Lobbyarbeit in Berlin

„Die IG Metall ist ein gern gesehener Gesprächspartner“

31.05.2017 | Konrad Klingenburg sorgt mit seinem Berliner Team dafür, dass Wissen, Wünsche und Nöte der IG Metall-Mitglieder in die Politik einfließen. Davon profitieren auch die Berliner Beschäftigten. Ein Interview über Lobbyarbeit und warum Betriebsräte und IG Metall bei Abgeordneten und in Ministerien gern gesehene Gäste sind.

Konrad Klingenburg leitet das politische Verbindungsbüro in Berlin. Er ist 52 Jahre alt, hat in Berlin Politik studiert und arbeitet seit 2000 für Gewerkschaften an der Schnittstelle zur Politik.

In der politischen Auseinandersetzung gilt Lobbyarbeit häufig als anrüchig, besonders die des politischen Gegners. Wie sieht gute Lobbyarbeit aus?

Konrad Klingenburg: Jedenfalls nicht so, wie viele sich das vorstellen, also Geheimtreffen mit hoch geschlagenem Kragen. Wer Einfluss nehmen will, muss gut informiert sein, die politischen Agenden von Regierung und Parteien kennen, um dann möglichst am Beginn einer politischen Debatte eigene Themen zu setzen. Ist der erste Referentenentwurf eines Gesetzes geschrieben, dann ist der Drops meistens gelutscht.

Sind Industrie und Wirtschaftsverbände besser aufgestellt?
Wenn man die Zahl der Mitarbeiter vergleicht, dann kommen auf einen IG Metaller gleich viele Dutzend Lobbyisten, die für Unternehmen und Wirtschaftsverbände versuchen, Einfluss zu nehmen. Aber das nehmen wir sportlich. Wir haben gute Argumente. Beim letzten Jahrestag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie beklagte zum Beispiel der damalige Präsident Grillo, man werde in Berlin nicht mehr gehört.

Warum ist Lobbyarbeit wichtig?
Lobbyarbeit ist nichts anderes, als seine Meinung kundzutun, vor allem auch die Politik mit dem eigenen Know-how zu versorgen. Das ist für die Demokratie extrem wichtig. Denn unsere Gesellschaften werden immer komplexer, das Wissen differenzierter, die Materie komplizierter. Politiker sind auch Menschen und können nicht bei allen Themen Experten sein Deshalb rufen sie das Spezialwissen ab.

Welches Handwerkszeug braucht Ihr dazu?

Wir müssen wissen, welche Vorhaben die Regierung plant und welche Themen relevant werden könnten. Da hilft ein großes Netzwerk an Kontakten, die man wiederum pflegen muss.

Ist das ein Grund, warum Ihr seit vielen Jahren in Berlin sitzt?

Ja. Denn manchmal muss es schnell gehen. Und bei aller Kommunikation via E-Mail und Telefon, ist das persönliche Miteinander häufig entscheidend, sei es auf einer Veranstaltung wie dem Parlamentarischen Abend oder bei einem Kaffee.

Was habt ihr in dieser Legislaturperiode erreicht?
Beim Mindestlohngesetz konnten wir viele unserer Positionen deutlich machen. Das gilt auch für die Rente mit 63 oder die Neuregelungen bei der betrieblichen Altersvorsorge. In allen drei Gesetzesinitiativen haben wir wichtige Fortschritte für die Beschäftigten erreichen können. Davon profitieren auch die Berliner IG Metaller. Zumindest fällt das Fazit eher positiv aus.

Das sehen nicht alle so.
Richtig: Ein Durchmarsch mit allen eigenen Positionen gelingt bei einer großen Koalition selten. Aber es geht nicht nur um Gesetzgebung, sondern auch darum unsere Themen in der politischen Debatte zu setzen und gleichzeitig das Image der IG Metall als zukunftsorientierte Gewerkschaft zu festigen.

Wie in der Diskussion um Digitalisierung und Industrie 4.0?

Anfangs drehte sich die Debatte nur um technische Veränderungen und die damit verbundenen Chancen. Die Beschäftigten kamen kaum vor. Das hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, weil die IG Metall  eine Beteiligungsoffensive gestartet hat. Dafür vertreten wir unsere Positionen in der Plattform Industrie 4.0 oder in der Plattform Digitale Arbeit. Und natürlich führen wir auch viele Einzelgespräche und  treffen viele Bundestagsabgeordnete oder Ministerialbeamte.

Was sagt Ihr ihnen?
Wir versuchen ihnen zum Beispiel die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Unternehmen und Beschäftigte zu verdeutlichen. Abgeordnete oder auch Ministerialbeamte sind froh, wenn wir mit Betriebsräten und Vertrauensleuten vorbeikommen, die Klartext abseits der Hochglanzbroschüren reden. Sie berichten aus der Praxis in den Betrieben und Schwierigkeiten ihrer Arbeit vor Ort. Da geht es oft auch um sehr fachspezifische Fragen. Da ist die IG Metall ein gern gesehener Gesprächspartner, denn wir vertreten viele technisch sehr ausdifferenzierte Branchen und unsere Metallerinnen und Metaller kennen die Materien in und auswendig.

Mit was beschäftigst Du Dich also gerade?
Aktuell habe ich das Wahlprogramm der FDP auf dem Bildschirm, weil ich die Positionen der relevanten Parteien zur Bundestagswahl mit den Kernforderungen der IG Metall vergleiche.

Warum ist das wichtig?
Weil wir als IG Metall wissen wollen, wie sich die Parteien positionieren, wo es künftig  Schnittmengen gibt und bei welchen Themen sie den Interessen der Beschäftigten zuwiderlaufen. Der FDP ist wie uns Digitalisierung und Industrie 4.0 sehr wichtig. Aber sie kritisiert zu starre Regeln, fordert mehr Flexibilisierung und sieht den Markt einmal mehr als Heilbringer. Mitbestimmung und Tarifautonomie hingegen tauchen nicht auf. Das sehen wir vollkommen anders.

Damit fällt die FDP als Partner weg?

Nein, nicht automatisch. Wir sprechen mit allen Parteien im Bundestag, allerdings nicht mit der AfD, wenn sie reinkommt. Viele Metallerinnen und Metaller engagieren sich ja auch in den unterschiedlichsten Parteien. Es würde keinen Sinn machen, allein mit der Opposition zu reden. Wir wollen unseren Einfluss geltend machen und mitgestalten, um unseren Mitgliedern in Berlin eine Stimme zu geben.

Von: mn

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