31.03.2020 | Arbeitgeber setzen regelmäßig Beschäftigte unter Druck, um ihr Arbeitsverhältnis mithilfe von Aufhebungsverträgen zu beenden. Dabei dürfen sie aber laut Bundesarbeitsgerichts das „Gebot fairen Verhandelns“ nicht verletzen dürfen. Wie Beschäftigte gegen einen vorschnell abgeschlossenen Aufhebungsvertrag vorgehen können, erläutert Mechtild Kuby von dka Rechtsanwälte Fachanwälte.
Arbeitgeber können ein Arbeitsverhältnis entweder per Kündigung oder Aufhebungsvertrag beenden. Bei der Kündigung handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die schriftlich entweder fristgerecht oder gar fristlos entweder vom Arbeitgeber oder von den Beschäftigten erklärt werden kann (§ 623 BGB).
I. Arbeitsverhältnisse enden durch Kündigung oder per Aufhebungsvertrag
Erhalten Beschäftigte eine Kündigung, so haben sie die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Kündigung im Rahmen einer Klage, die innerhalb von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden muss, überprüfen zu lassen. Auch besteht die Möglichkeit, nach Erhalt der Kündigung einen sogenannten Abwicklungsvertrag abzuschließen, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich darauf verständigen können, dass und unter ggf. welchen Konditionen das Arbeitsverhältnis aufgrund der ausgesprochenen Kündigung endet.
Da der Ausspruch einer Kündigung für Arbeitgeber keine schnelle Sicherheit dafür bietet, dass das Arbeitsverhältnis auch wirklich zu dem gewünschten Zeitpunkt endet, treten Arbeitgeber immer wieder an die Beschäftigten mit dem Ansinnen heran, das Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu beenden. Hierbei wird teilweise ein freundliches Angebot unterbreitet, teilweise werden Beschäftigte unter Druck gesetzt oder sogar „unfair“ behandelt.
Ein Aufhebungsvertrag kann rechtswirksam abgeschlossen werden, sobald sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Vertrag, der von beiden unterschrieben werden muss, auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigen.
Ausgehend vom Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt dabei: Ist die Unterschrift erst einmal geleistet, ist der Vertrag wirksam und kann nicht mehr verändert oder gar rückgängig gemacht werden, ohne dass die andere Seite erneut einverstanden ist! Daher gilt: Niemals unüberlegt einen Aufhebungsvertrag unterschreiben!
In sehr engen Grenzen ist es jedoch möglich, sich von dem Aufhebungsvertrag wieder zu lösen. Zu dieser Frage hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 07.02.2019 Antworten gegeben. (AZ 6 AZR 75/18)
II. Welche Möglichkeiten bestehen, wenn unüberlegt ein Aufhebungsvertrag unterschrieben wurde?
1. BAG: Aufhebungsvertrag im Wohnzimmer?
Das Bundesarbeitsgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Die Arbeitnehmerin, eine Reinigungsfachkraft, die nach ihrer Aussage am fraglichen Tag arbeitsunfähig erkrankt war, wurde am Nachmittag desselben Tages vom Lebensgefährten der Arbeitgeberin, der die Geschäfte führte, in ihrer Wohnung aufgesucht. Dieser legte der Arbeitnehmerin einen Aufhebungsvertrag vor, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses am gleichen Tag ohne die Zahlung einer Abfindung vorsah. Die Arbeitnehmerin unterzeichnete den Aufhebungsvertrag.
Das Geschehen im Einzelnen war zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin streitig:
Die Arbeitnehmerin hatte vorgetragen, auf das Klingeln an der Haustür habe ihr Sohn den Lebensgefährten der Arbeitgeberin ins Haus gelassen und sie geweckt, da sie schlafend und krank im Bett gelegen habe. Der Lebensgefährte der Arbeitgeberin habe ihr gesagt, dass er ihre Faulheit nicht unterstützen werde und ihr den Aufhebungsvertrag hingehalten. Sie habe diesen dann unter dem Einfluss von Schmerzmitteln „im Tran“ unterschrieben und erst hinterher gemerkt, was sie da gemacht habe. In der Folgezeit hat die Arbeitnehmerin den Vertrag widerrufen.
Die Arbeitgeberin hatte behauptet, die Arbeitnehmerin habe am Vormittag bei der Arbeitgeberin angerufen und um den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gebeten. Der Lebensgefährte der Arbeitgeberin habe weder bemerkt, dass die Arbeitnehmerin krank gewesen sei, noch habe er ihr Faulheit vorgeworfen.
2. Lösungsmöglichkeiten für Beschäftigte
Ausgehend von dem Grundsatz, dass Verträge eingehalten werden müssen, sind die Hürden sehr hoch, um sich von einem Vertrag wieder zu lösen.
a) Nichtigkeit
Der Vertrag war nicht nichtig. Dies hätte gem. § 105 Abs. 2 BGB der Fall sein können, wenn die Arbeitnehmerin die Willenserklärung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben hätte. Dies ist beispielsweise bei hohem Alkoholkonsum über 3 Promille oder Hypnose der Fall. Bei einer leichten Erkrankung oder wenn eine Erklärung „im Tran“ abgegeben wird, hingegen nicht.
