Rechtstipp

Versetzungen - und was Beschäftigte dagegen tun können

31.05.2016 | Versetzungen können das Leben von Beschäftigten tiefgreifend verändern. Sie sind Alltag in den Betrieben. Wann aber ist eine Versetzung statthaft und wann nicht? Welche Möglichkeiten haben Kollegen, diese anzufechten, welche der Betriebsrat? Rechtsanwalt Lukas Middel, Partner der Kanzlei dka Rechtsanwälte/ Fachanwälte, kennt die Antworten.

Der Versetzungsbegriff ist ein dynamischer. Er wird maßgeblich durch betriebliche Faktoren beeinflusst. Versetzung ist gemeinhin die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist (§ 95 Abs. 3 BetrVG).

Wechsel des Arbeitsbereichs als Ausgangspunkt

Maßgeblich für eine Versetzung ist also der Wechsel des Arbeitsbereichs. Der Arbeitsbereich seinerseits wird gekennzeichnet durch die Aufgabe und Verantwortung des Beschäftigten sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Die Einordnung in den Arbeitsablauf wird durch die Stellung und den Platz des Beschäftigten innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer bestimmten betrieblichen Einheit gekennzeichnet.

Die drei Komponenten des Arbeitsbereichs

Bei genauer Betrachtung und entsprechender Gewichtung wechselt der Arbeitsbereich demnach, wenn sich wahlweise (1) die Aufgabe/Verantwortung oder (2) die Tätigkeit oder (3) die Zuordnung zu einer betrieblichen Einheit ändert. Tätigkeit bezeichnet dabei die Art und Weise, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist. Ändert sich nur eine dieser drei Komponenten, ändert sich mithin der Arbeitsbereich und es liegt einer Versetzung vor.

Was zeichnet eine betriebliche Einheit aus?

Ein Wechsel der betrieblichen Einheit – und damit ein Wechsel des Arbeitsbereichs - liegt weit häufiger vor als in der Praxis angenommen. Die betriebliche Einheit kann durch die Arbeitskolleginnen und -kollegen geprägt sein, wenn es wegen der erforderlichen intensiven Zusammenarbeit auf deren Person maßgeblich ankommt. Die betriebliche Einheit kann aber auch durch die unmittelbaren Vorgesetzten bestimmt sein, wenn diese über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung besitzen und eigenverantwortlich wahrnehmen.

Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht als eigenständige betriebliche Einheiten zum Beispiel die einzelnen Stationen eines Altenpflegeheims angesehen, in denen die Dienstpläne von den Stationsleitungen aufgestellt wurden und nur noch der Genehmigung durch die Heimleitung bedurften; nach einem Stationswechsel war mit anderen Vorgesetzten und den übrigen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten und es waren andere Bewohnerinnen und Bewohner zu betreuen, deren Pflegebedarf sich sehr individuell bestimmte und das Tätigkeitsbild der Pflegekraft prägte.

Lassen Arbeitsverträge Versetzungen zu?

In der Regel schon. Viele Arbeitsverträge legen zwar zunächst konkrete Arbeitsaufgaben an einem bestimmten Ort fest; häufig wird dies aber durch sogenannte Versetzungsvorbehalte aufgeweicht. Versetzungsvorbehalte beziehen sich in der Regel auf den Arbeitsort und/oder die Aufgabe/Tätigkeit. Unternehmen behalten sich demnach vor, Beschäftigte in einem anderen Betrieb im Unternehmen zu beschäftigen und/oder mit anderen in der Regel gleichwertigen Aufgaben zu betrauen. Ein Beispiel für eine wirksame Versetzungsklausel: „Das Unternehmen behält sich vor, dem Beschäftigten innerhalb des Unternehmens eine andere, seiner Ausbildung und beruflichen Entwicklung oder vorherigen Tätigkeit entsprechende Tätigkeit zu übertragen.“

Weisungsrecht erlaubt keine Versetzung in eine geringwertigere Tätigkeit!

Das Weisungsrecht umfasst aber nicht die Befugnis zur Versetzung des Beschäftigten auf einen Arbeitsplatz mit einer geringwertigeren Tätigkeit, auch dann nicht, wenn die bisher gezahlte Vergütung etwa in Form eines Besitzstandes fortgezahlt wird.

Der Beschäftigte kann die Rechtmäßigkeit einer Versetzung entweder durch Erhebung einer Feststellungsklage klären lassen oder er kann auf vertragsgemäße Beschäftigung klagen. Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann. Erweist sich eine Versetzung als unwirksam, so hat der Beschäftigte also einen Anspruch auf Beschäftigung mit seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort.

Ist der Betriebsrat bei Versetzungen zu beteiligen?

Ja. Jede Versetzung bedarf der Zustimmung des Betriebsrats und zwar auch, wenn diese arbeitsvertraglich wegen eines Versetzungsvorbehaltes wirksam ist. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, muss er dies begründen und sich dabei auf einen der Zustimmungsverweigerungsgründe in § 99 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BetrVG beziehen. Das Unternehmen muss dann im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens die Zustimmung vom Arbeitsgericht ersetzen lassen, wobei dieses prüft, ob der Betriebsrat zu Recht seine Zustimmung verweigert hat. Es empfiehlt sich daher frühzeitig den Betriebsrat einzubinden, damit dieser prüfen kann, ob eine zustimmungsbedürftige Versetzung vorliegt.

Von: lm

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