Betriebsratswahlen - Aktuelle Entscheidungen

Rechtliche Hinweise zu den Betriebsratswahlen vom Experten

17.12.2013 | In der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2014 stehen turnusgemäß Betriebsratswahlen an. In juristischer Hinsicht sind die Betriebsratswahlen nicht unkompliziert. Nils Kummert, Fachanwalt für Arbeitsrecht, erläutert drei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes, die unbedingt beachtet werden sollten.

Bei der Durchführung der Betriebsratswahlen müssen - wie unter einem Brennglas - viele arbeitsrechtliche Fragen und auch Konflikte beantwortet und beachtet werden. Der Wahlvorstand muss – noch dazu unter Zeitdruck – wichtige Entscheidungen treffen und rechtliche Einschätzungen vornehmen.

Die Sache wird nicht einfacher, weil die Wahlvorstände drei aktuelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts unbedingt beachten sollten:

Drei aktuelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts:

1. Leiharbeitnehmer – sie wählen und sie zählen, endlich!

Am 13. März 2013 (Aktenzeichen – 7 ABR 69/11) wurde entschieden, dass Leiharbeitnehmer in Betrieben von mehr als 100 Arbeitnehmer immer und ohne weitere Voraussetzungen mitzählen bei der Größe des Betriebsrats, wenn sie auf sogenannten „Dauerstellen“ eingesetzt werden. In Betrieben mit weniger als 101 Arbeitnehmern kommt es möglicherweise auf die subjektive Wahlberechtigung (Einsatzzeit von mehr als drei – geplanten – Monaten) zusätzlich an, was jedoch noch nicht endgültig entschieden wurde. Der Wahlvorstand muss also Informationen darüber erlangen, ob Leiharbeitnehmer – für Konzernleihe dürfte entsprechendes gelten – auf Positionen eingesetzt werden, die als Regelarbeitsstellen von Seiten des Arbeitgebers eingerichtet wurden. Zumindest müssen diese Stellen mehr als sechs Monate im Jahr besetzt sein. Es spricht zudem viel dafür, dass immer dort, wo im Gesetz von „wahlberechtigten Arbeitnehmern“ die Rede ist, auch Leiharbeitnehmer gemeint sind, die gemäß § 7 Abs. 2 BetrVG länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden (sollen). Das gilt u. a. für die Mindestgröße des Betriebs, für die Frage der Anwendbarkeit des richtigen Wahlverfahrens, für die Unterstützung von Wahlvorschlägen, die Mitgliedschaft im Wahlvorstand, die Ermittlung der Anzahl der Stützunterschriften und die Ermittlung der Mindestsitze für das Minderheitengeschlecht.

2. Gewerkschaftsliste: Dort, wo IG Metall drauf steht, muss auch IG Metall drin sein!

Am 15. Mai 2013 (Aktenzeichen 7 ABR 40/11) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine Liste im Kennwort nur dann den Namen einer Gewerkschaft („IG Metall“) führen darf, wenn diese Liste eine echt Gewerkschaftsliste nach § 14 Abs. 5 BetrVG ist und somit von zwei Gewerkschaftsbeauftragten (zumindest auch) unterzeichnet worden ist. Der Wahlvorstand muss beanstanden, wenn eine Liste den Namen der Gewerkschaft im Kennwort führt, ohne dass auch zwei Gewerkschaftsbeauftragte unterschrieben haben. Wenn der Wahlvorstand dies nicht moniert, ist die Wahl anfechtbar. Das hat für die Praxis große Konsequenzen, da bislang in vielen Betrieben Listen im Kennwort den Namen der IG Metall geführt haben (mit Zustimmung der IG Metall) und dies nunmehr ohne weitere Unterzeichnung der Liste von zwei Gewerkschaftsbeauftragten nicht mehr zulässig ist. Um hier keinen unnötigen Anfechtungsgrund zu schaffen, müssen diejenigen, die diese Listen in den Betrieben organisieren, mit dem betreuenden Sekretär oder mit der betreuenden Sekretärin Kontakt aufnehmen, um die Unterzeichnung der Liste von zwei Gewerkschaftsbeauftragen rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Die IG Metall wird gemeinsam mit denjenigen, die die Listen organisieren, eine praktische Lösung finden und gegebenfalls über die Bevollmächtigten satzungsgerecht betriebliche Akteure beauftragen, im Namen der IG Metall eine Liste zu unterzeichnen. Die entsprechende Vollmacht ist auf Nachfrage dem Wahlvorstand vorzulegen.