b) Anfechtung
Die Arbeitnehmerin hat den Vertrag auch nicht wirksam angefochten. Zwar kann grundsätzlich ein Vertrag gem. §§ 119 ff BGB angefochten werden. Hierzu muss sich der Arbeitnehmer irren, also z.B. gar nicht wissen, was er tut, was regelmäßig nicht der Fall ist (§ 119 BGB), oder der Arbeitgeber muss den Beschäftigten arglistig täuschen oder widerrechtlich bedrohen (§ 123 BGB). Nach der Rechtsprechung ist eine Drohung widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Zudem muss der Arbeitnehmer im Prozess beweisen, dass er bedroht wurde, was gerade bei 4-Augen-Gesprächen häufig schwierig ist.
c) keine Widerrufsmöglichkeit
Das Gesetz sieht auch die Möglichkeit vor, einen Vertrag zu widerrufen. Bekanntlich können Verträge, die von einem Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen, also insbesondere an der Haustür oder im Internet geschlossen werden, innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Dieser Möglichkeit hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil eine eindeutige Absage erteilt. Der Aufhebungsvertrag kann vom Arbeitnehmer also nicht einmal dann widerrufen werden, wenn der Arbeitgeber vollkommen unerwartet zum Arbeitnehmer in die Wohnung kommt und sich zu Hause, ohne Bedenkzeit, einen Aufhebungsvertrag unterschreiben lässt.
d) „Gebot fairen Verhandelns“
Gestärkt und konkretisiert hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil jedoch das „Gebot fairen Verhandelns“. Hiernach kann die Verletzung des Gebots fairen Verhandelns dem Beschäftigten die Möglichkeit geben, sich vom Aufhebungsvertrag wieder zu lösen, wenn der Arbeitgeber unfair gehandelt hat, die strengeren Voraussetzungen für eine Anfechtung des Vertrages aber nicht vorliegen. Dies stärkt die Position und Möglichkeiten der Beschäftigten. Das Gebot fairen Verhandelns ist eine Nebenpflicht des Arbeitgebers, wenn dieser Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag aufnimmt. (§ 311 Abs. 2 Nr. BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB)
Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts wird dieses Gebot missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers in zu missbilligender Weise beeinflusst wird („undue influence“. Hiernach ist eine Verhandlungssituation erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen (Vgl. BAG, Urteil vom 07.02.2019, Rn. 34).
Dabei geht es nicht darum, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine besonders angenehme Verhandlungssituation zu schaffen. Es ist auch nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sein Ansinnen vorher ankündigt, ihm eine Bedenkzeit oder ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt. Vielmehr ist entscheidend, dass der Arbeitgeber nicht in unzulässiger Art und Weise bei den Verhandlungen auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers Einfluss nimmt und so das Verhandlungsgleichgewicht stört.
Ob dies der Fall ist, hängt letztlich immer vom Einzelfall ab. Als unfaire Situationen sind folgende Konstellationen denkbar:
3. Beweislast und Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns
Mit dem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht zwar dem Widerruf von Aufhebungsverträgen als Verbrauchergeschäft eine Absage erteilt. Die Verpflichtung der Arbeitgeber, das Gebot fairen Verhandelns zu beachten, hat jedoch die Position der Arbeitnehmer gestärkt.
Leider ist das Bundesarbeitsgericht bislang nicht so weit gegangen, dass es zugunsten der Arbeitnehmer eine Beweiserleichterung, etwa durch eine Beweislastumkehr zugelassen hätte. Zu fordern ist eine verpflichtende Parteivernehmung gem. § 448 ZPO bei Vorliegen entsprechender Indizien, die auf eine Situation schließen lassen in der das Gebot fairen Verhandelns verletzt wurde.
Bislang verlangt das Bundesarbeitsgericht weiter, dass Beschäftigte, die sich auf die Verletzung des Gebots fairen Verhandelns berufen, die zugrunde liegenden Tatsachen beweisen müssen.
4. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns
Das Bundesarbeitsgericht stellt in dem Urteil zuletzt klar, dass sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig macht. Rechtsfolge dieses schuldhaften Verstoß´ gegen das Gebot fairen Verhandelns ist, dass die Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrages entfallen und das Arbeitsverhältnis damit zu den unveränderten Bedingungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages fortgesetzt wird.
III. Ausblick
Beschäftigte bleiben gut beraten, wenn sie niemals einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen, ohne sich zuvor gut überlegt zu haben, ob sie einen Vertrag abschließen wollen. Es ist immer zu empfehlen, sich vor Abschluss eines solchen Vertrages bei der Gewerkschaft oder bei Rechtsanwälten fachkundig beraten zu lassen.
Denn die Folgen sind oft immens: So gelten bei Aufhebungsverträgen Schutzgesetze nicht und es entfällt die Notwendigkeit der Einholung von behördlichen Zustimmungen, wie sie etwa im Fall von Kündigungen von Schwangeren und Müttern nach der Geburt gilt, oder auch bei Elternzeitlern, Schwerbehinderten oder Gleichgestellten. Auch der Betriebsrat ist nicht nach § 102 BetrVG zu beteiligen. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann dazu führen, dass die Bundesagentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängt und sich der Arbeitslosengeldbezugszeitraum um ein Viertel verkürzt. Der Preis für die Rechtssicherheit der Arbeitgeber sind also eindeutige Rechtsnachteile auf Seiten der Arbeitnehmer.
Mechtild Kuby ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und gehört der Kanzlei dka Rechtsanwälte Fachanwälte an.