Der gute Rat

Überstunden - Was ist zu beachten?

27.03.2015 | Auf den ersten Blick ist die Rechtslage bei Überstunden nicht schlecht: Der Betriebsrat hat ein umfassendes Mitbestimmungsrecht und der Normalverdiener einen Anspruch auf zusätzliche Bezahlung. Trotzdem werden mehr als die Hälfte der in Deutschland geleisteten Überstunden nicht bezahlt. Rechtsanwalt Damiano Valgolio – Kanzlei dka Rechtsanwälte und Rechtsberater bei der IG Metall erklärt, was zu beachten ist.

Eigentlich genügt es schon, dass der Arbeitgeber von den Überstunden vorher weiß. Trotzdem werden mehr als die Hälfte der in Deutschland geleisteten Überstunden nicht bezahlt. Das liegt vor allem an den Beweisproblemen. Was ist zu beachten?

Was sind Überstunden?

Überstunden sind Arbeitsstunden, die über die vereinbarte Stundenzahl hinaus erbracht werden. Gibt es keine Definition im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, kommt es auf die Regelung im einzelnen Arbeitsvertrag an. Ist dort beispielsweise eine Wochenarbeitszeit von 35 Stunden vereinbart, liegen Überstunden vor, wenn in einer Woche mehr gearbeitet worden ist. Wie lange in anderen Wochen gearbeitet wurde, ist zunächst egal. Ist im Arbeitsvertrag dagegen eine bestimmte Stundenzahl pro Monat oder gar pro Jahr festgeschrieben, liegen erst Überstunden vor, wenn die Gesamtzahl überschritten wird.

Muss man Überstunden leisten?

Zur Leistung von Überstunden ist der Arbeitnehmer nur verpflichtet, wenn sein Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung dies vorsieht. Etwas anderes gilt nur in absoluten Notfällen. Eine Klausel, wonach eine bestimmte Zahl von Überstunden mit dem Grundgehalt abgegolten sein soll, bedeutet nicht automatisch, dass der Arbeitgeber die Überstunden einseitig anordnen darf.

Sind Überstunden zu bezahlen?

Steht im Arbeitsvertrag nichts zur Überstundenvergütung, sind diese mit dem üblichen Stundengehalt zu bezahlen. Erst ab circa 6000 EUR brutto im Monat kann man darüber diskutieren, ob damit auch Überstunden stillschweigend mit bezahlt sein sollen.

Steht im Arbeitsvertrag allerdings ausdrücklich, dass eine bestimmte Anzahl von Überstunden mit dem Grundgehalt abgegolten ist, besteht kein extra Vergütungsanspruch. Nennt die Klausel keine bestimmte Zahl, sondern spricht beispielsweise nur von „erforderlichen Überstunden“, ist sie wegen Unklarheit unwirksam. Dann sind alle Überstunden zu bezahlen.

Ein Anspruch auf zusätzliche Zuschläge für Überstunden besteht jedoch nur, wenn dies in einem Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag vereinbart ist.

Geld oder Freizeitausgleich?

Grundsätzlich sind Überstunden auszuzahlen. Ein Ausgleich durch bezahlte Freizeit ist nur möglich, wenn dies vorher vereinbart worden ist oder der Beschäftigte zustimmt. Der Arbeitgeber darf Überstunden auch nur dann mit Minusstunden aus einem anderen Zeitraum verrechnen, wenn dies im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist. Sonst muss er die Überstunden auszahlen oder als Plusstunden gutschreiben, selbst wenn in einer anderen Woche zu wenig gearbeitet worden ist. Auch die Ansammlung von Überstunden auf einem Arbeitszeitkonto (AZK) oder die Ausgestaltung eines solchen Kontos darf der Arbeitgeber nicht einseitig anordnen. Sieht allerdings der Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung ein AZK vor, sind diese Regelungen für den einzelnen Arbeitnehmer verbindlich.

Wann sind Überstunden „angeordnet“?

Der Arbeitgeber muss Überstunden nur dann bezahlen - oder in Freizeit ausgleichen - wenn er diese angeordnet, nachträglich genehmigt oder geduldet hat. Eine Anordnung liegt schon dann vor, wenn einem Beschäftigten so viel Arbeit zugeteilt wird, dass er diese nicht ohne Überstunden bis zu einem vorgegebenen Zeitpunkt erledigen kann. Eine nachträgliche Genehmigung liegt in der Regel vor, wenn ein Vorgesetzter eine Stundenaufstellung abzeichnet, in der die Überstunden enthalten sind. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten die Arbeitnehmer aber auf der Aufstellung besonders markieren, dass Überstunden angefallen sind.

Nimmt ein Vorgesetzter einen Stundenzettel nur entgegen, genehmigt er damit nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes nicht automatisch. Jedoch liegt wohl eine Duldung zukünftiger Überstunden vor, wenn der Vorgesetzte nun nicht einschreitet und Überstunden verhindert. Denn der Vorgesetzte hat durch die Stundenaufstellung Kenntnis, dass der Arbeitnehmer regelmäßig mehr arbeitet. Auch hierfür sollten die Überstunden unbedingt markiert werden. Dann kann die Kenntnis nicht bestritten werden. Eine Duldung liegt natürlich auch vor, wenn der Vorgesetzte auf andere Weise Kenntnis von den Überstunden erlangt und nicht einschreitet.

Das Beweisproblem

Problematisch ist, dass vor Gericht der Arbeitnehmer seine Überstunden beweisen muss. In einer Entscheidung von 2013 hat das Bundesarbeitsgericht zwar klargestellt, dass nicht mehr genau dargestellt werden muss, was in jeder einzelnen Stunde getan wurde. Aber jedenfalls Datum, Beginn und Ende der Arbeit müssen dargelegt und im Zweifelsfall bewiesen werden. Außerdem muss bewiesen werden, wer, wann, wie viele Überstunden angeordnet hat. War die Arbeitsmenge nicht anders pünktlich zu schaffen, muss auch das bewiesen werden. Das gilt auch dafür, welcher Vorgesetzte eine Frist gesetzt hat. Sind die Überstunden vom Arbeitgeber geduldet worden, muss konkret bewiesen werden, wer auf Arbeitgeberseite wusste, dass es zu Überstunden kommt.

Fazit:

Wenn sich Streit um die korrekte Bezahlung von Überstunden anbahnt, sind genaue Aufzeichnungen das Wichtigste. Beginn und Ende der Arbeitszeit können möglicherweise von Kollegen bezeugt werden. Auch ohne Zeiterfassung kann möglicherweise über E-Mails oder andere elektronische Einrichtungen am Arbeitsplatz dokumentiert werden, wie lange man dort war. Stundenaufstellungen sollten möglichst von Vorgesetzten abgezeichnet werden und die Überstunden vorher markiert.

Am sichersten ist es, auf einer ausdrücklichen, schriftlichen Anordnung der Überstunden zu bestehen. Ist dies nicht möglich, sollte dem Arbeitgeber schriftlich - am besten per E-Mail - mitgeteilt werden, dass auch zukünftig Überstunden anfallen. Dabei sollte auch der ungefähre Umfang angegeben werden.  

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Von: dv

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