Siemens, Ledvance, GE:

„Dem Management fehlt der Mumm“

05.12.2017 | Siemens, Ledvance und GE wollen in Berlin Standorte schließen oder zumindest Arbeitsplätze abbauen. In allen Fällen sollen Beschäftigte für kurzfristiges Handeln des Managements bezahlen. Gegen das Gebrüll haben Beschäftigte und IG Metall gute Argumente. Im Interview erläutert Klaus Abel, wie die IG Metall vorgehen will.

Wir sind viele - und wir kämpfen um unsere Arbeitsplätze Fotos: Christian von Polentz

Siemens und Ledvance schocken ihre Beschäftigten in Berlin mit Kürzungs- und Schließungsplänen. Und auch bei GE Berlin stehen die Zeichen auf einen harten Umbruch. Was bedeutet das für Berlin?
Klaus Abel: Die drei Arbeitgeber haben gut gebrüllt. Das bedeutet aber nicht, dass wir sie damit durchkommen lassen. Brüllen können wir auch. Erst einmal setzen wir wie in früheren Auseinandersetzungen auf gute Argumente. Gemeinsam können wir durchaus kaufmännisch gesteuerte Kurzsichtigkeit abwehren. Wir haben gute Lösungen für die Beschäftigten ausgehandelt, die auch betriebswirtschaftlich oft sehr gut für die Unternehmen waren.

Kannst Du ein Beispiel nennen?

Im Juni 2015 wollte Siemens im Schaltwerk vier Bereiche schließen, unter anderem die damals defizitäre Gießharzfertigung, einen Schlüsselbereich im Schaltwerk. 600 Arbeitsplätze wollte Siemens abbauen. Die Siemens-Betriebsräte haben mit Unterstützung der IG Metall ein alternatives Konzept vorgeschlagen, wie die Gießharzanlage effizienter betrieben werden kann. Wir haben Siemens von diesem Konzept überzeugt. Am Ende fielen 90 Arbeitsplätze weg. Es gab keine betriebsbedingten Kündigungen. 510 Arbeitsplätze haben wir gerettet. Das Schaltwerk steht längst wieder gut da.

Ledvance will neben dem Augsburger Werk auch das in Berlin schließen und insgesamt mehr als die Hälfte aller deutschen Beschäftigten entlassen. Hat das eine neue Qualität?
Die Pläne zeigen jedenfalls, dass der chinesische Investor MLS nur das Know-how abziehen und sich ein Einfallstor nach Europa sichern wollte. Es ist ein Betrug an den Beschäftigten, den wir so nicht durchgehen lassen können. Wir werden künftig chinesische Offerten noch kritischer analysieren. Und im Zweifel sagen wir Nein.

Seit Mitte November wissen wir, dass Siemens die gesamte Fertigung des Dynamowerks mit 700 Beschäftigten schließen und auch im Gasturbinenwerk 300 Beschäftigte abbauen will. Auch bei GE steht ein harter Umbruch im Raum. Ist die Lage so schlimm?
Siemens hat im vergangenen Geschäftsjahr eine Ergebnismarge von 9,7 Prozent erwirtschaftet, bei Power & Gas-Bereich immer noch bei 8,2 Prozent. Und dann entlassen wir rund 1.000 Beschäftigte alleine in Berlin? Das ist absurd. Wo ist die gesellschaftliche Verantwortung geblieben, die Joe Kaeser in Sonntagsreden gerne in den Mund nimmt?

Das wirtschaftliche Umfeld für Elektromotoren und Gasturbinen ist für Siemens wie GE aktuell schwierig.
Ja. Das geschieht aber alle Jahre wieder. Elektromotoren wird man aber auch in Zukunft brauchen, Gasturbinen sind eine zentrale Brückentechnologie auf dem Weg in die kohlenstofffreie Energieproduktion. Da sind GE und Siemens in Berlin sehr gut aufgestellt. Konkurrenz und Marktdellen müssen Unternehmen in Deutschland mit Innovationen begegnen. Das gilt auch für Ledvance. Dafür muss man aber auch in die Standorte investieren wie wir es einfordern.

Warum geschieht das nur in begrenztem Maße?

In allen drei Unternehmen fehlt dem Management der Mumm, Umwälzungen mit einem langen Atem zu begegnen. Das ist nicht nur Margenblindheit. Sie haben Angst vor den Aktionären. Wer aber heute Angst hat, der hat schon verloren. Ich wünsche mir Weitsichtigkeit und eine sinnvolle Aufteilung der Gewinne.

Was meinst Du damit?
Wenn man den Aktionären 600 Millionen Euro bei Siemens ausschütten und gleichzeitig allein in Berlin 1.000 Arbeitsplätze vernichten will, ist das keine soziale Marktwirtschaft mehr. Dann rütteln die Manager von GE, Ledvance und Siemens an den Grundfesten unserer Gesellschaft. Das ist gefährlich. Dadurch schwindet das Vertrauen in die Eliten, der Einfluss von Populisten steigt. Aber auch kaufmännisch ist das hysterische Agieren in den Vorstandsetagen riskant.

Warum?
Das Fachwissen und die Erfahrungen in den Berliner Standorten von Siemens, Ledvance und GE ist in vielen Bereichen einzigartig. Im Dynamowerk soll die gesamte Fertigung schwinden. Die aber braucht man, um im Engineering innovative Produkte entwickeln zu können. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Das ist schlichtes Einmaleins. Mit den Beschäftigten verschwindet dieses Wissen, das die Unternehmen aus meiner Überzeugung für die Zukunft dringend benötigen.

Von: mn

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