CO2 reduzieren & in Zukunft investieren:

„Alle Schritte zu Veränderungen sind wichtig“

10.06.2020 | Zwei Liter-Auto, Elektroantrieb, Investitionen und Sicherheit für die eine Million Beschäftigten, die in der deutschen Autoindustrie arbeiten: Im Interview erläutert Birgit Dietze, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, welche Schritte zu einer gelingenden Verkehrswende beitragen können.

Birgit Dietze: "Investitionsgelder für Elektromobilität, Gas- oder Wasserstoffantrieb sowie das Zwei-Liter-Auto"

Der Klimawandel ist Realität. Umwelt und Klima verändern sich in rasantem Ausmaß. Warum setzt sich die IG Metall vor dem Hintergrund dieser extremen Bedrohung von Mensch und Umwelt für Diesel- und Benzinmotoren ein?
Unser Verkehrssystem ist über Jahrzehnte gewachsen und unsere Art, wie wir unsere Städte bauen und organisieren, beruht auf dem Prinzip des fossil betriebenen Individualverkehrs. Das können wir nicht innerhalb kurzer Zeit mal eben per Knopfdruck ändern. Es muss schrittweise vorangehen, aber auch konsequent. Wir müssen jetzt überall drastisch CO2 reduzieren, mit vielen verschiedene Maßnahmen. Die Elektromobilität vermeidet den Ausstoß schädlicher Abgase, ist aber noch nicht voll ausgereift. Fragen der Umweltbelastung durch die Batterieherstellung, ihr Recycling und auch Fragen der Zusammensetzung im Strommix müssen auf der Agenda bleiben. Elektromobilität wird erst umfassend grün, wenn auch der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt und nicht aus Kohlestrom. Wir müssen zudem kluge Lösungen für ein second life der Batterien entwickeln. Eine Kaufprämie auch auf schadstoffarme Verbrenner zu erstrecken, hätte als Übergangstechnologie ebenfalls zur CO2-Reduktion im Bestand beigetragen.

Warum?
Wir haben in Deutschland derzeit circa 31 Millionen Pkw, die zu ihrer Zeit mit Abgasnormen der Klasse Euro 1 bis Euro 5 zugelassen worden sind. Schrittweise sind die zulässigen CO2-Grenzwerte in den Euro-Abgasnormen über die Jahre gesenkt und die Messverfahren verschärft worden. Daher gilt: Je älter der Pkw, umso mehr CO2-Ausstoß. Wenn alte gegen neue Modelle ausgetauscht werden, tragen Neuzulassungen von Verbrennern mit der aktuellen Euro-6-Abgasnorm also zur Reduktion der gesamten CO2-Menge bei. Wir stehen dafür, dass schadstoffarme Verbrenner aber nur Übergangstechnologie sein können. Gemessen an den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens müssen die Innovationen in eine emissionsfreie Mobilitätswelt auf ganzer Linie weiter und dringend vorangetrieben werden.

Wie kann ein Wandel hin zu einer klimaneutralen Autoindustrie gelingen?
Wir haben zu lange den Klimawissenschaftlern nicht zugehört und so wertvolle Zeit verstreichen lassen, die wir dringend für einen Wandel brauchen. Jetzt müssen wir alles schneller in Angriff nehmen. Die uns zur Verfügung stehende Zeit ist begrenzt. In allererster Linie gehören Investitionen auf den Plan und eine staatliche Regulierung, die der Industrie einen verlässlichen Rahmen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte bieten. Erforderlich sind Investitionen in Forschung, Entwicklung und Bildung. Hier ist der Staat gefragt, um zum Beispiel gezielt die Zusammenarbeit von Wissenschaftsinstitutionen, Start-ups und Industrie zu fördern. Dafür müssen Finanzen bereitgestellt und Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich Investitionen in grüne Technologien für Unternehmen auch rechnen. Zugleich müssen auch die Unternehmen Investitionsgelder zur Verfügung stellen und – neben der Elektromobilität – auch an weiteren Alternativen, zum Beispiel an Antrieben mit Gas oder Wasserstoff oder auch einem Zwei-Liter-Auto arbeiten.

Die Autoindustrie hat offenbar über Jahre Verbraucher, Politik und Gesellschaft mit gefälschten Emissionswerten organisiert betrogen. Gibt es Gründe, der Autoindustrie durch diese Krise zu helfen?  
Grenzwerte sind immer einzuhalten. Sie schützen Mensch, Natur und Umwelt und Verstöße sind überall zu ahnden. Seit März kommen zwei Phänomene zusammen: Zu der ohnehin bestehenden Dringlichkeit einer sozialökologischen Transformation von Produktionsprozess, Produkt, Verhalten und Gesellschaft hat die Corona-Krise Umsatzeinbrüche und kräftige wirtschaftliche Herausforderungen verursacht. Die Produktionsumstellung erfordert Investitionen – also Geld –  und die drohende Wirtschaftskrise verringert gerade die Einnahmen. In einer solchen Situation ist es richtig, die Schadstoffmenge auch dadurch zu reduzieren, dass wir – neben der Förderung der Elektromobilität – früher zugelassene emissionsintensive Autos durch heute schadstoffarme Modelle auf den Straßen ersetzen. An der Autoindustrie hängen mehr als eine Million Arbeitsplätze, auch diese Familien brauchen Planungssicherheit und Zukunft. Wir müssen die qualifizierten Fachkräfte auch deswegen in Beschäftigung halten, damit sie mit klugen Technologieanstrengungen die sozial-ökologische Wende gestalten.

Weitere Informationen lest Ihr hier im Positionspapier der IG Metall Berlin, im Positionspapier des IG Metall-Vorstandes und in den FAQ des Vorstandes.

Von: Jörn Breiholz

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