Rechtstipp

Der Rechtstipp

Homeoffice: Der Anspruch auf Einrichtung eines Arbeitsplatzes

31.05.2021 | Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Kosten für die Einrichtung eines zur Leistungser-bringung geeigneten und funktionsgerechten Arbeitsplatzes zu tragen. Das gilt auch für einen Homeoffice-Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber muss die Kosten für die Anschaffung der notwendigen Technik, der Büromöbel, der Telekommunikationsanbindung und für die Anschaffung des Büromaterials wie Papier, Schreibmittel, Druckertoner, etc. tragen.

Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob ein echtes Telearbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung oder eine mobile Arbeitsform bei freier Arbeitsplatzwahl  – mit oder ohne Schwerpunkt im Homeoffice – vereinbart wird. Der Beschäftigte hat einen Rechtsanspruch auf die Einrichtung des Arbeitsplatzes und seine Ausstattung.

In der Praxis und während der Corona-Pandemie-Zeit geradezu der Normalfall ist die Situation, dass die Beschäftigten dem Arbeitgeber ihre privaten Arbeitsmittel wie Büromöbel, Technik und Arbeitsmittel oder auch nur eines davon, Wohnraum nebst Nutzung der Strom-, Heizung- und Wasserversorgung zur Verfügung stellen – beziehungsweise die für die Tätigkeit außerhalb des Betriebes notwendigen erforderlichen Arbeitsmittel auf eigene Kosten anschaffen und sogar Wartungs- und Reparaturkosten für die technischen Geräte übernehmen.

Für die Beantwortung der Frage, ob Beschäftigte diese Kostenverteilung nach der Rechtslage hinnehmen müssen, sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Entweder haben die Arbeitsvertragsparteien zu dieser Thematik keine ausdrückliche Vereinbarung vereinbart oder es existiert ausdrücklich oder auch stillschweigend eine Zusatzvereinbarung bezüglich des Aufwendungsersatzes bei dienstlicher Nutzung der privaten Arbeitsmittel durch den Arbeitgeber.

Ohne ausdrückliche Vereinbarung
Grundsätzlich steht dem Beschäftigten in diesem Fall ein Anspruch nach § 670 BGB in entsprechender Anwendung auf Aufwendungsersatz zu, wenn der Arbeitgeber private Arbeitsmittel des Beschäftigten nutzt. Dieser Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht jedoch nur dann, wenn der Beschäftigte Aufwendungen tätigt, die zumindest überwiegend den Interessen des Arbeitgebers dienen.

Auf den ersten Blick scheint dies immer der Fall zu sein. Denn der Arbeitgeber hat ja die Rechtspflicht, den Arbeitsplatz und damit auch den Arbeitsplatz in einer mobilen Arbeits-form oder im Homeoffice entsprechend auszustatten. Jedoch ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch in der arbeitsrechtlichen Fachliteratur anerkannt, dass zumindest dann der Anspruch auf Aufwendungsersatz entfällt, wenn das Arbeitnehmer*innen-Interesse an der Einrichtung des Homeoffice-Arbeitsplatzes überwiegt.

Ein derartiges überwiegendes Arbeitnehmer*innen-Interesse kann sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber der/dem betroffenen Beschäftigten freigestellt hat, an welchem Arbeitsort er/sie tätig sein möchte. Das ist in „echten“ mobilen Arbeitsformen gelegentlich der Fall, wenn nicht das Homeoffice explizit als Arbeitsort vereinbart wird. In diesem Fall einer „echten“ mobilen Arbeitsform mit freier Wahl des Tätigkeitsortes verzichtet der Arbeitgeber auf die Ausübung des direktionsrechtlichen Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort. Der Freiheitsspielraum des Beschäftigten wird signifikant erhöht.

Viele Arbeitgeber argumentieren damit, dass die Arbeitnehmer*innen regelmäßig ein großes Interesse daran hätten, im Homeoffice zu arbeiten, um die Wegezeiten zwischen dem Wohnort und dem Betriebssitz zu vermeiden und Wegekosten einzusparen. Auch bestünde ein großes Interesse daran, Flexibilität zu gewinnen zur besseren Erfüllung von Familienpflichten bzw. Kinderbetreuungspflichten.

