiede zwischen dem amerikanischen Eigentümer und unserer Kultur deutlich. Daran müssen wir arbeiten. Weiterhin  werden beispielsweise Verhandlungen über Reisekosten und Zeiterfassung geführt. Die Geschäftsführung will hierzu neue Betriebsvereinbarungen abschließen.

Was sind aus Eurer Sicht die wesentlichen Punkte für die nächsten Verhandlungen?

Die Geschäftsführung möchte für die außertariflich Angestellten und den Beschäftigten in den höchsten Entgeltgruppen mehr variable Vergütungsbestandteile vereinbaren. Wir werden uns dies genau anschauen, die im vorherigen Übergang festgeschriebene Leistungszulage oder die Regelungen für ehemalige GSD Beschäftigte sind für uns nicht verhandelbar. 

Evelyn Robert, Mitglied im Betriebsrat: Wichtig ist uns, rechtzeitig über unsere Zukunft mitzureden und dabei von der IG Metall unterstützt zu werden. Wir wollen nicht warten, bis die Standortzusage ausläuft, sondern unser Thema ist, weiterhin für den Berliner Standort zu werben und diesen auszubauen.

Aber auch alltägliche Dinge müssen umgesetzt werden. So ist geregelt, dass wir in Deutsch reden und die Arbeitsanweisungen beispielsweise in Deutsch erhalten. Hier müssen wir noch vieles tun. Nicht sämtliche Beschäftigten sind in Englisch verhandlungssicher. Aus unserer Sicht sollte der Arbeitgeber allen interessierten Beschäftigten entsprechende Kurse anbieten. Darüber hinaus sind Tools zur Reisekostenabsicherung in deutscher Sprache zu installieren. Uns ist klar, dass sich unsere Unternehmenskultur mit einem amerikanischen Eigentümer ändern wird, z.B. dänische oder amerikanische Kollegen ihre Vorträge auf Veranstaltungen in Englisch halten. Aber die Kolleginnen und Kollegen sind auf diesem Weg mitzunehmen – und hier ist noch einiges zu tun.

Wie ist die aktuelle Stimmung der Kolleginnen und Kollegen nach den ersten Monaten?

Ralf Andre Lettau, der Betriebsratsvorsitzende: „Zwischen Hoffen und Bangen – ich nenne euch ein paar Beispiele, die beide Pole verdeutlichen:. Manche Beschäftigte hoffen, dass innerbetriebliche Abläufe schneller verändert werden können. , einzelne fühlen sich individuell mehr geschätzt als zu Siemenszeiten.

Im Entwicklungsbereich beobachten die Beschäftigten jedoch mit Sorge, dass Wissensträger gehen, ohne dass im ausreichenden Maße das Wissen dieser Kolleginnen und Kollegen weitergegeben wird und Stellen nachbesetzt werden.

In einigen Abteilungen sinkt die Stimmung der Kolleginnen und Kollegen durch  unklare Zukunftsperspektiven und hohe technisch bedingte Ausfallzeiten. Insgesamt besteht der Wunsch nach einer klareren und transparenteren Produktstrategie.“

Und Euer Resümee?

Dafür ist es zum jetzigen Zeitpunkt zu früh. In den letzten Monaten sind viele Beschäftigte in die IG Metall eingetreten. Das hilft uns bei zukünftigen Verhandlungen für unseren Standort!

Das Interview führte Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte IG Metall Berlin


/typo3/Die GSD war ein eigenständiges Software-Unternehmen, welches 2006 von Siemens gekauft wurde. Für übernommene GSD Mitarbeiter/-innen konnten teilweise günstige Regelungen als individuelle Besitzstände vereinbart werden und bestehen weiterhin fort.

Gruppenbild von links nach rechts: Petra Schilling, Rainer Hagner, Nadin Stelter, Rainer Prochaska, Susanne Körber (Schwerbehindertenvertreterin), Evelyn Roland, Sigrid Elling und Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte IG Metall Berlin. 

Teilnehmende am Interview: Sigrid Elling, Rainer Hagner Ralf-Andre Lettau, Rainer Prochaska, Evelyn Roland, Petra Schilling, Nadine Stelter

 


Von: rk

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