3. Briefwahl – Öffnen der Freiumschläge: Sag mir wo, sag mir wann!

In einem Beschluss vom 10. Juli 2013 (Aktenzeichen 7 ABR 83/11) hat das Bundesarbeitsgericht für eine Schwerbehindertenvertretungswahl entschieden, dass Ort und Zeitpunkt der Öffnung der Freiumschläge im Zusammenhang mit dem Gebrauchmachen von der Möglichkeit einer Briefwahl im Betrieb rechtzeitig öffentlich bekannt gegeben werden müssen. Das gilt bei der Betriebsratswahl zumindest für den Ort immer, da nicht selbstverständlich ist, dass gemäß § 26 Abs. 1 WO im Wahllokal die Freiumschläge geöffnet und nach positiver Prüfung die Wahlumschläge in die Urne geworfen werden. Immer dann, wenn nicht unmittelbar vor Ende der Stimmabgabe (Schließung des Wahllokals) die Freiumschläge geöffnet werden, muss der Wahlvorstand auch den Zeitpunkt rechtzeitig im Betrieb öffentlich bekannt geben. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn mehrere Wahllokale gleichzeitig geöffnet werden oder wenn wegen der Anzahl der Briefwahlstimmen die Freiumschläge erst zu einem späteren Zeitpunkt geöffnet werden. Anlass kann auch eine öffentliche Stimmauszählung sein.

Wenn der Wahlvorstand den Ort und gegebenenfalls den Zeitpunkt nicht rechtzeitig benennt, ist die Wahl anfechtbar. Es empfiehlt sich auch, dass die dem Wahlvorstand übermittelten Briefwahlstimmen registriert und bis zum Zeitpunkt der Öffnung der Freiumschläge in einer gesonderten versiegelten „Briefwahlurne“ aufbewahrt werden, zu der nur zwei Wahlvorstandsmitglieder ausschließlich gemeinsam Zugang haben. Es deutet sich an, dass die Anforderungen an die Wahlvorstände in Bezug auf die Behandlung der Briefwahlstimmen in Zukunft vom Bundesarbeitsgericht verschärft werden.

Betriebsratswahlen sind für die IG Metall von größter Bedeutung, da eine starke gewerkschaftliche Repräsentation in den Betriebsräten dafür steht, dass offensiv Mitbestimmungsrechte zum Wohle der Beschäftigten wahrgenommen werden, gewerkschaftliche Positionen in die Betriebsratsarbeit eingebracht werden und Mitglieder und vor allem auch potentielle Mitglieder erkennen, dass die IG Metall über ihre Betriebsratsmitglieder eine starke Politik in den Betrieben zugunsten der Sache der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen durchsetzt.

Das fängt an bei der Frage nach der Reichweite des Betriebes, in dem gewählt wird: Was macht einen Betrieb zu einem Betrieb im Rechtssinne? Gibt es einen einheitlichen Leitungsapparat mit den Kernkompetenzen in den personellen und sozialen Angelegenheiten, der verschiedene Abteilungen und Teile des Betriebes zu einem Betrieb verklammert? Gehören bestimmte (ggf. örtlich entfernt liegende) Betriebsteile mit zum Hauptbetrieb dazu? Liegt ein Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen mit der Folge der Wahl nur eines Gremiums vor, weil auf einem Betriebsgelände Mitarbeiter mehrerer Firmen eng zusammenarbeiten?

Der Arbeitnehmerstatus kann problematisch sein, wenn ein Ein-Mann- bzw. Ein-Frau-Unternehmen im Betrieb tätig ist und möglicherweise eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Die Frage nach der Betriebszugehörigkeit und der Berücksichtigung bei der Größe des Betriebsrats stellt sich bei Fremdfirmenmitarbeitern jeder Art: Zählen Leiharbeitnehmer bei der Größe des Betriebsrats dazu und unter welchen konkreten Bedingungen tun sie dies? Sind Beschäftigte eines Werkvertragspartners nicht möglicherweise verkappte Leiharbeitnehmer mit der Konsequenz, dass diese bei der Größe des Betriebsrats mitzählen und auch das aktive Wahlrecht genießen, wenn sie drei Monate tätig sind bzw. sein sollen? Vielfach werden im Konzern Mitarbeiter zeitlich begrenzt oder dauerhaft verliehen – zählen diese Mitarbeiter mit bei der Größe des Betriebsrats, sind sie aktiv und passiv wahlberechtigt? Unter welchen Bedingungen ist eine Führungskraft ein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG?

Alle diese Fragen muss gegebenfalls ein Wahlvorstand beantworten und er ist gut beraten, eine Wahlvorstandsschulung zu besuchen. Diese ist stets erforderlich, auch wenn anlässlich der letzten Betriebsratswahl bereits von dem Wahlvorstandsmitglied eine Schulung besucht worden ist. Die Kosten hierfür hat der Arbeitgeber zu tragen.

Nils Kummert, seit 17 Jahren Rechtsanwalt und seit 2001 Fachanwalt für Arbeitsrecht, Spezialist im Betriebsverfassungsrecht, hat die zentralen Wahlleitfäden für die IG Metall mit einer Kollegin zusammen geschrieben. Die Kanzlei "dka - Rechtsanwälte und Fachanwälte" ist ein Zusammenschluss von 16 Rechts- und Fachanwälten und -anwältinnen, die in den Themengebieten Arbeitsrecht, Sozialrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht spezialisiert sind. Diese Kanzlei vertritt im Arbeitsrecht ausschließlich Arbeitnehmer/innen, Interessenvertretungen (Betriebs- und Personalräte, Mitarbeitervertretungen im kirchlichen Bereich) und Gewerkschaften.

Von: aw

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