Michael Müller und Klaus Abel im Gespräch

Langer Atem, gute Arbeitsplätze

01.08.2016 | Berlins Industrie wächst und soll weiter wachsen. Wie das funktionieren kann, darüber sprechen der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Klaus Abel, im Interview.

Partnerschaftlich Berlins Industrie nach vorne bringen: der Regierende Bürgemeister Michael Müller (SPD) im Gespräch mit Klaus Abel, dem Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Berlin. Foto: Christian von Polentz

Vor zehn Jahren stand die Berliner Industrie nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Inzwischen gilt die Industrie als einer der Treiber des städtischen Wachstums in Berlin. Was hat sich geändert?

Michael Müller: Wir haben vor allem einen langen Atem gehabt, nicht aufgegeben. Nach dem Niedergang der Industrie nach 1989 haben wir erhalten, was möglich war. Gleichzeitig ging es darum, möglichst viele Arbeitsplätze in anderen Branchen zu schaffen. Ich bin dankbar, dass die Gewerkschaften sich immer für den Industriestandort Berlin eingesetzt haben. Zur politischen Unterstützung wurde der Steuerungskreis Industriepolitik (SKIP) als eine Art Runder Tisch mit allen wichtigen Akteuren beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt.
Klaus Abel: Durch diese gemeinsame Initiative von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften hat sich das Bild in der Öffentlichkeit verändert. Das hat dazu beigetragen, dass sich das Investitionsverhalten der Industrieunternehmen verändert hat. Berlin ist für Unternehmen heute interessant als Innovationsstandort, in den es sich zu investieren lohnt.

Welche Stärken Berlins sollte die Stadt in den kommenden Jahren noch stärker fördern?
Michael Müller: Ich denke wir haben drei große Standortvorteile, die wir natürlich weiter fördern werden. In Berlin gibt es zunächst einmal viele Flächen für weitere Ansiedlungen. Zweitens haben wir mit unserer Start Up-Szene viele innovative Ideen und Produkte, die unsere Industrie zu den modernsten und innovativsten Unternehmen machen können. Und drittens ist Berlin der exzellente Wissenschaftsstandort in Deutschland: Hier werden die besten Fachkräfte ausgebildet. Hier können in Kooperationen mit Unis und Hochschulen die Lösungen für morgen erarbeitet werden.
Klaus Abel: Berlins exzellente Wissenschaftseinrichtungen stärker mit den Berliner Industriebetrieben zu vernetzen, um Innovation voranzutreiben, ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. Dazu zählt auch die Startup-Szene mit ihren innovativen Ideen.

Und wo liegen die Schwächen?

Michael Müller: Verglichen mit anderen Bundesländern ist unsere industrielle Basis noch relativ schmal. Die Konkurrenz ist groß und wir müssen uns ständig mit den Unternehmen abstimmen, wenn sie in Konkurrenz zu anderen Standorten von weiterem Abbau bedroht sind. Beim Siemens-Gasturbinenwerk in Moabit hat das gut geklappt. Ich bin optimistisch, dass wir weiter aufholen werden.
Klaus Abel: Die Vielzahl von Universitäten, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Start-ups führt zugleich zu einer Unübersichtlichkeit der Potentiale. Hier ein professionelles Netzwerkmanagement aufzubauen, wäre hilfreich.

Welche Ideen  und Projekte gibt es, mit denen Gewerkschaften, Unternehmen und  Politik sinnvoll gemeinsame Industriepolitik in Berlin gestalten können, um mehr Arbeitsplätze und mehr Wertschöpfung schaffen?
Klaus Abel: Wir sollten die Marke Industrie in Berlin noch besser vermarkten, indem wir das attraktive Image der Stadt zur Markenbildung der Berliner Industrie noch stärker nutzen als bisher und uns für nationale und internationale Ansiedlungsbemühungen einsetzen.
Michael Müller: Natürlich werden wir unsere Zusammenarbeit im Steuerungskreis weiter intensivieren. Auch die Idee, sich in einem Innovationsnetzwerk mit den Herausforderungen und Chancen von Arbeit 4.0 gemeinsam auseinanderzusetzen und so den Standort weiter zu stärken, sollten wir in der nächsten Legislaturperiode ernsthaft angehen.

Trotzdem ist nicht alles golden, was glänzt. Unternehmen drohen den Belegschaften mit Arbeitsplatzverlagerung, halten Tarifverträge nicht ein, setzen auf Billiglöhne. Wie kann Berliner Politik da gegensteuern?
Klaus Abel:  Das Beispiel Siemens hat gezeigt: Wenn Industriepolitik Chefsache ist und der Regierende Bürgermeister deutlich macht, dass Berlin die Unternehmen bei ihren Investitionen in den Standort unterstützt, solange sie bestehende Arbeitsplätze in Berlin sichern und neue schaffen, kann das Unternehmensentscheidungen positiv im Sinne Berlins beeinflussen. Gleiches gilt, wenn die Unterstützung von Unternehmen an die Einhaltung von Tarifverträgen gebunden ist. Die Positionierung der Politik in dieser Frage unterstützt unsere Arbeit bei der Erweiterung der Tarifbindung.
Michael Müller: Wir brauchen möglichst überall Tarifverträge. Das Land kann hier nicht nur bei den eigenen Unternehmen Vorbild sein, wir werden auch weiterhin unsere öffentlichen Vergaben an ganz bestimmte Bedingungen für gute Arbeit knüpfen. Denn nur tarifgebundene und mitbestimmte Arbeit kann am Ende wirklich gute Arbeit sein.

Wenn wir den Blick in die Zukunft schweifen lassen: Wie sieht Ihre Vision vom Industriestandort Berlin in drei Jahren aus?
Michael Müller: Ich hoffe, dass wir einen guten Schritt weiter sind zu einem starken Industriestandort mit einer breiten Ausrichtung. Industriearbeitplätze sind ein wichtiger Baustein von Berlin als Stadt der Arbeit. Dafür werden wir natürlich auch weiterhin investieren: in eine gute Infrastruktur genauso wie in die Stärkung von Bildung und Wissenschaft. Denn weiterhin investieren Unternehmen auch wegen der hervorragenden Fachkräftesituation und der spannenden und beliebten Metropole gerne in Berlin. Wir werden also insgesamt noch besser dastehen als heute und einen Schritt weiter auf unserem Weg zur Vollbeschäftigung sein.
Klaus Abel: Im Industriestandort Berlin wird weiter Beschäftigung aufgebaut, weil es uns gemeinsam gelungen ist, Berlin als Zukunftsmotor bei der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeit, Stichwort: Industrie 4.0, zu etablieren. Bestehende Industriebetriebe profitieren von den gut ausgebildeten Menschen, die gern in Berlin leben und arbeiten, und erweitern ihr Engagement, neue Industriebetriebe siedeln sich an.

Von: nub

Unsere Social Media Kanäle