Unteilbar: Die Antwort heißt Solidarität

Eine deutliche Mehrheit ist für Vielfalt und Humanität

17.10.2018 | Von der Unteilbar-Demonstration am Samstag in Berlin ging ein starkes Signal aus. Das haben auch jene am Bildschirm gespürt, die das Ereignis aus der Ferne betrachtet haben. Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall, Berlin zieht Bilanz.

Klaus Abel, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, auf der Unteilbar-Demonstration am 13. Oktober 2018.

Alle Fotos Christian von Polentz/transitfoto.de

240.000 Menschen. Das gab es schon lange nicht mehr auf einer Demonstration. Wie hast Du diese am Sonntag erlebt?
Klaus: Viele Menschen an der Seite haben geklatscht und nicht wenige haben sich eingereiht. Das war schon ein tolles Gefühl. Auffällig war der bunte Ausschnitt der Bevölkerung, der da demonstriert hat. Die meisten von ihnen haben sich keinem politischen Lager zugeordnet, sondern haben sich über alltägliche Netzwerke organisiert. Sie alle aber haben für eine offene Gesellschaft, für Solidarität und Vielfalt demonstriert.

Welche Botschaft geht von dieser Demonstration aus?
Es gibt eine deutliche Mehrheit in unserer Gesellschaft, die eine demokratische Gesellschaft schätzt und die auch Humanität einfordert. Dazu gehört, dass Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken dürfen, während wir hier im Luxus leben. So war es auf einem Plakat zu lesen. Ich sehe, dass diese Botschaft sowohl weit in die SPD und das christliche Lager hineinreicht, deren Spitzen in der Koalition sich teilweise vom Gebrüll der Rechten beeindrucken lassen.

Wie nimmt man diesen Schwung nun mit?
Das ist eine gute Frage. Eine abschließende Antwort habe ich hier nicht. Wie kommunizieren wir komplexe Zusammenhänge in einer Zeit, in der Menschen Parolen hinterherlaufen, weil sie furchtbar wütend sind. Die AfD nutzt diese Wut als Brandbeschleuniger, in dem sie Flüchtlinge als Sündenböcke ins Zentrum ihres politischen Gebarens stellt, weil es ihren Zwecken dient.

Woher kommt die Wut?
Ich denke, dafür gibt es vielerlei Gründe. Der soziale Kitt in einer Gesellschaft wird brüchig, wenn die Schere zwischen Reich und Arm weiter aufgeht, ein Drittel der Menschen soziale Marktwirtschaft nicht mehr wirklich spürt. Die neoliberale Wirtschaftsideologie hat hier vieles zerstört. Heute würden wir gerne noch über genügend Genossenschaftswohnungen verfügen. Sie wurden verscherbelt und fehlen nun, um der Gier etwas entgegenzusetzen. Das ist nur ein Beispiel von vielen.

Spielt Arbeitsverdichtung und Digitalisierung eine Rolle?
Auch. Die Menschen haben natürlich Angst vor dieser fundamentalen Entwicklung. Was bedeutet Automation, künstliche Intelligenz, globaler Wettlauf für meinen Arbeitsplatz? Werde ich abgehängt mit 45 Jahren oder reicht es noch bis zur Rente? Und wenn, reicht diese dann aus, ein gutes Leben zu führen.

Was können Gewerkschaften wie die IG Metall hier beitragen?
Unser Hauptfeld sind die Unternehmen und Betriebe. Wir wollen verstärkt die Tarifbindung thematisieren, weil sie dazu beiträgt, dass die Schere nicht weiter aufgeht. Es bringt nämlich Menschen nichts, wenn sie zwar Jobs haben, davon aber drei benötigen, um in diesem Land überleben zu können.

"Wir wissen, dass Solidarität Gesellschaft heilen kann."

Welche Bedeutung hat Solidarität?
Für neoliberale Ideologen ist Solidarität gefährlich, denn sie setzt dem geldgetriebenen Handeln soziales Handeln entgegen. Das mag manchen altmodisch erscheinen – bis sie selbst ins Fadenkreuz geraten. Wir wissen, weil wir es in den 60er und 70er Jahren erlebt haben, dass Zusammenstehen die Gesellschaft heilen kann, während Gier sie zerstört. Deshalb haben wir auch so hart verhandelt, damit Joe Kaeser, der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, eben nicht in Ostdeutschland einfach Werke schließen kann. Die Kämpfe, die wir für Tariflöhne führen, für flexible Arbeitszeiten, die auch den Beschäftigten ein Familienleben erlauben, tragen dazu bei, dass unsere Gesellschaft lebenswert bleibt. Aber klar, in dieser Hinsicht gilt es viel zu tun. Nur die Hälfte der Beschäftigten arbeitet noch unter tariflichen Bedingungen. Das wollen wir ändern.

Was können Unternehmen für die Integration machen?
Die Integration von ausländischen Arbeitskräften ist eine Erfolgsgeschichte. Sie gelingt regelmäßig auch mit Flüchtlingen. Integration ist gewiss nicht immer einfach, aber sie ist häufig erfolgreich.

Warum wird dies zu wenig wahrgenommen?
Weil Parolen in eine Zeile passen und die, die sie rufen, nichts besser machen müssen. Sie brüllen und das war´s. Wer an Lösungen, arbeitet weiß, dass die Realität komplex ist und zwar in jedem Themenfeld, das unser Leben betrifft. Ansätze müssen ausgehandelt werden und erst auf dem Weg zeigt sich, ob sie wirklich etwas lösen. Das kannst du nicht in 30 Sekunden erklären. Daher müssen wir als IG Metall besser kommunizieren und die Menschen mitnehmen.

"Wer den Hitlergruß zeigt, hat bei uns nichts verloren."

Auch Populisten und Rechtsradikale?
Wer irgendwo mitläuft und den Hitlergruß zeigt, hat bei uns nichts verloren. Da positionieren wir uns eindeutig. Wer aber bereit ist, zu diskutieren und andere Meinungen gelten zu lassen, mit dem werden wir auch diskutieren. Denn wir müssen die schwerfälligen Prozesse auch erklären, daran arbeiten, dass sie weniger schwerfällig werden und dass wir bei Entscheidungen in Deutschland und Europa besser mitreden können.

Was ist Deine Antwort?
Solidarität. Wir wollen durch gemeinsames Handeln die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten verbessern. Das wollen wir mit sozial Schwächeren, mit Geflüchteten, mit Familien ebenfalls erreichen. Zudem ist es an der Zeit, die neoliberale Ideologie zurückzudrängen und der sozialen Marktwirtschaft ganz im Sinne des Grundgesetzes wieder mehr Platz zu verschaffen. Und wenn ich mir all die Plakate vergegenwärtige, die ich auf der Unteilbar-Demonstration gelesen habe, befinden wir uns da in guter Gesellschaft. Das finde ich sehr ermutigend.

 

Von: mn

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