Berliner Azubis auf der Berufsschultour:

„Die meisten hören das erste Mal, dass sie Rechte haben“

30.08.2019 | Während ihrer jährlichen Berufsschultour stellen die Aktiven der IG Metall Berlin fest, dass die Berliner Azubis oft erschreckend wenig über ihre Rechte wissen. Und dann gibt es die anderen, die sich organisieren und mit der IG Metall in Tarifverhandlungen Verbesserungen erreichen – Lina Bünger erklärt für die Auszubildendenvertretung Tischler*innen, wie es geht.

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Auf Einladung der Berufsschulen erläutern Aktive aus dem Jugendbereich der IG Metall wie Simon Sternheimer, der Jugendsekretär der IG Metall Berlin, welche Rechte Auszubildende haben. Dafür besuchen sie jährlich zehn Berliner Berufsschulen. „Ein Team geht meistens direkt in den Unterricht, ein anderes steht in den Pausen für Nachfragen von Schülern und Lehrern zur Verfügung“, erzählt Simon Sternheimer.

Klar: Sie treffen Auszubildende, die wissen, was Tarifverträge sind und welche Arbeitszeitregelungen gelten. Wie wenig Wissen Azubis aber generell über ihren Arbeitsplatz haben, ist erschreckend: „Die meisten hören von uns das erste Mal, dass sie überhaupt Rechte haben“, sagt Simon Sternheimer. „Mehrarbeit am Wochenende, Überstunden und trotzdem eine schlechtere Bezahlung als im Tarifvertrag vereinbart, das hören wir sehr oft.“

Lina Bünger, heute 24 Jahre alt, hat sich während ihrer Ausbildung mit anderen zur Auszubildendenvertretung Tischler*Innen Berlin zusammengeschlossen. Sie erläutert im Interview, wie sie gemeinsam Einiges bewegen konnten.

Lina, wie habt Ihr die Auszubildendenvertretung Tischler*Innen Berlin gegründet?
Ein Freund hat angeregt, dass wir uns als Tischler-Azubis treffen, um über unsere Ausbildungssituation zu sprechen. Anlass war, dass die Studierenden mehr Lohn als studentische Hilfskraft gefordert haben. Da haben wir  gedacht, das können wir auch. Zu unserem ersten Treffen sind gleich zwölf Leute gekommen.

Wieviel Geld hattest Du während Deiner Ausbildung zur Verfügung?
Netto waren es zeitweise  325 Euro, das hat noch nicht mal für mein WG-Zimmer in Berlin gereicht. Ich musste also während meiner Ausbildung immer mal wieder zusätzlich jobben. So geht es vielen angehenden Tischler*innen.

Wie habt Ihr die anderen überzeugt, bei Euch mitzumachen?
Wir sind durch die Berufsschulklassen gegangen und haben Fragen gestellt wie: Wie die Ausbildung ist, wieviel Geld sie bekommen und ob sie von jemandem gehört werden, wenn es Probleme gibt. Die Ergebnisse haben wir auch ausgewertet.

Was kam dabei raus?
Nur jeder Vierte hat gesagt, dass die Auszubildendenvergütung zum Leben reicht und jeder Dritte hat gesagt, dass er das Gefühl habe, für ausbildungsfremde Zwecke ausgenutzt zu werden. Kein Wunder also, dass die Zahl der Auszubildenden seit Jahren kontinuierlich sinkt und immer mehr die Ausbildung abbrechen.

Wie zufrieden sind die Azubis in ihrer Ausbildung?
Ich bin gerne Tischlerin, wie die meisten anderen auch. Wir mögen unseren Beruf, man kann viel damit anfangen. Aber fast alle hatten in der Ausbildung eine Phase, in der sie so unzufrieden waren, dass sie keine Lust mehr auf die Ausbildung hatten. Viele haben das Gefühl, zu wenig zu bekommen für das, was wir leisten.

Wie ging es mit Eurer Gruppe weiter?
Wir habe dann Leute aus der IG Metall Berlin kennengelernt und ein Teil der Gruppe ist IG Metall-Mitglied geworden, ich auch. Gemeinsam mit der IG Metall haben wir dann mit der Tischler-Innung Berlin Tarifgespräche initiieren und durchführen können. Jetzt bekommen die Auszubildenden in allen Ausbildungsjahren mehr Geld, fast 20 Prozent mehr als vor zwei Jahren.

Bist Du zufrieden, was bei Eurem Engagement herausgekommen ist?
Wir haben viel bewirkt, das haben wir mit dem Tarifvertrag ja auch schwarz auf weiß. Jetzt muss die nächste Generation Azubis weitermachen und Druck aufbauen. 

Wie geht es mit Dir weiter?
Ich sattele noch ein Studium drauf und gehe an die Kunsthochschule. Da freue ich mich drauf. Ich bleibe weiter IG Metall-Mitglied, weil ich es wichtig finde, dabei zu sein.

 

Von: jb

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