30.06.2025 | Wenn die Stimmung im Betrieb schlecht ist, Beschäftigung abgebaut wird, „laden“ Arbeitgeber oftmals zu Personalgesprächen „ein“. Dann geht es meist darum, Beschäftigte mit einer Trennungsabsicht zu konfrontieren. Arbeitgeber verfolgen dabei unterschiedliche Strategien: teils psychologisch geschickt, teils sehr aggressiv. Müssen betroffene Beschäftigte der „Einladung“ Folge leisten? Was darf in diesen Personalgesprächen vom Arbeitgeber angesprochen werden? Wie sollen sich Beschäftigte im Gespräch verhalten? Rechtsanwalt Nils Kummert von dka Rechtsanwälte Fachanwälte beantwortet diese Fragen und mehr.
Ausgangspunkt
In Zeiten einer angespannten wirtschaftlichen Situation häufen sich in den Betrieben Personalgespräche, zu denen nicht selten Beschäftigte sehr kurzfristig „eingeladen“ werden. Die „Einladung“ ist in der Regel eine höflich formulierte Weisung bzw. Anordnung. Das Thema wird oft nicht konkret benannt oder nur ganz allgemein oder sogar in Einzelfällen irreführend umschrieben („Wir möchten über die Qualität ihrer Arbeitsleistung sprechen“ oder „neueste Arbeitsanweisungen Ihnen nahebringen“). Im Laufe des Gesprächs stellt sich dann heraus, dass es um vermeintliche Minderleistungen des Arbeitnehmers geht, um vermeintlich (zu) viele Krankheitsfehltage und am Schluss wird bisweilen ein vorbereiteter Entwurf eines Änderungs- oder eines Aufhebungsvertrages dem Arbeitnehmer vorgelegt.
Zu unterscheiden sind diese aus besonderem Anlass durchgeführten Personalgespräche von denjenigen Gesprächen, die im Rahmen von Mitarbeiterbeurteilungssystemen“ oder regelmäßig durchgeführten „Krankengesprächen“ in fester Form durchgeführt werden. Hierzu existieren in der Regel Betriebsvereinbarungen, die die Inhalte dieser Gespräche und ihre Dokumentation regeln, zumal hier Mitbestimmungsrechte des Br existieren können.
Muss der Arbeitnehmer der „Einladung“ Folge leisten? Was darf in diesen Personalgesprächen vom Arbeitgeber angesprochen werden?
Arbeitgeber können ihre Arbeitnehmer/innen grundsätzlich kraft ihres Direktionsrechts gem. § 106 der Gewerbeordnung unter Einhaltung der Grenzen des § 315 BGB (Recht und Billigkeit, Zumutbarkeit nach Abwägung der beiderseitigen Interessen) anweisen, an einem Personalgespräch teilzunehmen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nur dann, wenn das Personalgespräch Themen zum Gegenstand hat, auf die sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach den genannten Vorschriften bezieht. Dieses erstreckt sich nur auf den Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, nicht jedoch auf die eigentlichen Bestandteile des Austauschverhältnisses (z. B. die Höhe der Vergütung oder die vereinbarte Arbeitsaufgabe als solche) und auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einzelnen weiteren Inhalte des abgeschlossenen Arbeitsvertrages (Urlaubstage etc.).
Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, zu jedwedem Gespräch mit dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, besteht insoweit gerade nicht. Gespräche, die mit diesen Zielen in keinem Zusammenhang stehen, können danach nicht durch einseitige Anordnung verbindlichen Dienstpflichten erhoben werden (BAG 03.06.2009 – 2 AZR 606/08). Das ist vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch gelegentlich Vertreterinnen und Vertretern des Arbeitgebers aus dem Personalbereich nicht bekannt. Das ist besonders von Bedeutung, wenn Beschäftigte zu Gesprächen erscheinen sollen, in denen der Abschluss eines Änderungs- oder gar Aufhebungsvertrages thematisiert werden soll. Eine Pflicht zur Teilnahme an diesen Gesprächen besteht nicht. Das gilt nach der oben angezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.06.2009 erst recht dann, wenn die/der Mitarbeiter/in bereits deutlich gemacht hat, dass sie/er nicht am Abschluss eines Änderungsvertrages oder Aufhebungsvertrages interessiert ist. Besondere Fragestellungen Das praktische Problem besteht darin, dass den Beschäftigten oft das Thema im Vorfeld des Gesprächs nicht (genau) bekannt ist und sie dann von bestimmten Themen möglicherweise dann überrascht werden, bezüglich derer keine Teilnahmepflicht an dem Personalgespräch besteht. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen das Gespräch abgebrochen werden darf bzw. abgebrochen werden sollte, da ein Teilnahmerecht nicht besteht. Auf Basis der bestehenden Rechtslage spricht nichts gegen den Abbruch des Gesprächs, auch wenn die Beschäftigten in der Praxis das in der Regel schon aus Gründen der Höflichkeit nicht tun. In diesen Fällen sollten die betroffenen Beschäftigten aber dezidiert darauf hinweisen, dass sie nur dann bereit sind, das Gespräch fortzusetzen, wenn ein BR-Mitglied des Vertrauens (oder eine andere bestimmte Person) an dem (gerade laufenden) Personalgespräch teilnimmt. Ein Problem besteht auch dann, wenn die Vertreter/innen des Arbeitgebers (ggf. sogar bewusst) die Themen dergestalt im Verlauf des Gesprächs vermischen, dass sowohl Themen angesprochen werden, die Gegenstand eines zur Teilnahme der/des Mitarbeiter/in verpflichtenden Personalgesprächs sind wie auch weitere Themen, die es nicht sind. In diesen Fällen erscheint der Abbruch des Gesprächs durch die/den Mitarbeiter/in risikoreich. Es sollte dann streng darauf geachtet werden, dass keine Erklärungen abgegeben werden und gerade in diesen Fällen ist die Teilnahme von BR-Mitgliedern besonders wichtig, um eine halbwegs gebotene „Waffengleichheit“ sicherzustellen und um vor allem Zeugen für einen bestimmten Verlauf und Inhalt des Gesprächs zu haben. Nach richtiger Auffassung muss der Arbeitgeber die betroffenen Beschäftigten über den geplanten Inhalt des Personalgesprächs richtig, präzise und vollständig im Vorhinein informieren. Geschieht dies nicht und kommt es zum Abschluss eines Vertrages, so soll dieser unwirksam sein wegen des Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns. Auch sollen nach einer vertretenen Auffassung die Beschäftigten auf die Hinzuziehungsmöglichkeit von BR-Mitglieder des Vertrauens vom Arbeitgeber bei „Einladung“ zum Gespräch hingewiesen werden müssen. Jedoch existieren zu diesen hier angesprochenen Fragen bislang (noch) keine höchstrichterlichen Entscheidungen, sodass hier Beschäftigte vorsichtig, bedacht und diszipliniert in die Gespräche gehen sollten und eine Vorab-Besprechung mit dem Betriebsrat immer geboten erscheint. | |
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Hinzuziehung von Betriebsrats-Mitgliedern
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beseht eine Möglichkeit zur Hinzuziehung von BR-Mitgliedern des Vertrauens nur dann, wenn das BetrVG dies gesondert vorsieht.
Das ist der Fall
Von größter Bedeutung in der Praxis ist der § 82 Abs. 2 BetrVG, denn diese Vorschrift betrifft die Durchführung von Personalgesprächen im eigentlichen Sinne.
Die/der Arbeitnehmer/in kann bereits dann die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds ihres/seines Vertrauens fordern, wenn nur ein Teil des Gesprächsinhalts ein Hinzuziehungsrecht begründet. Es spielt nach der Rechtsprechung für die Existenz des Hinzuziehungsrechts keine Rolle, von wem die Initiative für das Personalgespräch ausgeht. Die Initiative kann also auch und gerade vom Arbeitgeber ausgehen und dennoch wird – entgegen des Wortlauts der jeweiligen Vorschrift der §§ 81 ff. BetrVG – das Hinzuziehungsrecht begründet.
