Rechtstipp

Das Geschäftsmodell "billig":

Rechtsmissbrauch bei Werkverträgen

09.03.2015 | Seit die IG Metall höhere, fairere Löhne für Leihbeschäftigte durchgesetzt hat, weichen Firmen vermehrt in Werkverträge aus, um die Löhne zu drücken. Die IG Metall fordert, dem per Gesetz einen Riegel vorzuschieben. Dagegen wehren sich die Arbeitgeber. Das sei rechtlich nicht zulässig.

Karikatur: Harm Bengen

Bei einem Diskussionsabend am Mittwoch, 25. Februar, diskutierten Vertreter aus Wissenschaft und Politik gemeinsam mit Helga Nielebock, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Roland Wolf, Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), zur Frage „Rechtsmissbrauch bei Werkverträgen: Wie geht es weiter?“. Anlass für diesen kontroversen Austausch ist ein geplantes Gesetz zur Regulierung von Werk- und Dienstverträgen, das aktuell im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ausgearbeitet wird.

Über die Inhalte lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nur spekulieren. Im Koalitionsvertrag wurde dazu jedoch festgehalten: „Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Zur Erleichterung der Prüffähigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.“

Nach einer Einführung in das Thema durch Prof. Dr. Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität befürwortete Helga Nielebock das Vorhaben der Bundesregierung, ein Regelwerk zu erarbeiten und stellte die Position des DGB zum Thema Rechtsmissbrauch dar. Sie zeigte juristische Lösungsansätze auf. Roland Wolf widersprach Nielebock und erklärte, dass es aus Sicht der BDA keinen gesetzlichen Regelungsbedarf gibt. Beim Rechtsmissbrauch handele es sich um Einzelfälle, über die auch im Einzelnen durch Rechtsprechung geurteilt werden könne. Zudem hätten Werk- und Dienstverträge in Deutschland eine lange Tradition. Es handele sich dabei um Betriebe, die sich auf ein bestimmtes Werk bzw. eine bestimmte Dienstleistung spezialisiert hätten.

Markus Paschke (SPD) sowie Winfried Oellers (CDU), MdBs und Mitglieder im Ausschuss für Arbeit und Soziales, schilderten ihre politische und juristische Einschätzung. Deutliche wurde dabei, dass die SPD dieses Gesetzesvorhaben vorantreibt, wohingegen bei der CDU eher Bedenken bestehen.

Die Beiträge der anwesenden Juristen veranschaulichten, wie schwierig es ist, einen Rechtsmissbrauch bei Werkverträgen zu identifizieren und rechtlich abzugrenzen. Die Frage, ob wir ein Gesetz zur Regulierung von Werk- und Dienstverträgen brauchen, wurde demnach sehr vielschichtig diskutiert und zudem wurden Lösungsansätze angeboten. Nun bleibt abzuwarten, wie der Gesetzesentwurf der Bundesregierung aussieht.

Warum stehen Werk- und Dienstverträge in der Kritik?

Werk- und Dienstverträge gibt es durchaus schon lange in Deutschland. Der Aufzugmonteur arbeitet beispielsweise über einen Dienstleistungsvertrag für mehre Kunden, da kaum ein Hauseigentümer oder Betrieb eigene Monteure nur für die Aufzüge einstellt. Seit der Regulierung der Leiharbeit ist die Zahl von Werk- und Dienstverträgen in Deutschland stark gestiegen. Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. Die statistische Erfassung gestaltet sich schwierig. Betriebsräte haben keine Informations- und Mitbestimmungsrechte bei Werkverträgen. Beschäftigte, die über ein Werkvertragsunternehmen auf dem Betriebsgelände arbeiten, werden nicht als Personal, wie beispielsweise bei der Leiharbeit, erfasst und dem örtlichen Betriebsrat gemeldet, sondern lediglich das Werk, dass sie herstellen. Betriebsräte müssen daher schon durch die Werkshallen laufen, um herauszufinden, wer alles auf dem Gelände arbeitet.

