Jahresauftakt mit Schwerpunkt Transformation

Kennenlernen, qualifizieren, optimieren - aber häufig auch weniger Beschäftigte

31.01.2019 | Auf der Jahresauftaktveranstaltung der IG Metall Berlin präsentieren die Betriebsräte großer Berliner Industrieunternehmen, was Transformation in ihren Betrieben bedeutet.

Klare Sache: 35 Stunden-Woche für alle in Deutschland - Berliner IG Metallerinnen und Metaller zeigen beim Jahresauftakt 2019 ihre Solidarität

"Die Herausforderungen werden 2019 nicht nachlassen“, sagte Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall, in seinem per Videobotschaft übermittelten Grußwort. Er erläuterte den mehr als 100 anwesenden Berliner Metallerinnen und Metallern noch einmal den Hintergrund des Transformationsatlas, mit dem die IG Metall 2019 den Stand der Transformation in den deutschen Metall- und Elektronunternehmen erfassen wird. Die Stoßrichtung ist klar: „Wir wollen eine demokratische Transformation“, sagte Jörg Hofmann.

Arbeitsplatzabbau gegen Beschäftigungszusage

Anschließend präsentierten Betriebsräte und Vertrauensleute jeweils fünf Minuten lang, was derzeit in ihren Unternehmen in Sachen Transformation läuft. Lars Papenbrock von Gillette schilderte gleich zu Beginn, dass Transformation weder schwarz noch weiß ist. „Wir bauen bei uns am Standort Arbeitsplätze ab, haben aber in einem Sicherheitstarifvertrag festgelegt, dass wir 2022 mindestens 600 Arbeitsplätze am Standort erhalten werden.“ Damit verschwinden am Berliner Standort von Gillette von 2014 bis 2022 über 300 Arbeitsplätze. Gleichzeitig hat das Management den Beschäftigten für diesen Zeitraum zugesagt, dass Berlin bei der Fertigung von neuen Produkten berücksichtigt wird.

Ähnliches berichteten mehrere Betriebsräte, etwa René Marx von MAN Energy Solutions, die seit ein paar Monaten so heißen, damit der neue Namen sie nicht mehr mit der Diesel-Technologie des in Verbindung bringt. Ein Viertel der Arbeitsplätze will das Management bei MAN ES abbauen, dafür haben die Betriebsräte für die verbleibenden 385 eine Beschäftigungssicherung vereinbaren können. „Als Betriebsräte sichern wir die Beschäftigung und wollen neue aufbauen“, sagte René Marx. Dazu gehört für die MAN-Kolleginnen und Kollegen auch, die politischen Verbindungen zu Senat und Verbänden innerhalb der Stadt auszubauen.

Die Fragemaschine, die die IG Metall nicht kennt

Daimler hat eine Beschäftigungssicherung bis 2030 und Zukunftsinvestitionen in Höhe von 35 Milliarden Euro für Deutschland ausgesprochen. „Wir haben inzwischen Solardächer, ein Blockheizkraftwerk und eine neue Lüftungsanlage, all das und auch unsere Neuentwicklung CAMTRonic reduziert CO2“, sagte Michael Rahmel, der Betriebsratsvorsitzende von Daimler in Marienfelde. Das Werk müsse den Wandel gestalten, auch weil es bis auf eine kleine Komponente keine E-Mobilitätsanteile im Werk habe. Das bedeute vor allem Qualifizierung. „Das ist ein Riesenwust, den wir ohne eine starke Interessenvertretung und die IG Metall  nicht hinbekommen werden“, sagte Michael Rahmel weiter.

Rüdiger Groß, Betriebsratsvorsitzender im Siemens-Schaltwerk berichtete in eher nachdenklicher Art von CARL, einer Fragemaschine bei Siemens, die Dokumente zum Thema personal bereitstellen solle. „Aber auf das Stichwort IG Metall bleibt Carl stumm“, so Rüdiger Groß. „Carl hat keine Emotionen, man kann nicht mit ihm verhandeln, er ist eine Spielerei, die ich nicht nutze. Da nehme ich lieber den Telefonhörer in die Hand und rufe einen Kollegen im Werk an.“   

„Lebenslanges Lernen macht glücklich und hält gesund“

Christian Bordynski von Schnellecke Logistik berichtete im Rahmen digitaler Assistenzsysteme in der Logistik vom automatischen Kleinteilelager (AKL), dessen Einführung die Hälfte der Arbeitsplätze gekostet habe – jetzt seien nur noch 40 Kolleginnen und Kollegen dort beschäftigt: „Aber die Zahl der Stammbeschäftigten ist wie auch die Bezahlung gleich geblieben. Die Herausforderung ist, dass viele ERA 2-Beschäftigte nun auf ERA 1-Arbeitsplätzen arbeiten.“

Daniel Karge, ein junger Kollege aus dem Siemens-Dynamowerk, hielt ein Plädoyer für lebenslanges Lernen und zegte auf, welche neuen Berufe entstehen und was lebenslanges Lernen bedeute: „Man bekommt nicht nur Zertifikate und Abschlüsse, sondern verbessert auch seine persönlichen und sozialen Kompetenzen. Lebenslanges Lernen macht glücklich und hält gesund“, stellte er fest. 

Tina Buschke von Thales und Lutz Seele berichteten von Scrum (auf Deutsch: Gedränge), einem derzeit auch über reine Software-Projekte hinaus sehr beliebten Projektorganisationstool, bei dem es – grob gesagt –  um schnellere Ergebnisse und verdichtetes Arbeiten geht. Oder auf Neu-Sprech: neue agile Arbeitsorganisation. Beide berichteten von gestiegenen Anforderungen, aber auch von weniger Überblick des Einzelnen, da die Aufgaben spezifischer sein. Die Schlussfolgerung von Tina Buschke: „Das kann demotivieren, weil Du nicht mehr Teil des Ganzen bist, sondern manchmal nur noch Hamster im Laufrad.“

You never work alone

Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, spannte vor den IG Metall-Mitgliedern einen weiten Bogen von der Tarifbindung über die weiter steigenden Mitgliederzahlen im Bezirk bis hin zur Großdemonstration der IG Metall am 29. Juni in Berlin. „Da werden wir unter dem Motto >You never work alone< zeigen, dass wir für Solidarität statt Profit stehen und wir eine soziale, ökologische und demokratische Transformation der Industrie einfordern.“   

Regina Katerndahl, die Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, konnte mit 2.040 neuen Mitglieder in 2018 einen weiterhin positiven Mitgliedertrend verkünden und warf einen Blick auf die Arbeitskämpfe. „Viele Auseinandersetzungen drehten sich um Arbeitsplätze und Entgeltfragen“, sagte sie. Ein neuer Konflikt hat gleich Anfang des Jahres begonnen. Jörg Wichert, Betriebsratsvorsitzender bei Infinera, berichtete von der Verkündung des neuen Eigentümers, den Berliner Standort zu schließen, und bedankte sich für die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen der Berliner IG Metall-Betriebe.

Ein sehr spannender und anderer, eben stärker von der betrieblichen Realität geprägter Jahresauftakt also, der vielen Freude gemacht hat. Birgit Dietze, die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, kündigte an, neben der Transformation und dem Gewerkschaftstag die Betriebe 2019 in den Vordergrund der IG Metall Berlin zu stellen: „Wir wollen in den Betrieben weiter kontinuierlich wachsen und als IG Metall dort noch stärker werden“, beschrieb sie die Ziele für 2019.

 

Von: jb

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