DGB Bezirk Berlin-Brandenburg

Interview mit Doro Zinke und Christian Hoßbach

28.01.2014 | Am 18. Januar wurden Doro Zinke, Vorsitzende des DGB, Bezirk Berlin und Brandenburg und Christian Hoßbach, Vize-Vorsitzender, mit einer großen Mehrheit wieder gewählt. Vier Jahre führen sie schon gemeinsam den DGB-Bezirk Berlin und Brandenburg. Aber wen vertreten sie? Wofür stehen sie? Wir haben nachgefragt.

Foto: Stefan Collm

Doro Zinke, herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Welche Themen stehen auf der Agenda für die nächsten vier Jahre?

Danke. Wir stehen vor großen Herausforderungen in diesem Jahr mit der Europawahl, den Betriebswahlen im Frühjahr sowie der Landtagswahl in Brandenburg. Der DGB hat mit seinen Kampagnen für ein soziales Europa unterstrichen, wie notwendig soziale Standards in der EU sind. Das neoliberale Wirtschaftsmodell darf keine Zukunft haben. Denn mit seiner Austeritätspolitik treibt es die Südeuropäer in die Verelendung: Sozialprogramme werden gekürzt, Rentner haben weniger zum Leben, Gewerkschaften werden an die kurze Leine gelegt, jungen Menschen wird die Perspektive in ihrer Heimat verbaut. Das Europäische Gewerkschaftsinstitut hat eine "Giftliste" aufgestellt, wo überall der soziale Fortschritt zurückgedrängt wird. Wir setzen auf ein Europa, das nicht ein neoliberales Wirtschaftsmodell ist, sondern vor allem ein Lebens- und Kulturraum.

Vor der Bezirkskonferenz war das Thema Wanderarbeiter in Berlin präsent. Was hat es damit auf sich?

Die Beratungsstellen des DGB für Wanderarbeiter haben in den letzten Monaten erhebliche Missstände festgestellt und geholfen, die Rechte der Wanderarbeiter zu wahren. Ausländische Beschäftigte dürfen nicht zum Lohndumping missbraucht werden. Denn das drückt auf unser gesamtes Lohngefüge. Ich vermisse die Empörung der CSU, wenn es um deutsche Unternehmen geht, die sich an Wanderarbeitern bereichern bzw. sie ausbeuten.

Wir fordern eine verlässliche Finanzierung der Beratungsstelle für entsandte Beschäftigte, die 2011 von der Wirtschaftsverwaltung beim DGB-Bezirk angesiedelt wurde. Jetzt kommen allmählich ermutigende Signale aus der Verwaltung. Wir wissen: je mehr Sprachen in unserer Beratungsstelle gesprochen werden, desto mehr Wanderarbeiter melden sich, die Hilfe benötigen. Wir kennen bislang nur die Spitze des Eisbergs.

Allein die Beratungsstelle für Wanderarbeiter hat in zwei Jahren mehr als 1.300 Fälle bearbeitet, bei denen ausländische Arbeitskräfte, vorwiegend Rumänen und Bulgaren, um ihren Lohn gebracht werden sollten. Es gelang dank juristischer Unterstützung, 500.000 Euro an ausstehenden Löhnen einzutreiben.

Christian Hoßbach, herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl als Vize-Vorsitzender. Vor Deiner Zeit beim DGB warst Du Metaller und hast im Bundesbüro gearbeitet. Wie setzt sich der DGB für die Belange der Metallerinnen und Metaller ein?

Der DGB ist das gemeinsame Dach für alle – von Polizei bis Bau. Meine inhaltlichen Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Industriepolitik, auch Sozialpolitik. Da finden sich jede Menge Punkte, die für Metallerinnen und Metaller wichtig sind: Ausbildung, Qualifizierung, Rente – und natürlich unsere industriepolitische Initiative. DGB und Industriegewerkschaften weisen seit Jahren darauf hin, dass Berlin mehr Industrie braucht. Da bleiben wir penetrant und halten die industriepolitische Fahne weiter hoch.

Was heißt das konkret? Mit wem seid Ihr im Gespräch? Plant Ihr Aktionen oder Veranstaltungen?

Ich habe ja auf der Konferenz berichtet, dass wir einen kleinen politischen Durchbruch erreichen konnten. Die Strukturen des Masterplans Industrie und des Steuerungskreises Industriepolitik werden zusammengeführt. Da war zu viel Gremiensalat entstanden. Ein schwieriges Thema wie Industriepolitik landet dann schnell auf den hinteren Plätzen. Das darf nicht sein. Ich hoffe wir können uns jetzt wieder den Sachthemen widmen, wie Gewinnung von Ausbildungsplätzen.

Wird die IG Metall beim Thema Industriepolitik wieder eng einbezogen?

Industriepolitik ohne IG Metall, das geht ja mal gar nicht! Im Ernst, natürlich sprechen wir uns ab.

Warum brauchen wir den DGB? Welche Aufgabe habt Ihr als Bezirksvorsitzende?

Dank des DGB kam die Industriepolitik nach Jahrzehnten der Abstinenz auf Seiten des Senats wieder auf die Agenda, wir haben ein dickes Brett gebohrt. Und alle ins Boot geholt. Der DGB engagiert sich gegen Ausländerfeindlichkeit, hat vor 23 Jahren ein breites gesellschaftliches Bündnis für Zivilcourage geschaffen; die Aktionen für ein soziales Europa initiierte der DGB mit tatkräftiger Unterstützung seiner Gewerkschaften; wir machen im Interesse der Beschäftigten Lobbying in zwei Bundesländern; flankierend werden wir die Betriebsratswahlen begleiten, denn wir wissen: wo es Betriebsräte gibt, geht es den Beschäftigten besser. Für uns eine Binsenweisheit, aber sie muss noch in viele Köpfe hinein. Rechtsschutz und Bildungsangebote will ich hier nur kurz erwähnen.

Wen vertritt der DGB Bezirk Berlin und Brandenburg?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin und Brandenburg ist demokratisch von unten nach oben aufgebaut. Er ist der Dachverband seiner acht Mitgliedsgewerkschaften. Alle vier Jahre kommen 100 Delegierte zur Bezirkskonferenz zusammen. Am 18. Januar haben wir gemeinsam über strategische Entscheidungen für die nächsten Jahre diskutiert und abgestimmt.

Wie viele Gewerkschaftsmitglieder vertritt der DGB-Bezirk Berlin-Brandenburg heute?

Knapp 400.000 Männer und Frauen sind in unseren acht Gewerkschaften organisiert. Die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, haben wieder Zulauf. Die Menschen merken, sie brauchen starke Anwälte in den Betrieben und bei der Durchsetzung ihrer Forderungen. Auch bei Jugendlichen finden Gewerkschaften zunehmend Anklang, das zeigen auch die Berufsschultouren der DGB-Jugend.  



Von: aw

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