Europa vor der Wahl

Auf den Spuren europäischer Mitbestimmung

23.05.2019 | Die Berliner IG Metallerin Isabelle Gagel ist mit acht jungen Menschen durch Westeuropa gereist, hat mit Betriebsräten und Gelbwesten gesprochen, saß mit italienischen Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen an einem Tisch. Das gemeinsame Video der Gruppe zeigt ein vielfältiges Bild von Europa. Im Interview spricht sie über Reise, Eindrücke und die Ziele ihres gemeinsamen Projekts.

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Bei den Gelbwesten in Toulouse. (Alle Fotos (c) privat)

Isabelle Gagel in Bologna vor einem feministischen Plakat.

Die Reisegruppe vor der dem noch unversehrten Wahrzeichen Notre Dame.

Interview vor dem Europaparlament.

Mit dem Betriebsrat bei Airbus in Toulouse.

Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen der italienischen UIL. Sie haben schon ihren Gegenbesuch in Berlin angekündigt.

Ihr seid 16 Tage durch sieben Staaten und elf Regionen gereist, ermöglicht durch ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung. Wo habt Ihr überall Station gemacht?
Isabelle Gagel: Wir sind in Köln gestartet und dann über Maastricht, Brüssel, Paris und Toulouse nach Barcelona gereist. Von dort ging es nach Marseille, Sanremo, Bologna, Innsbruck. In München endete die Reise.

Euer Projekt überschreibt Ihr mit Mitbestimmung. Was war Euer Ziel?
Die Europäische Union befindet sich in einer wichtigen Umbruchphase. Dazu wollten wir möglichst viele Stimmen von politisch aktiven Menschen in unterschiedlichen Ländern einfangen, um darüber auch die unterschiedlichen Kulturen von Mitbestimmung beleuchten zu können. Diesen Austausch und die darüber entstandenen Interviews machen den Kern unserer Reise aus.

Welche Erfahrungen habt ihr eingesammelt?
In Paris haben wir mit dem sehr engagierten 19-jährigen Landry Ngang gesprochen, der für das Europaparlament kandidiert. In Toulouse haben wir mit Menschen gesprochen, die sich als Gelbwesten engagieren. Das war durchaus ambivalent. Einerseits stehen sie für ein politisches Engagement, das sich auch nicht von Polizeigewalt und Repression aufhalten lässt. Andererseits gehen in Toulouse soziale und linke Kräfte mit Rechtspopulisten gemeinsam auf die Straße. Das hat uns schon überrascht.


"Ich habe bei vielen jungen Menschen eine tiefe Emotion für Europa wahrgenommen. Gemeinsam teilen wir die Einschätzung, dass junge Menschen viel zu wenig gehört werden."

 

Was habt ihr über gewerkschaftliches Engagement erfahren?
Zuallererst, dass Gewerkschaften sich in anderen Ländern unterschiedlich organisieren. So gibt es in Deutschland Einzelgewerkschaften, die sich für ihre Branche engagieren, wie die IG Metall für die Metall- und Elektroindustrie. Ein solches Konstrukt ist den Menschen in Spanien, Italien oder anderen Ländern unbekannt. In Frankreich gibt es zum Beispiel keine gewerkschaftliche Jugendorganisation wie sie in Deutschland besteht. Wo sich aber Jugend nicht organisiert, kann sie sich weniger artikulieren.

Wie seid ihr an Eure Interviewpartner gekommen?
Unterschiedlich. Mit einigen Gewerkschaftern oder Aktivistinnen haben wir bereits von Deutschland aus Kontakt aufgenommen und uns verabredet. Darüber hinaus haben wir mit vielen jungen Menschen auf der Straße gesprochen, zum Beispiel in Brüssel.

Was ist die Quintessenz Eurer Reise?
Ich habe bei vielen jungen Menschen eine tiefe Emotion für Europa wahrgenommen. Gemeinsam teilen wir die Einschätzung, dass junge Menschen viel zu wenig gehört werden. Wir registrieren, dass Rechtspopulisten und Rechtsradikale Regierungen übernehmen, Junge gegen Alte ausspielen, prekär Beschäftigte gegen Flüchtlinge. Sie säen Fremdenhass anstatt gute Arbeitsbedingungen einzuführen.

Was macht Ihr mit Euren Interviews?
Wir haben ein Video produziert, in dem unterschiedliche Menschen zu Wort kommen. Diesen Film haben wir bereits in Berlin und Hamburg gezeigt und anschließend mit den Menschen diskutiert. Mit dem Film und unserem Engagement wollen wir möglichst viele junge Menschen dazu bringen, dass sie am Sonntag zur Europawahl gehen und dort nicht rechtspopulistische Parteien, sondern demokratische wählen.

Was hat die Reise mit Dir persönlich gemacht?
Ich habe diese 16 Tagen als superspannend und intensiv erlebt. Wir sind die gesamte Strecke mit einem VW-Bus gefahren, haben uns Zimmer und Wohnungen geteilt, haben mit so vielen Menschen gesprochen, so viel erlebt. In allen bereisten Ländern haben wir Leute getroffen, die sich für ein soziales Europa stark machen, die für gerechte Bezahlung kämpfen und nach wie vor an ein gemeinsames, solidarisches Europa glauben und einsetzen. Das war schon großartig. Mit Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen der italienischen Arbeiterunion (Unione Italiana del Lavoro, UIL) haben wir uns die Köpfe heißgeredet. Sie werden uns im nächsten Jahr besuchen kommen. Darauf freue ich mich heute schon.

Zur Person
Isabelle Gagel ist 23 Jahre alt, stammt aus Worms und lebt seit vier Jahren in Berlin. Sie ist Metallerin und absolviert gerade ein Praktikum bei der IG Metall Berlin. Sie studierte Philosophie und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nun strebt sie einen Master an der Global Labour University (GLU) an und wird dafür in Kassel und Berlin studieren.  

 

Von: mn

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