Starker Auftritt der Beschäftigten

„Wir sind Francotyp-Postalia - Eine erfolgreiche Zukunft geht nur mit uns“

04.03.2021 | In einem ersten Schritt sollen Beschäftigte gehen, lässt der Vorstandsvorsitzende Carsten Lind die Beschäftigten wissen. Die nutzen die Kundgebung für Industriearbeitsplätze der IG Metall Berlin am 1. März für einen Gruß zurück: Wir löffeln nicht die Fehler des Managements aus. Es wird nicht die letzte Botschaft sein.

Was die Manager mit ihrer Hybris nicht verstehen: Die Erfahrung der Beschäftigten ist das Pfund des Unternehmens.

Betriebsrätin Michaela Hacker-Leuschner hält eine weitere Botschaft für die Vorstandsetage bereit.

(c) Alle Fotos Christian von Polentz / transitfoto.de

Francotyp-Postalia kommt nicht zur Ruhe. Nachdem sich Vorstände und Investor Rolf Elgeti 2020 einen monatelangen Führungsstreit um die richtige Strategie geleistet haben und dieser im letzten November zugunsten des Investors zu Ende ging, wendet sich der neue Vorstandsvorsitzende Carsten Lind den Beschäftigten zu. Seine Botschaft: In einem ersten Schritt soll das eigene Personal im Bereich Entwicklung und IT auf ein absolutes Minimum reduziert werden, betriebsbedingte Kündigungen sind aus Sicht des Vertrautes von Rolf Elgeti zur Verbesserung des Ergebnisses notwendig. Einen positiven Ausblick hält er für die Beschäftigten nicht bereit.

Hände weg von unseren Arbeitsplätzen

Damit stellt der Vorstandsvorsitzende die Zukunft des traditionsreichen Unternehmens in Berlin grundsätzlich in Frage. „Die Suppe, die uns das Management mit ihren Fehlern in den letzten Jahren eingebrockt hat, sollen nun die Beschäftigten auslöffeln“, kritisiert Andreas Lüneburg, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei FP.

Doch kampflos lassen die Beschäftigten ihr Unternehmen von Management und Investor nicht in die Grütze reiten. Am 1. März 2021 nutzten Beschäftigte von Francotyp-Postalia die IG Metall-Kundgebung für den Erhalt der Industriearbeitsplätze am Roten Rathaus, um ein starkes und medial weithin beachtetes Zeichen Richtung Geschäftsführung zu senden. „Wir sind Francotyp-Postalia – Hände weg von unseren Arbeitsplätzen“ stand auf einem Plakat, auf einem anderen „Nur mit uns ist FP stark“. Betriebsrätin Michaela Hacker-Leuschner hält eine weitere Botschaft für die Vorstandsetage bereit: „Eine erfolgreiche Zukunft, wie in den letzten 98 Jahren geht weiterhin nur mit uns. Wir werden für unsere Arbeitsplätze kämpfen“, sagte sie.

Know-how liegt bei den Beschäftigten

Claus-Peter Schuster, Vorsitzender des Gemeinschaftsbetriebsrats sagt den Managern, was sie in ihrer Hybris gerne aus den Augen verlieren: „Herz und Know-how der Firmen liegen in den Belegschaften und nicht bei den Managern mit kurzlaufenden Verträgen und dem Streben nach kurzfristiger Profitmaximierung.“ Deshalb ist er der Überzeugung, dass eine betriebliche Zukunft und damit der Erhalt der Arbeitsplätze, nur durch mehr und wirkungsvolle wirtschaftliche Mitbestimmung gesichert werden kann.

Auch die rund 50 Beschäftigte der FP InovoLabs GmbH blicken mit Sorgen in die Zukunft. „Der Vorstand beschreibt das Ziel für die Entwicklung mit ‚Keep the lights on‘“, berichtet die Betriebsrätin Christina Wagner. „Reduzierung der Mitarbeiter auf ein Minimum, Aufspaltung, Outsourcing und Nearshoring sind Teil der tiefgreifenden Maßnahmen des Vorstandes. Das ist der falsche Weg für eine langfristige Perspektive! Für uns ist Entwicklung kein Verlustgeschäft, sondern eine Investition in die Zukunft.“

In den vergangenen fast 100 Jahren hat Francotyp-Postalia viele Krisen durchlaufen und gemeistert. Oft haben die Kreativität und die Innovation der Mitarbeiter dafür gesorgt, dass es weiter geht und die nächste Stufe der Evolution erreicht werden konnte. Damit dies auch in der aktuellen Situation so kommen wird, sollte das Management die Erfahrung und das Wissen der Beschäftigten besser nutzen.

„Personalabbau ist nicht die Antwort auf strukturelle Krisen und Managementfehler. Leider werden andere Instrumente wie Kurzarbeit und Qualifizierung der Beschäftigten aktuell nicht genutzt“, sagt Thomas Weber von der IG Metall Berlin. „Spätestens jetzt sollte auch dem Letzten klar geworden sein, dass der Vorstand mit der Zukunft von Francotyp-Postalia spielt. Wir können diese Auseinandersetzung gewinnen, wenn sich alle Beschäftigten in der IG Metall organisieren.“

So sieht es auch Steffen Schlichting, Vertrauensperson der Schwerbehinderten: „Die Kundgebung am 1. März war eine gelungene Aktion mit klarer Aussage.“ Er fordert seine Kolleginnen und Kollegen auf, aktiv zu werden: „Nur gemeinsam können wir etwas bewirken. Macht mit!“

Das Bild der Beschäftigten von Francotyp-Postalia vor dem Berliner Fernsehturm fand reichlich Verbreitung, u.a. in der Berliner Zeitung, der Welt und beim RBB – das stärkt den Beschäftigten in diesen schwierigen Zeiten den Rücken.

 

Von: Michael Netzhammer

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