Rechtstipp

Der Rechtstipp:

Equal Pay jetzt einfacher durchsetzen

01.09.2021 | Das Bundesarbeitsgericht jüngst geurteilt, dass der Verdacht einer Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliegt, wenn das Entgelt einer Frau geringer als das einer Gruppe männlicher Kollegen in vergleichbarer Position ausfällt. Wie mit diesem Urteil diskriminierungsfreie Vergütung geltend gemacht werden kann, erklärt Rechtsanwältin Mechtild Kuby von dka Rechtsanwälte Fachanwälte.

Im Jahr 2021 war der „Equal Pay Day“ in Deutschland am 10. März – der Tag, an dem darauf aufmerksam gemacht wird, dass Frauen weltweit überall weniger verdienen als Männer. Der Equal Pay Day ist der Tag, bis zu dem Frauen in Deutschland theoretisch unbezahlt arbeiten, während Männer schon ab dem 1. Januar für ihre Arbeit entlohnt werden.

Das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen soll nach dem Willen des Gesetzgebers dabei helfen, das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ in der Praxis stärker durchzusetzen. Oft wird in Unternehmen über das Gehalt geschwiegen, so dass die Beschäftigten in der Regel gar nicht exakt wissen, ob und in welcher Höhe die Beschäftigten des anderen Geschlechts vergütet werden.

Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz
Der Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit ohne Diskriminierung wegen des Geschlechts folgt sowohl aus dem direkt anwendbaren Art. 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) als auch aus § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG.
Wie der Auskunftsanspruch geltend gemacht werden kann, regelt das Entgelttransparenzgesetz. Leider steht der Anspruch nur Beschäftigten zu, die in Betrieben mit mindestens 200 Beschäftigten arbeiten.

Mit dem Entgelttransparenzgesetz haben Beschäftigte die Möglichkeit, von ihrem Arbeitgeber Auskunft über das Bruttoentgelt von Beschäftigten des anderen Geschlechts, die eine Vergleichstätigkeit ausüben, zu verlangen. Der Anspruch muss in Textform geltend gemacht werden.
Im diesem Text muss „in zumutbarer Weise“ eine „Vergleichstätigkeit“, also eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit, benannt werden. Hierfür genügt es, wenn die Vergleichstätigkeit möglichst konkret beschrieben wird. Dafür ist es ausreichend, aber nicht erforderlich, andere Beschäftigte, deren Tätigkeit für vergleichbar gehalten wird, namentlich zu benennen.

Auch muss angegeben werden, welche Auskunft begehrt wird. Die Auskunft kann in Bezug auf das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt in Form des statistischen Medians sowie für bis zu zwei weitere einzelne Entgeltbestandteile verlangt werden. Vom Bruttoentgelt sind nicht nur eine monatliche Grundvergütung, sondern alle geldwerten Entgeltbestandteile einschließlich etwaiger Einmalzahlungen umfasst.

In Betrieben mit Betriebsrat ist das Schreiben an den Betriebsrat zu richten, der den Arbeitgeber über die Anfrage anonymisiert informiert und die notwendigen Informationen beim Arbeitgeber einholt. Der Betriebsrat hat auch die Möglichkeit, die Anfrage an den Arbeitgeber abzugeben. In Betrieben ohne Betriebsrat ist das Schreiben direkt an den Arbeitgeber zu adressieren.

Der Arbeitgeber hat dann den Median oder auch Zentralwert zu ermitteln und mitzuteilen. Dabei ist der Median nicht der Durchschnitt der gezahlten Gehälter, sondern der Entgeltwert, der in einer nach Größe geordneten Reihe von Entgeltwerten in der Mitte liegt. Dies kann dazu führen, dass der Median niedriger ist als der Durchschnitt.

Die Auskunft ist den Beschäftigten innerhalb von 3 Monaten in Textform zu erteilen.

Ergibt sich aus der Auskunft, dass das Vergleichsentgelt höher ist, kann geltend gemacht werden, dass die Differenz zu zahlen ist. Der Arbeitgeber wird jedoch meist einwenden, dass die schlechtere Vergütung nicht diskriminierend ist. In einem etwaigen streitigen Klageverfahren stellt sich daher die Frage, wer was zu beweisen hat.

