Siemens Aktionstag am 9. Juni 2015

Siemens - Stand der Dinge? Interview mit Olaf Bolduan

03.06.2015 | Nächste Woche ist es soweit. In Berlin finden am bundesweiten Siemens-Aktionstag einige Aktionen statt. Nach Bekanntwerden von Stellenabbauplänen des Siemens-Vorstands formiert sich auch in Berlin der Widerstand. Was ist geplant in Berlin? Ein Interview mit Olaf Bolduan, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, Betriebsratsvorsitzender im Dynamowerk und Sprecher der Berliner Betriebsratsvorsitzenden.

Olaf, wie ist die Stimmung vor dem Aktionstag?

Viele Kollegen aus dem Dynamowerk äußern sich besorgt über die weitere Zukunft. Es hat sich bereits herumgeschwiegen, dass auch das Dynamowerk im Rahmen einer Kapazitätsanpassung zu den betroffenen Standorten gehören soll. Das ist eine weitere Welle Personalabbau bei uns.

Unsere Kollegen äußern sich darüber hinaus aber auch besorgt über den geplanten Personalabbau bei unseren Kollegen im Gasturbinenwerk. Das Ausmaß dort verschlägt vielen die Sprache, man kennt sich ja untereinander. Da wird deutlich: Es geht diesmal um Fertigungsstandorte in Deutschland, in Berlin und die Betroffenheit ist groß.

Hier muss von unserer Seite gehandelt werden – so die Meinung unserer Kollegen.

Was genau plant ihr für Dienstag?

Im Rahmen des Aktionstages wird uns Birgit Steinborn in Berlin besuchen und auf unserer Protestdemonstration um 10 Uhr vor dem Verwaltungsgebäude in der Nonnendammallee sprechen.
Hier werden auch wir Betriebsräte aus den betroffenen Standorten unsere Positionen darlegen.

Vorher soll es ein Pressegespräch zur aktuellen Situation der Berliner Standorte geben. Am Mittag planen unsere Kollegen aus der Huttenstrasse einen demonstrativen Gang zu ihrer  geplanten Betriebsversammlung. Birgit Steinborn und ich werden dort unterstützen.

Was bedeutet ein Stellenabbau in so hohem Umfang für den Industriestandort Berlin?

Siemens ist der größte industrielle Arbeitgeber in Berlin und auch ein Trendsetter in der Hauptstadt. Siemens spielt – zu Recht – auch in den örtlichen Verbänden und in der industriellen Entwicklung  eine wichtige Rolle. Ein geplanter Arbeitsplatzabbau, geplante Verlagerungen gehen an die Substanz auch der Berliner Fertigungsstandorte. Das ist ein herber Rückschlag für Berlin und die Bemühungen Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung generell zu finden. Der regierende Bürgermeister hat sich zu Recht bei seinem Besuch im Gasturbinenwerk besorgt geäußert.

Weitere Langzeitfolgen sind ja zu befürchten: Auswirkung auf Ausbildung, was wird aus den Beziehungen zu Hochschulen, welche Auswirkungen auf regionale Zulieferer und die Gewerbetreibenden hier vor Ort ergeben sich konkret?

Was kann mit einem Aktionstag und Protesten aus den Reihen der Beschäftigten erreicht werden?

Für uns an den Standorten ist es wichtig, dass wir unsere Sorgen offen kundtun. Wir sind nicht damit einverstanden, dass – selbst wenn es Strukturanpassungen gibt – dieses immer gleich und zuerst mit Personalabbau verbunden wird. Wir wollen deutlich machen, dass wir Perspektiven für Arbeitsplätze in Deutschland, in Berlin und insbesondere auch für Fertigungen hier erreichen wollen.

Unsere Beschäftigten kommen sich vor wie in einer Tretmühle: Ein Abbauprogramm jagt das nächste. Wir verstehen unter „Ruhe im Unternehmen“ aus unserer Perspektive etwas anderes. Wir sehen einen aktuellen Schub zu Verlagerungen und wir wollen erreichen, dass Siemens dementgegen alle Anstrengungen zum Erhalt von Arbeitsplätzen eben auch in Deutschland unternimmt.

Olaf, vor einigen Jahren stand das Dynamowerk vor dem Aus. Wie habt ihr damals das Werk gerettet?

Wir haben damals, das ist jetzt rund 15 Jahre her, die firmenseitigen Planungen zusammen mit betrieblichen Experten und Beratern kritisch unter die Lupe genommen. Es wurde schnell erkennbar, dass es auch Alternativen gibt, die nicht auf die Zerschlagung des Dynamowerks hinauslaufen würden.

Wir haben diese Alternativen untersucht, propagiert, mit der Belegschaft und mit dem Management diskutiert. Wir haben auch damals vor dem Werkstor offen für unsere Sache gestanden und unseren Protest demonstriert. Gute Argumente und der Wille zum Widerstand haben dann gemeinsam die Wende zum Standorterhalt herbeigeführt.

Lassen sich Rezepte auf andere Siemens-Werke übertragen? Was rätst Du?

Was damals galt ist immer noch aktuell: Wir müssen uns mit den Planungen kritisch auseinandersetzen und Alternativen diskutieren. Das nennen wir heute „Siemens 2020“, damals nannten wir das „Masterplan Plus“. Der Weg ist der gleiche. Es ist auch nach wie vor unerlässlich, die Kolleginnen und Kollegen stets gut zu informieren und diesen Weg zusammen mit der ganzen Belegschaft zu gehen.

Ich rate deshalb dazu, die derzeitigen Firmen-Planungen  sorgfältig und kritisch zu prüfen, Alternativen auszuloten und die Forderungen nach Arbeitsplatzsicherung ganz deutlich zu machen. Das ist erfolgversprechend.

Wir haben das vor 15 Jahren so gemacht, derzeit arbeiten wir wieder an Vorschlägen im Rahmen Siemens 2020 und: Unsere Leipziger Kollegen haben es doch auch in jüngster Vergangenheit bewiesen: Man kann nur dann Erfolg für Beschäftigung haben, wenn man sich sinnvoll und gemeinsam entschlossen wehrt.

Wie ist die Stimmung bundesweit?

Bei allen Beschäftigten stehen die Zeichen auf Sturm, die Betroffenheit ist groß. Wir erleben jetzt eine weitere Welle Personalabbau, die Beschäftigten haben davon genug!

Es ist vielen unverständlich, warum man nicht langfristig handelt und selbst notwendige Änderungen mit dem notwendigen Zeitvorlauf so rechtzeitig angeht, dass letztlich Arbeitsplätze erhalten werden. Auf den Punkt gebracht:  wir wollen langfristige echte Perspektiven auch in Deutschland und damit auch für die Berliner Standorte. Personalabbau im Jahrestakt – das lehnen wir ab.

Mitmachen am Dienstag, 9. Juni! Wir machen sichtbar, dass Stellenabbau nicht einfach so hingenommen wird. Sei dabei!

Von: aw

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