Betriebsräte/Vertrauensleute

Europa-Wahl im Mai:

Das einzig Richtige tun: Demokratie leben und gestalten

08.04.2019 | Im Interview erzählt Günter Augustat, Sprecher der Berliner Betriebsratsvorsitzenden von Siemens, was Europa für ihn und für die Berliner Siemens-Betriebe bedeutet – und warum es wichtig ist, im Mai zur Europawahl zu gehen. Am morgigen Dienstag erläutert er es live bei einer Wahlveranstaltung.

Günter Augustat (rechts) bei einer Werksführung mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) Fo0to: Christian von Polentz

Günter, als Du geboren bist, hatten wir eine Mauer durch Berlin, ohne Ende Zoll- und Passgrenzen in Europa und gerademal neun Mitgliedstaaten in der Europäischen Gemeinschaft. Wie hat sich Europa für Dich damals als heranwachsender Mensch angefühlt?
Das war ein erhebendes Gefühl nach dem Mauerfall, einfach durch Europa zu fahren und selber zu entscheiden, welchen Weg ich wo einschlage. Das war das Gänsehautgefühl, Grenzen ohne Kontrollen zu passieren, sie wie auf einer Brücke zu überschreiten.

Was bedeutet Dir Europa heute persönlich?
Es ist eine sehr schöne Realität, unbegrenzt von Skandinavien bis ans Mittelmeer reisen zu können, diese reiche europäische Kultur erleben und die kulinarische Vielfalt als eine selbstverständliche Gewohnheit genießen zu dürfen. Was aber viel wichtiger ist: Europa ist das beste Friedens- und Zusammenarbeitsprojekt aller Zeiten, das uns allen Wohlstand, eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa und gute Arbeitsplätze gebracht hat, die in Deutschland im Zusammenhang mit der arbeitsteiligen Wirtschaft in Europa gesichert sind.

Siemens verkauft seine Hochleistungstechnik weltweit. Wie hat Siemens  von den gefallenen Handels- und Exportbarrieren in Europa in den vergangenen 30 Jahren profitiert?
Siemens als exportstarkes Unternehmen hat unglaublich profitiert, die Kolleginnen und Kollegen mit guter Arbeit und sicheren Arbeitsplätzen. Das alles vor dem Hintergrund, dass unsere Arbeit weltweit natürlich massiven Veränderungen unterworfen war und ist. Unser Gestaltungspielraum in Europa ist viel größer geworden und heute ist es doch wohl eher so, dass Unternehmen mit dem großen europäischen Markt, den Wissens- und Fertigungsmöglichkeiten auf unserem Kontinent und dem ausgewogenen Ansatz der deutschen und europäischen Industriepolitik überhaupt mithalten können mit den großen aufstrebenden Nationen wie China oder den etablierten wie Japan oder den USA.

Als die Mauer gefallen ist und Europa sich auf den Weg gemacht hat, hat sich auch für den Siemens-Standort Berlin vieles geändert. Wie hat sich das erstarkende und wachsende Europa der vergangenen drei Jahrzehnte aus Deiner Sicht auf die Arbeitsplätze in der deutschen Metall- und Elektroindustrie ausgewirkt?
Heute sind wir in Berlin etwa 12.000 Siemensianerinnen und Siemensianer. Der Mauerbau, die Teilung der Stadt, die nach dem Mauerfall verschwundene Absatzmöglichkeiten für Teile der Industrie sowie die Globalisierung hatten massive Auswirkungen auf Siemens und unsere wertschöpfenden Arbeitsplätzen in der Stadt. Wir sind heute konfrontiert mit einem Kostenniveau, dem wir mit Innovation und jahrzehntelangem Knowhow der Kolleginnen und Kollegen, aber auch der Anpassungsfähigkeit an sich immer schneller ändernde Situationen begegnen. Das verlangt sehr viel ab von den Kolleginnen und Kollegen. Umso größer sind unsere Erwartungen an Siemensstadt 2.0 und an die dort entstehende industrienahe Forschung und Entwicklung mit den etablierten und neuen technologischen und zukunftssicheren Arbeitsplätzen und Fertigungen.

Du bist Sprecher der Betriebsratsvorsitzenden der Berliner Siemens-Standorte. Wie setzt Ihr Euch mit Europa und der anstehenden Europawahl im Mai auseinander?
Wir machen deutlich, dass das heutige Zusammenleben in Europa keine Selbstverständlichkeit ist und dass visionäre Menschen in der Vergangenheit mit dafür gesorgt haben, dass wir heute in Freiheit, Demokratie und Wohlstand leben dürfen. Das muß allen klar sein: Darum muß man ringen und kämpfen.

Welche Funktionen haben die Europa-Betriebsräte bei Siemens?
So wie in Deutschland sind die Europa-Betriebsräte in Europa gut vernetzt. Die Maßnahmen der Firmenleitung treffen auch europäische Belange. Daher tauschen wir uns mit unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen und deren Zwängen regelmäßig aus, das ist sehr wichtig. Personalanpassungen oder Portfolioeinschränkungen und Änderungen in der Wertschöpfungstiefe haben positive und negative Auswirkungen auf die Siemens-Betriebe in Europa. Die Mitbestimmungskultur und das Betriebsverfassungsgesetz sind gute Möglichkeiten für uns in Deutschland, die Stärken auch in Europa zu leben. Unser Wissen darüber geben wir unseren Kolleginnen und Kollegen in  Europa weiter, dafür steht der europäische Betriebsrat bei Siemens.

Du diskutierst kommende Woche im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung und in Deiner Funktion als Sprecher der Betriebsratsvorsitzenden der Berliner Siemensbetriebe das Thema Europa. Warum sollten die Kolleginnen und Kollegen zu der Veranstaltung kommen?
Wenn wir miteinander reden, lernen wir einander besser kennen und verstehen. Man bekommt Erkenntnisse und Impulse, wieso es so wichtig ist, von seinem Wahlrecht auf jeden Fall Gebrauch zu machen und damit das einzig Richtige zu tun: Demokratie zu leben und gestalten zu wollen. Wir haben in Europa schon andere Zeiten gehabt, wo es diese Möglichkeit leider nicht gab.


Günter Augustat
ist 50 Jahre alt, seit fünf Jahren Betriebsratsvorsitzender im Siemens-Gasturbinenwerk in der Huttenstraße und seit gut zwei Jahren auch Sprecher der Betriebsratsvorsitzenden der Berliner Siemensbetriebe. Seinen beruflichen Weg hat  er als Fahrzeugschlosser in Berlin begonnen, anschließend hat er Energie- und Verfahrenstechnik studiert und als Projektingenieur zuletzt im Siemens-Kraftwerksservice Langzeitwartungsverträge in unterschiedlichsten Regionen der Welt verhandelt und  umgesetzt. In seinen Funktionen als BRV-Sprecher und Betriebsratsvorsitzender engagiert sich Günter Augustat vor allem für die fast 12.000 Arbeitsplätze in Berlin, davon sind 3.800 in der Huttenstraße.

EUROPA-Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer-Empfang der SPD am Dienstag, den 9. April, von 19.30 - 22.00 Uhr, Einlass ab 19.00 Uhr, im Spreespeicher in der Stralauer Allee 2. Mit:
•    Katarina Barley, Bundesjustizministerin und Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl
•    Günter Augustat, Betriebsratsvorsitzender des Siemens-Gasturbinenwerks und Sprecher der Berliner Siemens Betriebsräte
•    sowie Gaby Bischoff, Spitzenkandidatin der SPD Berlin für die Europawahl.

 

Von: jb

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