Francotyp-Postalia

„Ohne Tarifvertrag dürfte der Übergang schwierig werden“

08.12.2020 | Der Machtkampf an der Unternehmensspitze bei Francotyp-Postalia ist zu Ende. Carsten Lind gibt nun den Vorstandsvorsitzenden, wie von Großinvestor Rolf Elgeti gewünscht. Was aber bedeutet das für die Beschäftigten? Und wie geht es weiter? Diese Fragen beantwortet der Betriebsratsvorsitzende Claus-Peter Schuster im Interview. Sein Vorteil: Er ist schon lange dabei und kennt das Unternehmen aus dem Effeff.

Gesicht zeigen & Zukunft sichern: Francptyop-Postalia-Beschäftigte brauchen - klar! - einen Tarifvertrag

Claus-Peter Schuster, Betriebsratsvorsitzender bei Francotyp-Postalia: "Die Fortführung des Tarifvertrags hat für uns absolute Priorität"

Fast ein Jahr hat der Machtkampf gedauert. Er hat viel Geld gekostet, weil der Aufsichtsrat einen neuen Vorstand bestellt hatte, der alte Vorstandsvorsitzende aber nicht zurückgetreten war. Wie geht es jetzt weiter bei Francotyp-Postalia?
Claus-Peter Schuster: Mit dem Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Andreas Günther sind erst einmal die gewohnten Kommunikationswege zum Vorstand abgebrochen. Gleiches gilt für den Aufsichtsrat, der mit Alexander Granderath einen neuen Vorsitzenden hat. Die Kommunikation zu beiden Gremien muss erst einmal wiederhergestellt werden. Auch ist viel Vertrauen verloren gegangen, das muss sich ebenfalls erst wieder bilden.

Am 31.12.2020 läuft der aktuell gültige Tarifvertrag aus. Viel Zeit zum Kennenlernen bleibt da nicht, oder?
Nein. Deshalb haben wir den Kontakt zu Aufsichtsrat und Vorstand gesucht und uns mit beiden Vorsitzenden virtuell getroffen. Dabei haben wir über anstehende Themen im operativen Bereich gesprochen, die Fortsetzung des Tarifvertrags gefordert und die damit verbundene Dringlichkeit klar gemacht.

Ist sich der Vorstand dessen bewusst?
Ich denke, Tarifverhandlungen standen bislang nicht ganz oben auf seiner Liste. Wir haben aber verdeutlicht, dass die Fortführung des Tarifvertrags für uns absolute Priorität hat und ohne Tarifvertrag der Übergang ins neue Jahr schwierig werden dürfte. Beschäftigten und Betriebsrat betrachten den Umgang des Vorstandes mit dem Thema Tarifverträge als einen Indikator für die künftige Zusammenarbeit.

Welche Punkte sind Beschäftigten und Betriebsrat wichtig?
Die Beschäftigten wollen zum einen mehr Entgelt, weil sie im Vergleich zum Flächentarifvertrag gerade in den letzten beiden Jahren schlechter gestellt wurden. Zum anderen ist ihnen die Beschäftigungssicherung wichtig. Dazu hatten wir im alten Tarifvertrag eine Vereinbarung getroffen, die wir fortführen wollen. Drittens fordern die Beschäftigten offenere Ohren seitens des Vorstandes und eine angemessene Beteiligung bei wichtigen Entscheidungen.

Warum?
In den letzten Jahren hat der Vorstand vor allem auf externe Berater gehört. Die sind nicht nur teuer, sondern auch sehr weit weg vom operativen Geschäft. In vielen Fällen wäre das Unternehmen besser gefahren, hätte der Vorstand auf das Know-how seiner Beschäftigten gesetzt. Es ist einfach unklug, wenn man das Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ausreichend berücksichtigt.

Wie ist die Stimmung?
Die Kolleginnen und Kollegen sind angespannt. Sie wollen wissen, wohin die Reise geht bei Francotyp-Postalia. Sie würden sich auch gerne wieder auf die operative Arbeit konzentrieren. Die Vorstandsquerelen haben das behindert. Jetzt wollen sie einen Tarifvertrag, der ihre Beschäftigung absichert, aber auch verhindert, dass der Vorstand ihnen Kosten, die er selbst zu verantworten hat, aufbürdet. Deshalb organisieren sie sich in der IG Metall und entwickeln bereits kreative Aktionen, um ihre Position in den Tarifverhandlungen zu stärken.

Vor zehn Jahren hat der FP-Vorstand die Francotyp-Postalia InovoLabs GmbH mit 50 Beschäftigten ausgegründet. Was geschieht mit Ihnen?
Die Kolleginnen und Kollegen kämpfen unabhängig von uns für einen Tarifvertrag, um die Tarifflucht zu beenden. Wir stehen in engem Austausch und unterstützen sie, damit sie ihr Ziel auch erreichen.

 

Von: Michael Netzhammer

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