Bundesarbeitsgericht stärkt durch Beweislastumkehr das Recht auf gleiche Bezahlung
In dem vom Bundesarbeitsgericht im Januar entschiedenen Fall hatte eine als Abteilungsleiterin beschäftigte Mitarbeiterin vom Unternehmen die Auskunft über das Entgelt ihrer männlichen Kollegen verlangt. Aus der Auskunft ging hervor, dass das Vergleichsentgelt der männlichen Abteilungsleiter im Median sowohl im Grundentgelt als auch in den Zulagen höher ist. Sie machte daher die Differenz zwischen ihrem Gehalt und dem Median geltend. Hierzu stützte sie sich auf die vom Unternehmen erteilte Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz.

Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Zwar ergebe sich aus der Auskunft ein höheres Entgelt. Die Mitarbeiterin habe aber nicht bewiesen, dass die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt sei. Sie habe keine ausreichenden Indizien für eine Benachteiligung dargelegt. Die Auskunft des Unternehmens, der zufolge das Gehalt der Mitarbeiterin unter dem Median der Vergleichsgruppe liege, sei für sich genommen nicht ausreichend, um eine Beweiserleichterung auszulösen.
Dem ist das Bundesarbeitsgericht nun entgegengetreten und hat so die Rechte der Frauen gestärkt.

Grundsätzlich trifft zwar die Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts die Beschäftigten, die sich diskriminiert glauben und deshalb gegen ihren Arbeitgeber klagen. Es ist folglich Sache dieser Beschäftigten, mit allen rechtlich vorgesehenen Mitteln zu beweisen, dass ihr Arbeitgeber ihnen ein niedrigeres Entgelt zahlt als den zum Vergleich herangezogenen Kollegen, so dass die Beschäftigten dem ersten Anschein nach Opfer einer nur mit dem unterschiedlichen Geschlecht erklärbaren Diskriminierung sind.

Besteht daraufhin die Vermutung einer Benachteiligung, ist es Sache des Arbeitgebers, diese Vermutung zu widerlegen. Dabei trägt die Arbeitgeberseite die volle Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist.

Dies folgt aus § 22 AGG, der auch für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vorsieht. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Bei der Auslegung ist das europarechtliche Gebot „der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts“ zu beachten, was bedeutet, dass die Einhaltung des Grundsatzes des gleichen Entgelts vor den nationalen Gerichten durchsetzbar sein muss.

Daraus folgert das Bundesarbeitsgericht, dass es für die Beschäftigten ausreichend ist, sich im Prozess darauf zu berufen, dass sich aus der Auskunft des Arbeitgebers nach dem Entgelttransparenzgesetz eine höhere Vergütung der Vergleichsgruppe ergibt, da sich hieraus eine Vermutung für die Benachteiligung wegen des Geschlechts ergibt.

Aufgrund der Umkehr der Beweislast  muss sodann der Arbeitgeber Tatsachen vortragen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, sondern dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.

Durch dieses Urteil gewinnt das Entgelttransparenzgesetz deutlich an Substanz. Fällt die Vergütung einer Frau nach der Auskunft vom Arbeitgeber niedriger aus als das Median-Entgelt der vergleichbaren männlichen Arbeitnehmer, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die schlechtere Bezahlung nicht wegen des Geschlechts erfolgt ist. Gelingt der Beweis nicht, hat die Frau den Anspruch auf Zahlung der gleichheitswidrig vorenthaltenen Vergütung.

Fazit
Diese Entscheidung stärkt deutlich die Position der Frauen und ihre Chancen, auch tatsächlich eine gleiche, diskriminierungsfreie Bezahlung zu bekommen. Beschäftigte, die sich diskriminiert fühlen, sollten daher unbedingt von der Möglichkeit Gebrauch machen, Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz zu verlangen.

 

 

Von: Mechtild Kuby, dka Rechtsanwälte Fachanwälte

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