Spontane Aktion – gute Performance

Daimler: „Es wird Feuer vom Himmel regnen“

12.11.2020 | Der Aufruf kam spontan und doch verließen alle 1.200 Beschäftigten bei Daimler ihre Werkbänke und Büros. Es geht um ihren Standort und ihre Existenz und sie wollen die Transformation in die Zukunft. Der Vorstand aber will sich wie der ehemalige Werkleiter vom Acker machen. Um den Verbrenner geht es längst nicht mehr, es geht um die Frage, ob Manager die Transformation mit den Beschäftigten gestalten wollen, statt sie vor die Tür zu setzen.

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Daimler hat genügend Profite eingefahren in Marienfelde. Jetzt muss Daimler zurückzahlen - mit Investitionen. Einen Standort Light wird es mit den Beschäftigten nicht geben.

(c) alle Fotos Christian von Polentz / transitfoto.de

Jan Otto spricht vor den Beschäftigten.

Der Betriebsratsvorsitzende Michael Rahmel schickte dem flüchtigen Werksleiter René Reif einen Gruß hinterher.

Das Interesse der Medien an der Aktion war groß.

Der Vorstand bewegt sich keinen Millimeter. Dann bewegen sich eben die Beschäftigten. Am heutigen Donnerstag sind über 1.200 Kolleginnen und Kollegen – alle die im Betrieb waren – dem Aufruf der IG Metall gefolgt, haben ihre Werkbänke und Büros verlassen, um damit gegen die Schließungspläne des Werkes zu protestieren und einen herzlichen Gruß nach Untertürkheim in die Vorstandsetage zu senden.

„Dieser Daimler-Vorstand wird nur reagieren, wenn die Lieferketten nicht mehr funktionieren und genau da wollen wir hin. Für uns geht es um unsere Existenz und um unsere Familien, deshalb werden wir nicht klein beigeben“, sagte Bojan Westphal, Daimler-Betriebsrat und Metaller seit Urzeiten. Wie er denken viele auf dieser Kundgebung, die vor dem Werk stattfindet, mit Abstand und dennoch laut und guter Stimmung. Klar ist immer mehr Daimler-Kolleginnen und -Kollegen, dass sie das Werk und damit ihren Arbeitsplatz nur retten können, wenn sie garstig werden.

„Viele hier haben Angst, gleichzeitig aber stehen wir zusammen, deshalb bin ich sehr zufrieden mit der Aktion, zu der die IG Metall Berlin und Jan Otto aufgerufen hat", sagte Fevzi Sikar, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Daimler. Der Erste Bevollmächtigte ordnete erst einmal den Wechsel von Daimlers ehemaligen Werkleiter zu Tesla ein. „Dieser Wechsel interessiert und nicht, es zeigt nur, wie schnell manche Manager die Seiten wechseln“, sagte Jan Otto. IG Metall und Beschäftigte werfen aber die Flinte nicht einfach ins Korn. Denn es geht um Existenzen und Lebenspläne. „Wir wissen, dass wir von der Brennertechnologie Abschied nehmen müssen. Dazu sind wir bereit. Hier geht es um die Zukunft. Und alle Beschäftigten hier – von der Fertigung bis zur Entwicklung – wollen dieses Werk transformieren und dadurch erhalten. Das Know-how ist vorhanden. Der Mut ebenfalls, nur den Managern fehlt er bisher“, sagte Jan Otto.

Der Betriebsratsvorsitzende Michael Rahmel machte klar: „Wir werden um jeden Arbeitsplatz hier kämpfen“ und in Richtung des geflüchteten Werkleiters sagte er: „Bei ihm verhält es sich wie bei einem pubertierenden Jugendlichen, der Angst hat seinem Gegenüber die Wahrheit ins Gesicht zu sagen und deshalb lieber eine SMS schreibt.“

Hier will niemand das Alte bewahren, sondern das Neue entwickeln

Die Auseinandersetzung um den Daimler-Standort in Marienfelde gewinnt an Schärfe. Auch weil es dabei um die Frage geht, ob Managerinnen und Manager in deutschen Unternehmen bereit sind, klimaschädliche Produkte in innovative Produkte und Lösungen zu transformieren. Und dabei auf das Know-how ihrer Beschäftigten vertrauen, statt sie vor die Tür zu setzen. „Wir verlangen vom Daimler-Management ein Zukunftskonzept, das nicht einer Kapitulation gleicht, sondern auf dem Wissen und den Fertigkeiten der 2.500 Daimler-Beschäftigten in Marienfelde basiert“, sagte Jan Otto.

Industriecluster als Chance

In der Hauptstadt und in weiten Teilen Ostdeutschlands ist ein Industriecluster entstanden, das in klimafreundliche Mobilität, erneuerbare Energien, Zukunftsfelder investiert. Dazu gehören Siemens-Standorte und der geplante Siemens-Campus, die Bahnbranche, zahlreiche andere Unternehmen, Start-ups und Hochschulen. Daimler könnte Teil dieses Clusters werden.

„Durch die E-Mobilität allein entstehen neue Herausforderungen und Chancen, die Daimler am Standort in Marienfelde ergreifen kann“, sagte Jan Otto. Das Know-how ist dort vorhanden, um Lösungen in der Mobilität oder in anderen Feldern zu entwickeln. Das Thema Batterien, Zweitverwertung und Recycling ist dabei nur ein mögliches Feld.

Am 9.12. wird es Feuer vom Himmel regnen

IG Metall und Beschäftigte werden die Kapitulation des Daimler-Managements nicht akzeptieren und die Proteste forcieren. Besser aber wäre es, eine gemeinsame Transformationsstrategie zu entwickeln. Das Konzept könnte vom Management kommen.

Allerdings sind die Beschäftigten nicht blauäugig. Vorstände bewegen sich nur, wenn sie dazu überredet werden. Betriebsrätin Antje Stagun weiß genau, auf was es jetzt ankommt: „Die Aktion heute ist super gelaufen. Daran knüpfen wir jetzt an. Wir werden zusammenstehen und laut bleiben.“ Und es wird weitere Aktionen geben, zum Beispiel am 9. Dezember. Dann, so Jan Otto, „wird es Feuer vom Himmel regnen“.

 

Von: Michael Netzhammer

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