Rechtstipp

Verhandeln in einer Fremdsprache – was tun?

01.04.2021 | Immer häufiger müssen Betriebsräte auch in einer Fremdsprache, meistens Englisch, verhandeln oder fremdsprachige Dokumente bereitstellen. Was das bedeutet und wie die Gremien hier agieren sollten, erläutert Lukas Middel von dka Rechtsanwälte Fachanwälte. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der „richtigen“ Sprache der Betriebsverfassung.

Wenn Betriebsrätinnen und Betriebsräte plötzlich in englischer Sprache verhandeln sollen oder Dokumente in einer Fremdsprache bereitstellen müssen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der „richtigen“ Sprache der Betriebsverfassung.

Unterschiedliche Sprachbegriffe
Zunächst gilt es aber unterschiedliche Sprachbegriffe im Beschäftigungskontext voneinander abzugrenzen. So werden typischerweise Vertragssprache, Leistungssprache einerseits und innerbetriebliche Kommunikationssprache und Gremiensprache unterschieden (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). So kann es sein, dass einzelne Arbeitsverträge in einer Fremdsprache verfasst sind oder sich einzelne ArbeitnehmerInnen im Arbeitsvertrag verpflichtet haben, (auch) in einer Fremdsprache zu arbeiten (etwa „verhandlungssicher in Wort und Schrift“). Diese individualrechtlichen Fragestellungen können sich von der innerbetrieblichen Kommunikations- und der Sprache in den Gremienunterschieden. Als Gremiensprache wird typischerweise die Sprache verstanden, in der mit den betrieblichen Interessenvertretungen zu kommunizieren ist.

Betriebliche Gremiensprache
Eine gesetzliche Vorgabe fehlt. § 184 GVG und § 23 VwVfG sehen Deutsch als Gerichts- bzw. Amtssprache vor; eine entsprechende Vorgabe für die Betriebsverfassung ist indes nicht ersichtlich. Indes geht das juristische Schriftum davon aus, dass grundsätzlich Deutsch die Sprache der Betriebsverfassung ist. Dies wird insbesondere mit der Existenz von § 2 Abs. V der Wahlordnung (WO BetrVG 2001) begründet, nach der der Wahlvorstand für die ordnungsgemäße sprachliche Unterrichtung der ausländischen Arbeitnehmer verantwortlich ist.

Das hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LArbG Nürnberg, Beschluss v. 18.06.2020 – 1 TaBV 33/19) jüngst inzidenter bestätigt: Wesentliche Behinderungen der Betriebsratsarbeit oder Einschränkungen der Entfaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats lägen nach dieser Entscheidung nicht vor, wenn gewährleistet sei, dass sämtliche Erklärungen der Unternehmensvertreter*innen in verständlicher Form gegenüber den Betriebsratsmitgliedern abgegeben und die Erklärungen von Betriebsratsmitgliedern gegenüber den Unternehmensvertreter*innen auch entgegengenommen und wahrgenommen werden können. Hierzu gehört, dass Erklärungen in Schrift- oder Textform zumindest dann in deutscher Sprache den Betriebsratsmitgliedern oder - über den Betriebsratsvorsitzenden - dem Betriebsratsgremium zur Kenntnis gegeben werden müssen, wenn diese Betriebsratsmitglieder die Fremdsprache nicht ausreichend beherrschen.

Es dürfte dann genügen, dass ein Betriebsratsmitglied (ggf. auch ein Ersatzmitglied) auf fehlende Sprachkenntnisse hinweist. Der Betriebsrat kann allerdings nicht verlangen, dass die Unternehmensvertreter*innen in Gesprächen mit ihm - dem Betriebsrat - in deutscher Sprache sprechen und diese verstehen, wenn gewährleistet ist, dass jeweils entsprechende Übersetzungen erfolgen, so das Landesarbeitsgericht Nürnberg weiter.

Übersetzungsrisiko trägt Unternehmen

Wenn gewährleistet ist, dass Erklärungen der Unternehmensvertreter*innen gegenüber dem Betriebsrat oder Betriebsratsmitgliedern übersetzt werden, soweit dies gewünscht ist, ist gleichzeitig gewährleistet, dass die Betriebsratsmitglieder verstehen und nachvollziehen können, was die Unternehmensvertreter*innen meinen und ihnen zu verstehen geben wollen. Falls diejenige Kraft, die die Übersetzung vornimmt, nicht korrekt übersetzt, geht dies zu Lasten des Unternehmens. Mündliche Erklärungen sind rechtlich in derjenigen Weise maßgeblich, wie sie aus dem Empfängerhorizont heraus zu verstehen sind, also wie sie übersetzt an die Betriebsratsmitglieder weitergegeben werden. Nur auf diesen Inhalt kann sich auch der Arbeitgeber berufen.

Rechtsanwalt Lukas Middel ist Partner der Kanzlei dka Rechtsanwälte | Fachanwälte. Er vertritt Beschäftigte und Betriebsräte in allen arbeitsgerichtlichen Angelegenheiten.

 

 

Von: Lukas Middel

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