Zu Recht wird dem entgegengehalten, dass es zwar diese Interessen durchaus geben mag. Jedoch ist es so, dass das Arbeitgeberinteresse an der Einsparung eines betrieblichen Arbeitsplatzes bzw. an der Erhöhung der Zufriedenheit der Beschäftigten zur Steigerung der Attraktivität der Arbeitsplätze für gesuchte Fachkräfte objektiv vorhandene Interessen der Beschäftigten überwiegt. Hier werden wir die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abwarten müssen. Denn hier ist viel im Fluss und viele Rechtsfragen sind noch nicht geklärt.

Jedenfalls kann zu Zeiten der Geltung der Homeoffice-Angebotspflicht nach der Corona-Arbeitsschutzverordnung davon ausgegangen werden, dass das Arbeitgeberinteresse an einer Tätigkeit der Beschäftigten im Homeoffice deutlich überwiegt. Hinzu kommt, dass die mit der Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verbundenen Kosten gemäß § 3 Abs. 3 des Arbeitsschutzgesetzes vom Arbeitgeber zu tragen sind. Das gilt bis zum 30.06.2021. Dann wird voraussichtlich die Angebotspflicht wegfallen. Bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls stellt sich die Arbeit im Homeoffice als „Arbeitsschutzmaßnahme“ dar, deren Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat.

Viele Arbeitgeber und die sie vertretenden Rechtsanwält*innen argumentieren weiterhin dahingehend, dass gerade in Bezug auf den Mietkostenanteil eine konkrete Bezifferung des Betrages nahezu unmöglich ist und die Beschäftigten ja ohnehin die Wohnung gemietet hätten, auch wenn sie nicht im Homeoffice arbeiten würden. Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht, da die Beschäftigten den Wohnraum anderweitig nutzen könnten, wenn sie nicht zuhause tätig wären.

Es existiert eine ausdrückliche oder stillschweigende Regelung
Das Problem besteht darin, dass die Regelung des § 670 BGB nach allgemeiner Auffassung und auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes dispositiv ist. Das bedeutet, dass die Arbeitsvertragsparteien diese Regelung abschaffen können.

Es ist jedoch weitgehend anerkannt, dass nur im Wege einer echten Individualvereinbarung zwischen einem Arbeitgeber und einer/einem Beschäftigten vereinbart werden darf, dass § 670 BGB nicht zur Anwendung gelangt oder aber mit dem Grundentgelt bestimmte Aufwendungen als abgegolten gelten sollen.

Zudem verlangt das Transparenzgebot bei Vereinbarung einer Abgeltungsklausel eine Offenlegung, welche Anteile des Gehaltes in welcher Höhe welche konkreten Aufwendungen abdecken sollen. Wenn es sich nicht um eine echte Individualabrede handelt, liegt ein Fall eines sogenannten Leitbildverstoßes vor. Die genannten Regelungstypen wie Ausschluss- und Abgeltungsregelung sind daher unwirksam. Auch wenn eine Aufwandspauschale mit der/dem Beschäftigten vereinbart wurde, kann die Höhe dieser Aufwandspauschale unangemessen niedrig sein.

Die Angemessenheit orientiert sich in Bezug auf Mobiliar und technische Geräte an der Höhe der ortsüblichen Gerätemiete. Energie- und Verbrauchskosten müssen der zu erwartenden Größenordnung der Mehrkosten entsprechen. In Bezug auf Mietkosten ist die reale Miethöhe der/des Beschäftigten zu berücksichtigen, wobei sich im Falle einer Mieterhöhung auch die Kosten für das Homeoffice entsprechend anteilig erhöhen. Bei bestehendem Wohnungseigentum kann der Beschäftigte eine anteilige fiktive ortsübliche Kaltmiete in Ansatz bringen abzüglich des kalkulatorisch enthaltenen Gewinns für den Vermieter und den Anteil der Erhaltungsaufwendungen.
Soweit sich diese Pauschalbeträge nicht an diesen Eckwerten orientieren, ist von einer unangemessenen Benachteiligung des Beschäftigten auszugehen und die Pauschalabgeltungsabrede ist unwirksam. Es gilt dann wiederum, dass die/der Beschäftigte einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen kann.