Vielfach ist es aber so, dass die Mitarbeiter aus dem Werkvertragsunternehmen neben den sogenannten Stammbeschäftigten in „abgegrenzten“ Bereichen arbeiten. Sie üben häufig Tätigkeiten für An- und Ungelernte aus, die zuvor noch von Stammbeschäftigen bearbeitet wurden (Lager, Logistik, Reinigung, Endkontrolle, Wartung). Von einer Spezialisierung kann daher keine Rede sein. Problematisch ist dabei, dass sie für die gleiche Arbeit heute deutlich weniger Geld erhalten. Die Stammbeschäftigten geraten durch die Auslagerungsstrategie unter Druck, da sie der Geschäftsführung kontinuierlich beweisen müssen, dass eine betriebsinterne Produktion kostengünstiger ist, als die Auslagerung per Werkvertrag. Der Wettbewerb steigt.

Die Betriebe, die das Werk erstellen, haben vielfach keinen Betriebsrat und sie sind auch nicht in der Tarifbindung. Mitunter werden dort Langzeitarbeitslose eingesetzt, für die der Betrieb Eingliederungszuschüsse von der Bundesagentur für Arbeit erhält. Nach einem Jahr laufen diese und damit häufig auch die befristeten Arbeitsverträge der Beschäftigten aus.

Warum auch die Arbeitgeberseite ein Gesetz zur Regulierung des Rechtsmissbrauchs bei Werkverträgen befürworten sollte?

Nehmen wir an, dass alle Werkvertragsunternehmen einen Betriebsrat und einen Tarifvertrag haben. Plötzlich könnte man auf dem Betriebsgelände nicht nur viele unterschiedliche Betriebe haben, sondern auch unterschiedliche Gewerkschaften.

In gut organisierten Betrieben könnte es zu folgender Situation kommen: Nehmen wir beispielsweise an, dass bei den sogenannten Stammbeschäftigten der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Anwendung findet. Bei den ausgegliederten Beschäftigten in der Werkskantine findet ein Tarifvertrag der NGG Anwendung. Bei den ausgegliederten Beschäftigten, die die Reinigung übernehmen, findet ein Tarifvertrag der IG Bau Anwendung. Bei den ausgegliederten Beschäftigten im Bereich der Logistik findet der Tarifvertrag Logistik der ver.di Anwendung. Bei den ausgegliederten Beschäftigten, die für die IT zuständig sind, findet der IG Metall Rahmentarifvertrag IT-Dienstleistungen Anwendung. Bei den ausgegliederten Beschäftigten an den Werkstoren findet der Tarifvertrag ver.di für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Anwendung.

Nehmen wir weiter an, dass alle diese Tarifverträge unterschiedliche Regelungsinhalte, aber auch unterschiedliche Friedenspflichten hätten. Demnach können die Beschäftigten zu unterschiedlichen Zeitpunkten warnstreiken/ streiken. In den gegenwärtigen just-in-time bzw. just-in-sequence Prozessen könnte dies für viele Arbeitgeber sehr unangenehm werden. Denken wir an dieser Stelle an die Deutsche Bahn und den andauernden Konflikt mit der GDL und EVG. Schon vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber ein Interesse daran haben, mit einer Gewerkschaft entlang der Wertschöpfungskette zu verhandeln – so wie es die IG Metall fordert und praktiziert.

Doch soweit muss man gar nicht gehen. Für den Arbeitgeber bedeuten ständige Ausgliederungsprozesse einen erheblichen Kommunikationsaufwand. Außerdem wird der Betriebsfrieden auf lange Sicht gefährdet, wenn die Lohnunterschiede zunehmend größer und Belegschaften gegeneinander ausgespielt werden. Ob diese Modelle für den Arbeitgeber langfristig wirklich sinnvoll und kostengünstiger sind, bleibt an dieser Stelle Spekulation.

Klar ist jedoch, dass dem Rechtsmissbrauch bei Werkverträgen in jedem Fall gesetzlich entgegengewirkt werden muss. Im Interesse der Arbeitgeber aber natürlich in erster Linie zum Wohle der betroffenen Kolleginnen und Kollegen.

Die IG Metall plant einen bundesweiten Aktionstag bei den Automobilherstellern im September, um das Thema Rechtsmissbrauch bei Werkverträgen verstärkt öffentlich zu machen. Am 7.Oktober, dem weltweiten Tag der prekären Beschäftigung, wird die IG Metall zudem öffentlichkeitswirksam auf die Missstände aufmerksam machen.

Weitere Informationen und die Position der IG Metall zum Thema gibt auf unserer Kampagnenseite <link http: www.fokus-werkvertraege.de external-link-new-window externen link in neuem>„Fokus Werkverträge“

Von: jk

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