Jetzt mit gutem Haustarif

iSi Automotive – wie sanfter Druck am Ende Früchte trägt

20.07.2021 | Rund 300 Beschäftigte entwickeln und testen bei der iSi Automotive Berlin GmbH in Reinickendorf Airbags. Die Stimmung unter den Beschäftigten war lange schlecht, die Fluktuation hoch. Ab 2019 haben sie sich in der IG Metall organisiert, Betriebsräte haben ihre Forderungen formuliert. Nun hat die IG Metall einen Haustarifvertrag verhandelt, der für die Beschäftigten zahlreiche Verbesserungen bedeutet.

Einige Mitglieder der erfolgreichen Tarifkommission. (c) privat

Bereits 2018 wandten sich einige Betriebsräte der iSi Automotive Berlin GmbH an die IG Metall. Sie wollten die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten verbessern, ein gerechteres Entgeltsystem mit höheren Bezügen durchsetzen und die Bedingungen Richtung Flächentarifvertrag verbessern. Das entsprach auch den Wünschen der Belegschaft, wie eine Fragebogenaktion von IG Metall und Betriebsräten ergab. Danach mahnten 67 Prozent der Beschäftigten eine branchenübliche Vergütung an, über 66 Prozent forderten Standards mit jährlichen Erhöhungen, über 58 Prozent ein gerechtes Entgeltsystem, genauso reduzierte Wochenarbeitszeiten ohne Abzüge.

„Wir wussten, dass wir einen hohen Organisationsgrad benötigten, möglichst viele Beschäftigte in die IG Metall eintreten sollten, wenn wir mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe verhandeln wollten“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Peter Schell. Gerade neuen und jüngeren Beschäftigten mussten seine Kolleg*innen dabei erst einmal erklären, welche Rolle eine Gewerkschaft wie die IG Metall bei Tarifverhandlungen spielt und warum ein hoher Organisationsgrad die Garantie für gute Ergebnisse ist.

In nur drei Monaten war eine große Mehrheit in die IG Metall eingetreten. „Wir hatten bei iSi ein wirklich tolles Mitgliedergewinnungsteam, die mit ihrem Engagement den Grundstein gelegt haben, dass wir bei diesem Autozulieferer trotz Corona und Transformation ein wegweisendes Ergebnis erzielen konnten“, sagt Andreas Buchwald von der IG Metall Berlin.

Sechs Verhandlungsrunden – dann der zweite Lockdown

Mitte 2020 begannen die Gespräche mit den Arbeitgebervertretern der in Wien ansässigen Holding. Sechs Verhandlungsrunden haben IG Metall und Arbeitgeber allein im Sommer 2020 geführt. „Die Auseinandersetzungen waren hart, aber konstruktiv in der Sache. Wir hatten schon damals den Eindruck, dass der Arbeitgeber eine vernünftige Lösung mit uns anstrebte“, sagt Andreas Buchwald. Dann kam die zweite Corona-Welle, die Verhandlungen mussten ausgesetzt werden. Nun, im Juli 2021, ist der Haustarifvertrag vereinbart, der rückwirkend zum Januar 2021 in Kraft tritt. Dem Verhandlungsergebnis haben die Beschäftigten am Mittwoch, den 14. Juli in einer Mitgliederversammlung per Videoschalte zugestimmt.

Weihnachten schon im Spätsommer

Beschlossen haben beide Seite einen über mehrere Jahre laufenden Anpassungsprozess mit dem Ziel, die Entgelt- und Arbeitsbedingungen Bedingungen bei iSi an das Niveau der M+E-Flächentarifverträge anzupassen. „Dabei hat sehr geholfen, dass der Arbeitgeber sehr genau registrierte, wie sich die Belegschaft organisierte und sich aktiv an dem Prozess für bessere Bedingungen beteiligt hat“, sagt Andreas Buchwald. Konkret hatte der Arbeitgeber als Zeichen des guten Willens die Wochenarbeitszeit bereits im Vorfeld um eine Stunde reduziert – bei gleichem Entgelt. Der Fahrplan sieht nun weiter vor, dass die Arbeitszeit schrittweise abgesenkt wird und das Entgeltniveau angehoben wird. Wichtige Errungenschaften aus den Flächentarifverträgen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, T-Zug oder Manteltarifvertrag hat das Unternehmen ebenfalls anerkannt.

„Wichtig ist, dass es jetzt eine Perspektive gibt. Wir fangen was das Geld betrifft bei 83 Prozent des Flächentarifvertrages an, was eine enorme Verbesserung bedeutet, und nähern uns diesem Schritt für Schritt weiter an“, sagt Betriebsrat Andreas Janke. Da der Abschluss rückwirkend gilt, findet für viele Beschäftigten 2021 Weihnachten zweimal statt, denn die ausbezahlten Summen fallen bei vielen durchaus üppig aus.

In zwei Jahren steht die nächste Verhandlungsrunde an

Der verhandelte Haustarifvertrag ist ein großer Erfolg, gleichzeitig aber nur der erste Schritt, denn weitere Verhandlungsrunden in den nächsten Jahren sind vereinbart. Deshalb ist es dem Betriebsrat wichtig, dass die Skeptikerinnen und Skeptiker in der Belegschaft nun voll mitziehen. „Wir vom Projektteam bitten all jene, die bislang gezögert haben, jetzt in die IG Metall einzutreten, denn wir können Verstärkung für unsere Verhandlungsposition auch weiterhin sehr gut gebrauchen“, sagt Betriebsrat Lars Schneider. Denn in zwei Jahren steht die nächste Verhandlungsrunde an.

In dieser Woche aber überwiegt erst einmal die Freude über den Erfolg. „Dieser war möglich, weil sich die Leute organisiert haben. Dadurch konnten wir sanften Druck ausüben, der am Ende nun Früchte getragen hat“, sagt Andreas Buchwald.

Von: Michael Netzhammer

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