Klimawandel & Transformation:

„Ich fände das wünschenswert, bei allen Gegensätzen das Gemeinsame zu identifizieren“

01.12.2020 | Die Vorsitzenden des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) und der IG Metall loten im Interview für den Spiegel Gemeinsamkeiten dafür aus, wie Deutschland den Klimawandel schaffen kann. Die Transformation muss sowohl ökologisch als auch sozial sein – da sind sich Olaf Bandt und Jörg Hofmann einig. Die IG Metall Berlin will den Wandel mitgestalten.

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: "Das Ziel der Sicherung der industriellen Basis teile ich“

Jörg Hofmann: "Ich kann mir vorstellen, dass wir gemeinsam ein paar zentrale globale Botschaften platzieren: Der Markt allein wird es nicht richten."

Beide Gesprächspartner eint, dass sie mächtige Organisationen vertreten und in dieser Rolle Lösungen finden müssen, die gleichzeitig gesellschaftsfähig und so verhandelt sind, dass ihre Mitglieder sich gut vertreten fühlen. Und so vertreten beide im Interview – natürlich – erst einmal die Interessen ihrer Mitglieder.

Während Olaf Bandt mehr öffentlichen Verkehr sowie weniger Rohstoffverbrauch, PS und Gewicht im Verkehr fordert, verweist Jörg Hofmann auf die Alternativlosigkeit von Individualverkehr auf dem Land und in vielen Regionen der Welt, wo das Bedürfnis nach Mobilität gerade erst entstehe: „Mobilität ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe“, sagt der Erste Vorsitzende der IG Metall. 

Einig sind sich beide, dass Deutschland bis 2040 die größte Wegstrecke zur Bewältigung des Klimawandels geschafft haben muss, um 2050 klimaneutral zu sein. Und dass es viel mehr braucht als das, was die Politik dafür auf den Weg gebracht hat.

Bundesregierung schafft Ladeinfrastruktur nicht

„Mit der geplanten Novelle zum Erneuerbare Energien-Gesetz werden wir die Dekarbonisierung der Stahlindustrie und die Elektrifizierung des Verkehrs nie erreichen. Bei der Windenergie und den Ladestationen gibt es einen Stau aus der Vergangenheit“, sagt Olaf Bandt. Und Jörg Hofmann: „Ich kriege die Krise, wenn ich sehe, was beispielsweise nicht passiert bei der Ladeinfrastruktur für E-Autos. Und wo kommt denn eigentlich die grüne Energie her, die wir brauchen, um die Klimawende wirklich zu schaffen?“

2.000 Ladepunkte wollte die Regierung monatlich schaffen: „Tatsächlich sind es etwa 200“, so Jörg Hofmann weiter.

Spannend an dem Interview ist, dass beide Vorsitzenden Gemeinsamkeiten betonen. Der BUND habe auf seiner Bundesversammlung Mitte November beschlossen, „uns erstmals intensiv damit zu beschäftigen, wie man den ökologischen Umbau auch sozial gerecht gestalten kann“, so Olaf Bandt und geht noch einen Schritt weiter: „Das Ziel der Sicherung der industriellen Basis teile ich.“

Szenarien entwickeln, ohne Widersprüche unter den Tisch zu kehren

Jörg Hofmann sagt, die IG Metall wolle sich „in den Regionen zusammensetzen und Szenarien für einen sozial-ökologischen Wandel entwickeln, ohne die Widersprüche und Interessenkonflikte unter den Teppich zu kehren. Anders lassen sich am Ende keine konkreten Lösungen in einer Gesellschaft finden.“

Und auf die Frage, ob BUND und IG Metall zu Bundestagswahl im kommenden Jahr einen gemeinsamen Anforderungskatalog an die  Politik aufstellen wolle, kann sich Jörg Hofmann vorstellen, „gemeinsam ein paar zentrale globale Botschaften“ zu platzieren: „Der Markt allein wird es nicht richten. Wir brauchen keine Schwächung des Sozialstaats. Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation als Weg aus der Klimakrise.“

Dem kann auch der Vorsitzende des BUND Einiges abgewinnen: „Ich fände das wünschenswert, bei allen Gegensätzen das Gemeinsame zu identifizieren. In der  Vorbereitung auf unser Gespräch habe ich noch mal gelesen, was die IG Metall zu  Mitbestimmung, Teilhabe und Demokratisierung in den Betrieben schreibt. Da habe ich vieles wiedergefunden, worüber wir auch in der Ökologiebewegung sprechen, wenn es um die Partizipation an Entscheidungen geht.“

IG Metall Berlin: Druck machen und mitgestalten

Jan Otto begrüßt den Dialog der beiden Organisationen. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin will Klimawandel und Transformation ins Zentrum der Arbeit der Geschäftsstelle stellen: „Natürlich gibt es Widersprüche zwischen Klima und Arbeitsplätzen. Unsere Rolle muss die sein, diese Widersprüche erst einmal auszuhalten, um dann gemeinsam Lösungen zu finden. Anders geht es nicht“, so Jan Otto.

Daher sei es gut, wenn BUND und IG Metall die Politik gemeinsam in der Verantwortung nehmen, so Otto weiter: „Wir sehen doch auch bei uns in Berlin, dass die Dinge erst passieren, wenn wir Druck machen. Wir brauchen jetzt klare Ansagen, wann wir wie mit welchen Maßnahmen die Produkte und die Betriebe dekarbonisieren. Daran wollen wir in Berlin mitarbeiten.“

Das Interview im Spiegel lest Ihr hier.

 

BUND und IG Metall
Olaf Bandt vertritt etwa 470.000 BUND-Mitglieder in Deutschland, Jörg Hofmann ist Erster Vorsitzender der mit fast 2,3 Millionen Mitgliedern größten Einzelgewerkschaft der Welt. Während der BUND noch keine 50 Jahre alt ist, reichen die Vorläufer der IG Metall bis ins vorletzte Jahrhundert. 1890 gründeten Arbeitnehmer*innen erst die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands und ein Jahr später den Deutschen Metallarbeiter-Verband.

Der BUND ist einer der 78 Verbände in Deutschland, die Musterklagen zum Beispiel gegen Bauvorhaben erheben können – die IG Metall verhandelt die Tarifverträge für viele Millionen Beschäftigte in Metall- und Elektroindustrie, Handwerk und weiteren Branchen.

Beide Verbände loten schon länger die Gemeinsamkeiten aus. 2019 starteten sie gemeinsam mit dem Naturschutzbund Deutschland die Initiative Die Klima- und Mobilitätswende gestalten. In einer Pressemitteilung vor wenigen Tagen sprachen sich BUND und IG Metall dafür aus, das 1,5 Grad-Ziel einhalten und den Weg dahin gestalten zu wollen.

 

 

 

Von: Jörn Breiholz

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