Personalgesprächsthema „Abschluss eines Aufhebungsvertrages“
In der Praxis spielen Personalgespräche, in denen der Abschluss eines Änderungs- und/oder Aufhebungsvertrages zum Gegenstand gemacht werden soll, eine besonders große Rolle. In diesen Fällen kann die/der Beschäftigte die Hinzuziehung eines BR-Mitglieds ihres/seines Vertrauens nur dann verlangen, wenn ein in den §§ 81 ff. BetrVG und insbesondere in § 82 Abs. 2 BetrVG genannter Aspekt betroffen ist (Beurteilung der Leistungen, Möglichkeit der beruflichen Entwicklung im Betrieb). In der Regel ist die mögliche berufliche Entwicklung berührt, auch wenn es um betriebliche Umstrukturierungen und einen möglichen betriebsbedingten Wegfall von Arbeitsplätzen geht. Bei personen- oder verhaltensbedingten Gründen für eine gewünschte Änderung des vertraglichen Status liegt es auf der Hand, dass die Leistung und die beruflichen Entwicklungsperspektiven der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters berührt sind.
Aber: Ein Aspekt der §§ 81 ff. BetrVG und insbesondere des § 82 Abs. 2 BetrVG soll aber nach der Rechtsprechung bzw. der herrschenden Meinung in der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur dann nicht berührt sein, wenn es in dem Gespräch zum Beispiel nur noch um die Fragen des „Ob“ und „Wie“ einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen soll und insbesondere Fragen der Leistungsbeurteilung und der beruflichen Entwicklung erschöpfend bereits erörtert worden sind oder der Betrieb gänzlich stillgelegt werden soll, denn dann kann es nicht mehr um die berufliche Entwicklung gehen.
Es gilt also, genau hinzuschauen und zu prüfen, wie sich die Einzelfallumstände gestalten.
Und bedacht werden sollte: Die/der Arbeitnehmer/in kann die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds ihres/seines Vertrauens in diesen genannten Ausnahmefällen zwar nicht erzwingen, aber die/der Arbeitnehmer/in kann ihre/seine Teilnahme an dem Personalgespräch wegen der Beschränkung der Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers ablehnen, ohne Gefahr zu laufen, berechtigt für die Ablehnung angemahnt oder im Wiederholungsfalle gar gekündigt zu werden (siehe oben). Der Arbeitnehmer kann also – taktischer Hinweis – seine Teilnahme von der Hinzuziehung eines BR-Mitglieds seines Vertrauens (oder auch einer anderen Person) in diesen Fällen stets abhängig machen.
Hinweis: Zu beobachten ist, dass Arbeitgeber zunehmend Themen auf mehrere Personalgesprächstermine verteilen, um sauber zwischen den Themen unterscheiden zu können, die eine Hinzuziehung von BR-Mitgliedern zur Folge haben können und denen, bei denen das nicht der Fall ist.
Es gilt in diesen Konstellationen, besonders auf die Vermeidung von vorschnellen Erklärungen und wertenden Äußerungen in den Gesprächen aufzupassen, sich mit dem BR zu besprechen und genau zu prüfen, ob eine Teilnahme der/des Beschäftigten an dem Personalgespräch mit Blick auf das Direktionsrecht und seine Grenzen überhaupt angeordnet werden kann oder ob das nicht der Fall ist.
Ggf. sollte/könnte die Arbeitgeberseite auch aufgefordert werden, die Gesprächsthemen im Vorfeld eines geplanten Personalgesprächs zu konkretisieren. Wenn sich in diesem Stadium bereits der BR einschaltet und den Konkretisierungswunsch unter Hinweis auf das Hinzuziehungsrecht in § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG unterstützt, wirkt das bisweilen nach allen Erfahrungen Wunder.
Am Rande: Erscheint der Arbeitgeber mit einer Rechtsanwältin bzw. mit einem Rechtsanwalt zum Personalgespräch, soll nach in der Instanz-Rechtsprechung verbreiteter Auffassung auch die/der Arbeitnehmer/in berechtigt sein, eine Anwältin bzw. einen Anwalt zum Personalgespräch mitbringen zu dürfen. Eine Vorab-Information zur Teilnahme Dritter an dem Personalgespräch wäre gerade auch in dieser Konstellation von großer Bedeutung, ist aber bislang ebenfalls noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen.
Was gilt, wenn das Betriebsrats-Mitglied des Vertrauens verhindert ist?
Zunächst einmal muss das auserwählte Betriebsrats-Mitglied grundsätzlich dem Wunsch des Beschäftigten entsprechen.
