Betriebsratswahlen – Interview mit Julia Bernardo

Schindler: „Virtuelle Rundgänge kommen sehr gut an“

10.03.2021 | Das Geschäft bei Schindler brummt, der Konzern wächst, doch die Aufgaben schneller als das Personal. Auch für den Betriebsrat waren die letzten Jahre herausfordernd, aber das Gremium hat viel Gutes bewirken können, sagt die Betriebsratsvorsitzende Julia Bernardo. Im Interview spricht sie über Herausforderungen, Erreichtes und warum virtuelle Rundgänge der Hit sind.

Julia Bernardo, Betriebsratsvorsitzende bei Schindler (c) privat.

Mit dem Konzern ist auch die Zentrale in Berlin stark gewachsen. Was sind die Herausforderungen?

Wir sind mehr als gut ausgelastet. Insofern kann man von einer Wachstumskrise sprechen. Darauf versucht das Unternehmen Antworten zu finden. Da liegt es nahe, dass der Konzern eine Antwort für alle Unternehmensteile sucht. Doch passen diese Lösungen oftmals nicht für uns in Deutschland.

Was heißt das für Euch als Betriebsrat?

Gerade standortübergreifende Themen fordern uns heraus. Deshalb sind wir dazu übergegangen, diese auf der Konzern- und Gesamtbetriebsratsebene zu regeln. Seit Jahren arbeiten wir bereits vernetzt in Ausschüssen, die mit Betriebsräten aus allen Geschäftsbetrieben besetzt sind. Dies hat uns gestärkt. Wir agieren heute vernetzt und damit gemeinschaftlich. Das spart sehr viel Zeit – effizienter geht das nicht.

Was ist Eure Position bei der Einführung von agilem Arbeiten?

Der Arbeitgeber spricht zurzeit als Lösung von deutschlandweit vernetztem Arbeiten. Es werden alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt. Wir sind als Betriebsräte in allen Phasen involviert, bis tief in einzelne Prozesse. Manchmal werden wir als Bremser bei der Einführung von neuen digitalen Lösungen wahrgenommen. Aber wenn nicht wir als Betriebsräte die wichtigen Fragen zum Schutz der Mitarbeitenden stellen, wer dann? Ich jedenfalls bin bei dem Thema „Vernetzung“ hellhörig geworden und habe eine Schulung zu agilem Arbeiten bei der IG Metall absolviert.

Was ist bei diesem Thema aus Deiner Sicht wichtig?

Es ist sinnvoll, das „Silodenken“ - die eingefahrenen Hierarchien - aufzubrechen. Wie das gehen soll? Da stecken wir mitten im Prozess. Gerade unsere jungen Beschäftigten sind hier positive Treiber. Mein Standpunkt als Betriebsratsvorsitzende ist: Es muss Leitplanken geben, die ein gesundes Arbeiten fördern und den Beschäftigten das Recht zugestehen, dass sie sagen können, wenn die Belastung überhandnimmt – und diese ernst genommen werden.

Die Coronakrise hat auch Euch überrollt. Welche Vereinbarungen habt Ihr im Sinne der Beschäftigten abschließen können?

Wir haben einen Konzernbetriebsvereinbarung getroffen, die erst bis Mai 2020 galt, dann bis zum 31. Mai 2021 verlängert wurde. Wir haben eine Arbeitsplatzsicherung vereinbart, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, sofern bestimmte Frühindikatoren nicht unterschritten werden. Unsere Beschäftigten profitieren hier von den verhandelten flexiblen Arbeitszeiten. Wer über die Hälfte seiner Arbeitszeit im Homeoffice verbrachte, hat für 2020 eine Einmalzahlung von 100 Euro und für Januar bis März 2021 50 Euro erhalten.

Wenn die Beschäftigten nicht mehr im Büro arbeiten, sondern im Homeoffice. Was heißt das für die Betriebsratsarbeit?

Nehmen wir die anstehenden Betriebsratswahlen. Ihre Organisation stellt uns und insbesondere unseren Wahlvorstand vor große Herausforderungen, wie das mobile Arbeiten insgesamt. In einem eingespielten Betriebsrat, in dem sich die Kolleginnen und Kollegen kennen, sind die aktuell virtuell abgehaltenen Sitzungen kein Problem. Wie sich dies mit dem neuen Gremium gestaltet? Wir werden auch das schaffen.

Wie aktiviert ihr die Beschäftigten vom Schirm aus?

Bisher haben wir auf der Betriebsversammlung mehrere Thema ausführlich kommuniziert. Nun müssen wir digital andere Wege gehen. Hier müssen wir uns auf unsere Kernanliegen konzentrieren. Details können digital zur Verfügung werden.

Wir Betriebsräte werden automatisch zu Motivatoren und suchen neue Wege, die Beschäftigten aktuell zu beteiligen. Wir nutzen bei den virtuellen Versammlungen zum Beispiel die Chatfunktion, laden Gäste und Kollegen*innen ein, die erzählen, wie sie Themen erleben. Hier hat sich bewährt, dass einer als Moderator einen Blick auf die Chats und Fragen hat und nicht nur einer erzählt. Auch eine klare Agenda und Pausen sind wichtig!

Wie könnt ihr Beschäftigte über die Betriebsversammlung hinaus ansprechen?

Wir haben mit virtuellen Besuchen in den Abteilungen angefangen. Wir versuchen die Gruppen klein zu halten und für 20 bis 30 Minuten einzuladen. Hierdurch versuchen wir den Kontakt zu halten, Themen zu identifizieren und ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen. Das ist etwas zeitaufwändig, aber es lohnt sich. Das Echo war sehr positiv, so dass wir dies fortsetzen wollen.

Welche Ziele setzt Du Dir mit Deinem Team für die nächsten vier Jahre?

Nach der Wahl wird es erst einmal darum gehen, das neue Gremium arbeitsfähig zu machen. Das ist bereits eine Herausforderung, da aktuell keine Präsenzschulungen möglich sind. Wir werden die anstehenden Veränderungen im Unternehmen bestmöglich mitgestalten und begleiten.

Du hast Dich wieder aufgestellt für die Wahl. Was reizt Dich an der BR-Arbeit und was macht Dich darin glücklich?

Mich reizt die Vielfältigkeit der Themen und der tiefere Einblick in die Firma, die Möglichkeit, als Gremium die Entwicklungen zu begleiten, die richtigen Fragen zu stellen und sie damit positiv zu beeinflussen. Ich finde es spannend, mich mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen, Dinge immer wieder zu hinterfragen, die Demokratie in der Arbeitswelt aktiv zu leben und junge Menschen dafür zu begeistern. Besonders liegt es mir am Herzen, den Umwelt- und Naturschutzgedanken in den Vordergrund zu rücken. Der sichtbare Erfolg unserer Arbeit macht mich glücklich. Momente, wo der „Knoten“ platzt und eine „Win-Win“ Situation entsteht.

Von: Michael Netzhammer

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