Fachtagung der IG Metall Berlin für Betriebsräte:

Mitbestimmung digital: "Wie stellen wir uns langfristig auf die Digitalkultur ein?"

23.11.2021 | Aktueller geht nicht: Pünktlich zur vierten Corona-Welle und der Rückkehr vieler Beschäftigter ins Homeoffice diskutieren mehrere Dutzende Berliner IG Metall-Betriebsrät*innen die Herausforderungen der digitalen und virtuellen Arbeitswelt – mit den Referenten Jörg Bahlow von der Gitta mbh und Rechtsanwalt Nils Kummert von den dka Rechtsanwälten.

Es gibt keine Plaudereien mehr in der Teeküche oder am Kopierer. Man darf nicht in die Nachbarhalle, wegen Kohorte. Keine gemeinsame Kantine, kein Geburtstagskuchen, keine Weihnachtsfeier. Während des Online-Meetings guckt man in schwarze Kästen, weil jede/r die Kamera ausgeschaltet hat. Man soll ständig erreichbar sein, weil man ja eh immer zuhause und am Rechner ist. Und ja: Auch Männer müssen in dieser digitalen Welt Multitasking können. Oje.

Andererseits: Treffen sind viel schneller per Mausclick und digitaler Übertragung organisierbar, man gewinnt wahnsinnig viel Zeit, weil der tägliche Arbeitsweg nur Meter beträgt, man kann sich im Online-Meeting auch mal mit einer gestörten Internetverbindung rausreden und eigentlich ist es zuhause doch am schönsten.  

Was machen Corona und Homeoffice mit den Beschäftigten? Wo bleibt eigentlich die Mitbestimmung? Und wie sichern sich Betriebsräte und IG Metall den Zutritt zu den Kolleg*innen? „Die Pandemie hat sehr viele soziale Implikationen“, sagte Regina Katerndahl, die Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. „Daher müssen wir darüber reden, was das für unsere Kolleg*innen bedeutet und wie wir digitale Betriebsversammlungen, die die Betriebsratswahlen und den Alltag der Beschäftigten besser organisieren.“

Klar ist: Die Welt der Beschäftigten in den Branchen der IG Metall ist in Homeoffice-Zeiten  wie immer bunt und unterschiedlich. So können beispielsweise ein Drittel der Beschäftigten gar kein Home-Office machen, weil sie den Mehrwert direkt an der Maschine produzieren und nicht am Schreibtisch – und die anderen zwei Drittel, die Homeoffice machen, haben unterschiedliche Wünsche.

Das berichtete Jörg Bahlow von der Gitta mbH und nannte Zahlen aus der Arbeitswelt in Pandemie-Zeiten. Etwa über die Unterstützung der Arbeitgeber für mobiles und hybrides Arbeiten: Danach hat überhaupt nur jeder fünfte (!) Beschäftigte eine Schulung zu mobilem Arbeiten erhalten. Die anderen 80 Prozent der Beschäftigten haben sich das Wissen irgendwie selbst zusammengesammelt – oder eben auch nicht. Zwei Drittel der Beschäftigten hat der Arbeitgeber noch nicht einmal gefragt, ob sie lieber mobil arbeiten oder nicht.

Nach den Problemen mobiler Arbeit befragt, sagten 60 Prozent der fast tausend befragten Beschäftigten, sie hätten jetzt eine geringere Identifikation mit ihrem Team und ihrem Unternehmen. Jeder Zweite fühlt sich emotional isoliert und 41 (!) Prozent sagten, sie lebten mit dem Gefühl, ohne Ende zu arbeiten und sich permanent entgrenzt zu fühlen. Schlussendlich, so der erfahrenen Berater Jörg Bahlow, ginge es darum, dass jede/r das Gleichgewicht finde – zwischen Frust und Freiheit.

In die gleiche Richtung argumentierte der Arbeitsrechtler Nils Kummert, Partner der dka Rechtsanwälte. „Die zentrale Frage ist: Wie stellt man sich langfristig auf die neue Digital-Kultur ein?“, sagt er. Um das Ob geht es jetzt also nicht mehr, sondern um das Wie. "Es besteht auch die Gefahr, dass der Trend bei den BR-Wahlen 2026 in Richtung Online-Wahlen geht", so der Rechtsanwalt weiter. 

Nils Kummert sprach über positive Beispiele betrieblicher Mitbestimmung in Corona-Zeiten – etwa den 100 Außendienstlern, für die die neuen digitalen Medien genau das richtige Medium waren, um endlich einen Betriebsrat zu gründen. Oder dem Betriebsrat, der jetzt Videos nutzt, um sein – inzwischen sehr beliebtes – Betriebs-TV auf den Weg zu bringen.

Ansonsten berichtete Nils Kummert von den oft komplizierten rechtlichen Grundlagen des Homeoffice-Alltags für Betriebsräte, betriebliche Mitbestimmung sowie den eigentlich garantierten gewerkschaftlichen Zugang zu den Beschäftigten. Er gab den IG Metall-Betriebsräten zahlreiche praxisnahe Empfehlungen und Instrumente an die Hand, damit sie sich in den immer digitaler werdenden Arbeitsrealitäten schlau verhalten.

„Die Arbeitgeber wollen Corona nutzen, um uns als IG Metall aus ihren Betrieben rauszuhalten. In Krisenzeiten greifen sie immer Betriebsräte und unsere hart erstrittenen Mitbestimmungsinstrumente an“, sagte Jan Otto, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. „Daher geht es jetzt darum, wie wir in den Betrieben stärker werden.“

Ganz einfach ist das: Nicht-Mitglieder erfahren hier, wie sie dabei sein können, wenn es darum geht, die Arbeitswelt fairer und gerechter zu machen.  

 

 

 

Von: Jörn Breiholz

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