Rechtstipp

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Keine Angst vor dem betrieblichen Eingliederungsmanagement

31.03.2018 | Sind Beschäftigte in einem Jahr länger als sechs Wochen arbeitsunfähig krank, schreibt das Gesetz den Arbeitgebern ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vor. Aber was ist das genau? Und wie sollten Beschäftigte darauf reagieren? Worüber müssen sie Auskunft geben und wen dürfen sie mitnehmen? Rechtsanwältin Mara Neele Künkel von der Kanzlei dka Rechtsanwälte | Fachanwälte beantwortet diese Fragen.

Sind Beschäftigte in einem Jahr länger als sechs Wochen krank, sind Arbeitgeber verpflichtet ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Dies gilt für alle Beschäftigten, nicht nur für schwerbehinderte Menschen.

Wie funktioniert ein betriebliches Eingliederungsmanagement?
In einem BEM sollen die Ursachen von Arbeitsunfähigkeitszeiten am Arbeitsplatz gefunden und Möglichkeiten, wie diese Zeiten verringert oder vermieden werden können, gesucht werden. Dabei müssen die Beteiligten unter anderem schauen, wie der Arbeitsplatz umgestaltet werden kann, mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Mit diesen Maßnahmen durch den Arbeitgeber soll der Arbeitsplatz langfristig erhalten bleiben. Denn oft werden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit durch besondere Belastungen am Arbeitsplatz hervorgerufen.

Dabei sind unterschiedlichste Maßnahmen denkbar: Zugluft kann reduziert, Hebehilfen installiert, der Arbeitsplatz umgestaltet, die Arbeitszeiten angepasst werden. Auch eine Umsetzung auf einen anderen, der Gesundheit zuträglichen Arbeitsplatz kommt in Frage – selbst wenn dieser Arbeitsplatz aktuell besetzt ist.

Wer lädt ein und wer kann teilnehmen?
Die Initiative für das BEM trägt der Arbeitgeber. Das bedeutet, er muss den Beschäftigten zum BEM bzw. einem BEM- Gespräch einladen. Beschäftigte sind nicht verpflichtet, daran teilzunehmen, oft ist dies aber ratsam. Während einer Arbeitsunfähigkeit müssen Beschäftigte nicht an einem BEM teilnehmen; die Erklärung grundsätzlich zu einem BEM bereit zu sein, ist aber sinnvoll.

Wichtig ist, dass auch nach der Einverständniserklärung zu einem BEM ohne Wissen und Zustimmung der Beschäftigten keine Maßnahmen getroffen werden dürfen. Die Zustimmung zum BEM können Beschäftigte jederzeit widerrufen. Dann muss das BEM gestoppt werden.

Grundsätzlich sind auch Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung (sofern es sich um einen schwerbehinderten Menschen handelt) einzubeziehen. Allerdings kann die betroffene Kollegin, der betroffene Kollege verlangen, dass das BEM-Verfahren ohne Beteiligung dieser Mitbestimmungsorgane stattfindet. Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die Möglichkeit zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes auf Wunsch der Beschäftigten besteht. Einige Landesarbeitsgerichte haben dies aber bereits abgelehnt, so dass dies schwierig durchzusetzen ist.

Sinnvoll und ratsam ist es oft, den Betriebs-, Werks- oder Personalarzt am BEM zu beteiligen.
Diese kennen (hoffentlich) die Anforderungen an den Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen und können einschätzen, welche Gesundheitsgefahren Beschäftigten drohen. Auch die Beteiligung der behandelnden externen Ärzte ist möglich, sofern sie von der Schweigepflicht entbunden sind. Klar ist aber auch: Diagnosen müssen hierfür nicht verraten werden. Ärzte und Ärztinnen sind die Fachkräfte, die beurteilen können, welche Maßnahmen sinnvoll sind, nicht Personalchefinnen oder BEM- Beauftragte der Arbeitgeberin.

Hinzugezogen werden können auch das Integrationsamt und Rehabilitationsträger. Rehabilitationsträger sind Institutionen, die Maßnahmen und Leistungen zur sozialen, medizinischen oder beruflichen Rehabilitation durchführen und erbringen.

Datenschutz
Um das Ziel eines BEM überhaupt zu erreichen, müssen alle Beteiligten die datenschutzrechtlichen Vorgaben einhalten. Nur wenn für die Beschäftigten verlässlich geregelt und geklärt ist, ob und wie persönliche Angaben vertraulich behandelt werden, kann erwartet werden, dass sich Kollegen und Kolleginnen am BEM teilzunehmen. Diagnosen müssen nicht offengelegt werden. Ohne die Information, welche Tätigkeiten ggf. nicht mehr möglich sind, ist ein BEM aber oft nicht erfolgversprechend.

Medizinische Atteste und Diagnosen gehören nicht in die Personalakte. Diese sind nur beim Betriebs- oder Werksarzt aufzubewahren. Diese dürfen die Daten - wie alle anderen Ärzte - nur mit Einwilligung der Beschäftigten an den Arbeitgeber, das Integrationsamt oder sonstige Dritte weitergeben.

Folgen für eine krankheitsbedingte Kündigung
Das BEM ist nicht Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Das bedeutet, es schützt nicht immer vor einer krankheitsbedingten Kündigung. Macht der Arbeitgeber aber kein wirksames Angebot zu einem BEM, trägt er später im Kündigungsschutzprozess die Darlegungslast. Er muss dann beweisen, dass ein BEM nicht möglich war oder nichts genützt hätte beispielsweise die Weiterbeschäftigung auch bei Veränderungen am Arbeitsplatz oder Förderungen durch Reha-Träger nicht möglich gewesen wäre. Denn eine Kündigung ist nur wirksam, wenn es keine milderen Mittel (wie die Umgestaltung des Arbeitsplatzes etc.) gibt. Dieser Nachweis ist für den Arbeitgeber sehr schwierig.

Wurde ein BEM erfolgreich durchgeführt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die sich daraus ergebenden Empfehlungen umzusetzen. Auch der Arbeitnehmer tut gut daran, sich daran zu halten. Wird im ordnungsgemäßen BEM keine Möglichkeit gefunden, wie der oder die Beschäftigte weiterarbeiten kann, muss der Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzverfahren bei Gericht nur vortragen, dass keine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Beschäftigte rettet dann nur noch, wenn er oder sie Alternativen findet, die zwar während des BEM erwähnt, aber nicht behandelt worden sind oder sich erst nach Abschluss des BEM ergeben haben.

Rechte des Betriebsrats
Der Betriebsrat kann nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verlangen, dass der Arbeitgeber ihm diejenigen Beschäftigten benennt, die die BEM-Voraussetzungen erfüllen, das heißt mehr als sechs Wochen krank waren. Nur dann kann der Betriebsrat seinen Überwachungsaufgaben nachkommen. Der Betriebsrat kann die Namen auch unabhängig von einer Zustimmung der Betroffenen einfordern. Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wenn es um die allgemeinen Verfahrensregelungen für das BEM geht.

Fazit: Fast immer sollten Beschäftigte bei einem BEM mitwirken. Sich verweigern hilft selten. Dabei sollten sich Beschäftigte vom Betriebsrat im BEM begleiten lassen.

Rechtsanwältin Mara Neele Künkel vertritt Arbeitnehmer und Betriebsräte in allen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und ist für die Kanzlei dka Rechtsanwälte | Fachanwälte tätig.

Von: nk

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