In der Praxis konfliktträchtig ist jedoch die Frage, was passiert, wenn das von der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer auserwählte Betriebsratsmitglied ihres/seines Vertrauens an dem anvisierten Termin verhindert ist und an dem Personalgespräch nicht teilnehmen kann. In Fällen, in denen der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Teilnahme zu gestatten, ist er grundsätzlich auch dazu verpflichtet, das Personalgespräch zu verschieben. Dies gilt vor allem dann, wenn das Personalgespräch nicht dringlich ist.
Der Arbeitgeber muss eine Verschiebung jedoch dann nicht hinnehmen, wenn die Verhinderung treuwidrig herbeigeführt wurde, um das Personalgespräch zu verzögern.
Auch wenn der Zeitraum der Verhinderung unzumutbar lang ist, etwa weil das Betriebsratsmitglied noch mehrere Wochen urlaubsbedingt abwesend ist, kann der Arbeitgeber die/den Arbeitnehmer/in auf andere Amtsträger/innen verweisen. In welchen Fällen der Arbeitgeber einen Ersatztermin anbieten und in welchen auf die Durchführung des Gesprächs bestehen muss, lässt sich abstrakt nicht festlegen. Hier wird man die Interessen beider Beteiligten gegeneinander abwägen müssen und es kommt – wie immer – auf den jeweiligen Einzelfall an.
Rechtsdurchsetzung
Die betroffenen Beschäftigten können - was sie in der Regel nicht tun werden – ihre Rechte im Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht (ggf. auch mit Beantragung einer einstweiligen Verfügung) durchsetzen.
Im Verhältnis zum BR verletzt der Arbeitgeber seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, wenn er einem berechtigten Hinzuziehungsverlangen nicht entspricht. Der BR kann bei Vorliegen klarer und/oder wiederholter Fälle der Rechtsverletzung ein Ordnungsgeld- oder bei Vorliegen unklarer bislang noch nicht geklärter Fallkonstellationen ein Feststellungsverfahren einleiten.
Allerdings berühren viele hier dargestellten wichtigen und bislang nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsfragen nicht die Rechte der BR, sodass nur die Rechte der betroffene Beschäftigte selbst, die diese Fragen entsprechend durch die Arbeitsgerichtsbarkeit klären lassen könnten. Das wird aber voraussichtlich nur selten gelingen, weil Beschäftigte Risiken eingehen, wenn sie sich weigern, an bestimmten Personalgesprächen teilzunehmen und sich am Ende herausstellt, dass sie verpflichtet waren, an diesen Gesprächen teilzunehmen.
BR haben bisweilen die Erfahrung gemacht, dass das Austeilen von „roten Karten“ im Betrieb (im EC-Karten-Format) mit dem Aufdruck des Wortlauts des § 82 Abs. 2 BetrVG und der Erteilung von Hinweisen auf das Hinzuziehungsrecht und die Erläuterung der Funktion der Karte und der Rechtslage auf Betriebsversammlungen („Zeig dem Personaler die rote Karte!“) dazu geführt haben, dass die Verletzungen der Rechte von Beschäftigten auf Hinzuziehung von BR-Mitgliedern ihres Vertrauens sich deutlich im Betrieb verringert haben. Diese Praxis sei zur Nachahmung empfohlen!
Fazit
Einstweilen gilt also: Vorsichtiges und höchst diszipliniertes Agieren im Gespräch, die Kenntnis der als gesichert anzusehenden Rechtslage und eine rechtzeitige Kontaktaufnahme und ausführliche Besprechung mit dem BR sind von größter Bedeutung.
Sollte es zum Abschluss eines Aufhebungs- und/oder Änderungsvertrages unmittelbar im Zusammenhang mit einem durchgeführten Personalgespräch gekommen sein und fühlt sich die/der später den Vertragsschluss bereuende Beschäftigte getäuscht, genötigt oder anderweitig unfair bedrängt bzw. behandelt, dann ist es ratsam, sofort Rechtsrat einzuholen. In derartigen Fällen muss intensiv die Anfechtbarkeit bzw. mögliche Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages geprüft und ggf. gehandelt werden. Die Erfahrung zeigt: Nicht selten kommen in solchen Personalgesprächen infolge großen Drucks und der Überrumpelung der einzelnen Mitarbeiterin/des einzelnen Mitarbeiters solche Verträge zustande und keiner kann hinterher erklären, wie das möglich war. Insbesondere solche Situationen der Überrumpelung gilt es zu vermeiden.