Schlussfolgerung
In den weitaus meisten Fällen in der Praxis können Beschäftigte mit guten Argumenten einen Kostenerstattungsanspruch geltend machen. Dies gilt insbesondere auch für Energie- und weitere Verbrauchskosten wie Heizung, Strom, Wasser für die privaten Räumlichkeiten, die für die Homeoffice-Tätigkeit genutzt werden – unabhängig davon, ob der Wohnraum gemietet ist oder es sich um Wohnungseigentum handelt). In „echten“ Formen mobiler Arbeit sieht es tendenziell anders aus.

Es müssen immer die Einzelfallumstände gewürdigt werden. Es kommt nicht zuletzt auf die ausdrücklich getroffenen Absprachen und nicht zuletzt auch auf Verhaltenserwartungen und betriebliche Gepflogenheiten. An dieser Stelle ist eine Beratung in der Rechtsabteilung der IG Metall erforderlich, um die Erfolgsaussichten einer Auseinan-dersetzung mit dem Arbeitgeber mit allen Chancen und Risiken bewerten zu können.

Es mag nicht ganz einfach sein, konkrete Mehraufwendungen und Mehrkosten auch tatsächlich beziffern zu können. In der Praxis ist es jedoch nicht unüblich, dass die Gerichte lediglich konkrete Anhaltspunkte für Schätzungen fordern und Beschäftigte auf Grundlage von Vergleichsrechnungen vor und nach der Arbeit im Homeoffice plausibel machen können, welche Mehrkosten in welcher Höhe ihnen entstanden sind.

Zu beachten ist immer, dass die tarifvertraglichen Ausschlussfristen bzw. die im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausschlussfristen auch auf Ansprüche auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB zur Anwendung kommen. Es ist erstaunlich, dass nur sehr wenige Beschäftigte ihre sehr oft bestehenden Ansprüche geltend machen. Dies mag vor allem daran liegen, dass zu Zeiten der Pandemie zur Vermeidung von Kurzarbeit, zur Besserstellung der Lage der Unternehmen und auch zur Erfüllung familiärer Pflichten die meisten Beschäftigten nachvollziehbarer Weise sehr froh waren, im Homeoffice arbeiten zu können. Für die Zeit nach der Pandemie stellen sich möglicherweise die Fragen nach einem angemessenen Aufwen-dungsersatz bei einer Arbeit im Homeoffice neu und anders.

Können Betriebsräte helfen?
Betriebsräte können in Bezug auf die Ausstattung des Homeoffice-Arbeitsplatzes mit Arbeitsmitteln und Büromöbeln zumindest im Rahmen ihres starken Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG helfen, wenn im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung sich herausstellen mag, dass bestimmte ergonomische Büromöbel und eine bestimmte technische Ausstattung aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen notwendig sind. Die damit verbundenen Kosten sind nach § 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz vom Arbeitgeber zu tragen.

Ob die hier angesprochenen Fragen auch vom in Kürze in Kraft tretenden und neu geschaffenen Mitbestimmungsrecht mitumfasst sein werden, werden die Arbeitsgerichte über kurz oder lang zu entscheiden haben. Mit Blick auf die Gesetzesbegründung ist hier jedoch nicht zu erwarten, dass finanzielle Ansprüche der Beschäftigten in Bezug auf die Nutzung privater Arbeitsmittel sowie den Ersatz von Energie- und Mietkosten sowie anderweitige Aufwendungen von diesem neuen Mitbestimmungsrecht umfasst sein werden.

Aber auch diesbezüglich stirbt die Hoffnung zuletzt. Vieles wird auch vom Verhandlungsgeschick der Betriebsräte und ihrer Konfliktfähigkeit abhängen, ob und in welchem Umfang Beschäftigte in den Genuss finanzieller Ansprüche kommen werden.

Von: Nils Kummert, dka Rechtsanwälte

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