Menschen statt Marge

Siemens: Wenn der Margenkönig in die Zukunft blickt

09.11.2017 | Mehr Umsatz, mehr Gewinn. In der Bilanzpressekonferenz aber sprach der Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser über strukturelle Aufgaben, die zu bewältigen seien. Entklausulisiert heißt das, er will tausende Jobs abbauen. Warum spricht Joe Kaeser nur über die Beschäftigten und nicht mit ihnen. Die haben sinnvolle Alternativen. Der Vorstandsvorsitzende müsste nur zuhören.

"Maximale Margen auf Kosten von Arbeitsplätzen: Was wird aus den Menschen?", stand auf einem riesigen Transparent, das Münchner Siemens-Beschäftigte auf dem Wittelsbacherplatz hochhielten. Es zeigte 600 Porträts von Siemensianern und Siemensianerinnen aus Betrieben in ganz Deutschland. Das verfehlte nicht seine Wirkung: Viele der zur Bilanzpressekonferenz eilenden Medienschaffenden hielten an und informierten sich über die Kritik der Arbeitnehmerseite.

Die Fotos, mittlerweile sind es weit über 1.000, gehen seit einer Woche beim Siemens-Team ein. Der Aufruf dazu war aus der Idee entstanden, der Unternehmensspitze und der Öffentlichkeit vor Augen zu führen, die allzu oft in den Hintergrund gerät: Zahlen kann man in Tabellen und auf PowerPoint-Folien verändern, verschieben, herunterrechnen und streichen – aber am Ende geht es immer um Menschen, die mitsamt ihrer Familie und ihrer Existenz für die Folgen den Kopf hinhalten müssen.

„Es kann nicht angehen, dass Siemens die Meldungen über einen anstehenden Abbau von vielen tausend Arbeitsplätzen an die Presse durchsticht, aber nicht mit den Beschäftigten redet“, kritisiert Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin die Margendiktatur und die damit verbundene menschliche Kälte. „Es gibt Alternativen zum Arbeitsplatzabbau und Geld für Investitionen in die Zukunft, hat der Konzern obendrein.“

Wie erwartet hat Siemens seinen Nettogewinn mit knapp 6,2 Milliarden im Vergleich zum historisch guten Ergebnis im Vorjahr nochmals steigern können. Auch die operative Marge liegt mit über 11 Prozent insgesamt im grünen Bereich. Die Dividende soll jedenfalls steigen. Dazu trug auch die kriselnde Kraftwerkssparte Power & Gas bei, mit einer Rendite von immerhin rund zehn Prozent!

Joe Kaeser ist das nicht genug. „Dennoch haben wir in einzelnen Geschäften strukturelle Aufgaben zu bewältigen“, sagte er. Das mag so sein. Aber warum spricht der Chef nicht mit den Beschäftigten. Die wollen wissen, was der Vorstandsvorsitzende meint, wenn er von strukturellen Veränderungen spricht. Und sie fänden es denn auch mal an der Zeit, dass der Chef ihnen mal zuhört.

Denn aus Sicht der Betriebsräte und der IG Metall muss eine strukturelle Anpassung nicht gleichbedeutend sein, mit dem Abbau von Arbeitsplätzen. IG Metall und Betriebsräte haben durchaus Alternativen. Sie fordern von Siemens, mit der Arbeitnehmerseite konstruktiv an einem Konzept zu arbeiten. Das übergeordnete Ziel muss sein, die betroffenen Standorte gemeinsam für die Zukunft in einem veränderten Markt aufzustellen – damit die Menschen nicht hinter einer optimierten Marge in den Hintergrund geraten.


Von: igm

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