Fair geht anders:

Auch ein Weltmarktführer kann Tarif zahlen

03.03.2018 | Als Weltmarktführer auftreten, aber Billigtarife bezahlen: Das passt nicht gut zusammen, finden die Beschäftigten der First Sensor AG in Berlin Weissensee. Daher ist der Großteil der Beschäftigten jetzt in die IG Metall eingetreten, um endlich einen Tarifvertrag mit korrekter Bezahlung zu erstreiten.

Ein starkes Unternehmen braucht auch starke Löhne

Schaut man sich den <link https: www.first-sensor.com de investor-relations die-aktie external-link-new-window external link in new>Aktienkurs der First Sensor AG auf der firmeneigenen Homepage an, weiß man: Den Aktionären von First Sensor geht es materiell gut, sogar richtig gut. Danach hat sich der Aktien- und damit der Unternehmenswert seit September letzten Jahres mal eben verdoppelt: von 13,47 Euro auf 27,15 Euro, Stand: 3. März 2018. Ein Sahneschnittchen auf dem Aktienmarkt ist die Aktie von First Sensor also. 850 Beschäftigte hat das Aktienunternehmen, das nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Anbietern auf dem Gebiet der Sensorik zählt.

Den Aktionären geht es auch deswegen so gut, weil die Beschäftigten gute Arbeit liefern. Am Standort Berlin Weißensee montieren, justieren und prüfen die Beschäftigten laut  firmeneigener Homepage „elektronische Mikrosysteme für Druck- und Durchflusssensoren sowie optischen Sensoren“. Dort habe man „umfassendes Knowhow entlang der Wertschöpfungskette“, der Standort nutze „modernste Mikrosystemtechnologien und automatische Anlagentechnik unter Reinraumbedingungen zur Sicherung eines optimalen fertigungsreifen Produktdesigns.“ Zum Einsatz kämen die Produkte in der „Medizintechnik, der industriellen Automation, in der Luft-und Raumfahrt, Gebäudetechnik, Kameratechnik und im Off-Shore-Bereich.“

Kein Wunder also, dass die Aktie so abgeht und das Unternehmen so profitabel ist. Bloß die Beschäftigten wollen Aktieninhaber und Management schön draußen halten, wenn es darum geht, die Gewinne gerecht zu verteilen. „Wir produzieren Hightech vom Feinsten, aber die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion bekommen viel zu wenig für das, was sie leisten“, sagt Norbert Wecke, der Betriebsratsvorsitzende. „Das ist unanständig, was die Firmenleitung hier macht.“

Wie in allen Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, verdienen auch die Beschäftigten bei First Sensor in Berlin etwa ein Viertel weniger, als im Flächentarifvertrag vereinbart – ein Hungerlohn für einen Weltmarktführer: „Das Lohnniveau der Fertigungsmitarbeiter reicht kaum, um eine Familie zu ernähren“, sagt Gerald Burkert, der Vorgänger von Norbert Wecke als Betriebsratsvorsitzender. „Dabei arbeiten die Kollegen rund um die Uhr im Schichtbetrieb.“

Als der Betriebsrat die Gehälter der Beschäftigten nun darauf prüfen ließ, wie deren Renten aussehen werden, kam die ganze Wahrheit der Billiglöhne bei First Sensor heraus: „Etwa 60 von 180 Kollegen droht, dass sie im Alter Sozialhilfe beantragen müssen“, sagt Norbert Wecke, der Betriebsratsvorsitzende. „Und es trifft ausgerechnet diejenigen, die am längsten dabei sind.“

Damit war das schon Jahre brodelnde Fass übergelaufen. Als IG Metaller des Betriebsrates diese Ergebnisse auf einer Mitarbeiterversammlung vortrugen, haben sich weitere Beschäftigte entschlossen, sich zu wehren. Der erste Schritt: in die IG Metall eintreten. Innerhalb von drei Monaten hatten sich so viele Beschäftigte entschlossen, Mitglied der IG Metall zu werden, dass die Belegschaft heute stark genug ist, um mit der Geschäftsleitung auf Augenhöhe zu verhandeln.

„Wir haben die Geschäftsleitung nun mithilfe der IG Metall Berlin aufgefordert, mit uns Tarifverhandlungen aufzunehmen“, sagt Norbert Wecke. Die Geschäftsleitung wird nun reagieren müssen – und hoffentlich schnell einsehen, dass die Löhne so auskömmlich sein müssen, dass auch die Beschäftigten davon im Alter leben können, ohne auf das Sozialamt angewiesen zu sein.


Von: ih

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