Rechtstipp

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Wenn der Arbeitgeber nicht oder verspätet bezahlt

01.04.2016 | Am 1. oder 15. sollte das Entgelt auf dem Konto sein. Ist es in der Regel auch. Was aber, wenn nicht? Der Arbeitgeber den Anspruch auf pünktliche Entgeltzahlung immer wieder ignoriert? Unangenehme Fragen! Wenn man die Antwort nicht weiß. Rechtsanwalt Nils Kummert, Partner der Kanzlei dka Rechtsanwälte / Fachanwälte, kennt sie.

Nils Kummert

Jeder Arbeitnehmer erhält für seine geleistete Arbeit das vertraglich vereinbarte oder im Tarifvertrag geregelte Entgelt. Die Vergütung ist nach Leistung der Dienste zu entrichten (§ 614 BGB). Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. In der Regel ist die Zahlung eines Monatsentgelts vereinbart, so dass zum Ende des jeweiligen Monats die Vergütung fällig ist. Der Arbeitnehmer ist insoweit also zur Vorleistung verpflichtet.

Wenn der Arbeitgeber nicht pünktlich das Entgelt zahlt, so gerät er in den sogenannten „Schuldnerverzug“. Der Arbeitnehmer kann dann verlangen, dass der Arbeitgeber die daraus entstehenden Schäden ersetzt (§ 280 Abs. 2 BGB und § 286 BGB). Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen - auch für private Zwecke - zugesagt hat, diesen aber nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt.

Anspruch auf Verzinsung und Verzugsschäden geltend machen
Durch die verspätete Entgeltzahlung entsteht dem Arbeitnehmer zunächst ein Anspruch auf Verzinsung der Entgeltnachzahlung. Diese liegt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB - gem. § 288 Abs. 1 BGB). Der Basiszinssatz lässt sich im Internet ermitteln. Der Anspruch auf Verzinsung entsteht mit Eintritt des Verzuges, soweit sich der Arbeitgeber – wie regelmäßig – nicht auf Entschuldigungsgründe berufen kann. Diese Zinsforderung besteht in Bezug auf die gesamte Bruttoentgeltforderung des Arbeitnehmers.

Ein Arbeitnehmer kann aber nicht nur das Nettoentgelt einfordern, sondern auch einen darüber hinausgehenden Verzugsschaden geltend machen, wenn er oder sie darlegen und beweisen kann, dass sie infolge eines Liquiditätsengpasses sich anderweitig Geld beschaffen und hierfür einen entsprechenden höheren Zins zahlen musste. Auch kann dem Arbeitnehmer ein Steuerschaden endgültig oder vorläufig entstehen, der von Seiten des Arbeitgebers ausgeglichen werden muss. Durch die verspätete Zahlung des Entgelts kann es nämlich sein, dass infolge einer höheren Steuerprogression dem Arbeitnehmer ein endgültiger Schaden entsteht. Es kann auch bis zur Durchführung eines Lohnsteuerjahresausgleiches ein vorläufiger Schaden durch Liquiditätsentzug entstehen, wobei die Liquiditätslücke vom Arbeitnehmer möglicherweise durch Aufnahme eines Darlehens ausgeglichen werden muss. Dadurch entsteht ein Zinsschaden, den der Arbeitgeber ausgleichen muss.

In der Praxis werden derartige Schadenersatzansprüche selten (gerichtlich) geltend gemacht, da es sich meist um kleinere Beträge handelt, die eine Klage nicht lohnen. Bei längerer Verzugszeit kann es durchaus sein, dass dem Arbeitnehmer ein höherer Schaden entsteht, den er ausgeglichen haben möchte.

Nicht zu lange ohne Lohn arbeiten!

Wenn der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg den Lohn nicht zahlt, sollte der Arbeitnehmer sehr vorsichtig sein. Der Zeitraum sollte nie länger als drei Monate umfassen, da bei drohender Insolvenz für einen längeren Zeitraum kein Insolvenzgeld von Seiten der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird. Wenn der Zeitraum der Nichtzahlung länger dauert, sollte der Arbeitnehmer ernsthaft über eine Einstellung seiner Tätigkeit für diesen Arbeitgeber nachdenken. Er kann seine Arbeitsleistung zurückhalten in Form der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes, wenn mindestens 1,5 Monatsentgeltbeträge nicht gezahlt worden sind. Sind weniger als 1,5 Monatsentgeltbeträge nicht gezahlt worden, kann ein Zurückbehaltungsrecht nicht geltend gemacht werden, da diese dann unverhältnismäßig wäre.

Zahlt der Arbeitgeber nicht oder verspätet, kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Im Wiederholungsfall bzw. bei Nichterfüllung des Zahlungsanspruches kann er darüber hinaus außerordentlich/fristlos kündigen (gem. § 626 Abs. 1 BGB). In diesem Fall entsteht dem Arbeitnehmer zudem ein Schadensersatzanspruch (gem. § 628 BGB). Dieser Anspruch umfasst die Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe des Bruttoentgelts für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist sowie einer fiktiven Abfindungszahlung in Höhe von einem halben Monatsbruttoentgelt pro Beschäftigungsjahr. Diese Reaktionsmöglichkeit sollte der Arbeitnehmer unbedingt erwägen.

Dem Betriebsrat steht in Bezug auf die Regelung der Fälligkeit des Entgeltanspruchs ein Mitbestimmungsrecht zu, soweit nicht der Tarifvertrag den Fälligkeitszeitpunkt abschließend regelt (§ 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG). Die Regelung der Fälligkeiten in Form einer Betriebsvereinbarung könnte interessant sein, da bei nicht pünktlicher Zahlung der Entgelte an die Arbeitnehmer der Betriebsrat aus der Verletzung der Betriebsvereinbarung Rechte herleiten kann. Dies entlastet die Beschäftigten, die sich bei unpünktlicher Entgeltzahlung nicht zur Wehr setzen können oder wollen.

Arbeitgeber muss Entgelt schriftlich und transparent abrechnen
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer eine schriftliche Abrechnung vorzulegen (§ 108 GewO). Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung des Entgelts und aller weiteren Zusatzentgelte. Die Regelung dient der Transparenz der Zahlungspraxis des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. Die Abrechnung muss deshalb mindestens Angaben über den Abrechnungszeitraum und die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütung, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich. Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben (§ 108 Abs. 2 GewO). Die Beschäftigten können darüber hinaus verlangen, dass ihnen die Berechnung und Zusammensetzung des Arbeitsentgeltes erläutert wird (§ 82 Abs. 2 BetrVG). Dies kann auch in mündlicher Form geschehen.

Soweit die Entgeltabrechnung nicht transparent ist und den hier dargestellten Grundsätzen entspricht, kann der Arbeitnehmer auf Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung den Arbeitgeber gerichtlich in Anspruch nehmen. Vielfach sind in der Praxis Abrechnungen nicht transparent und durchschaubar. Das muss ein Arbeitnehmer nicht hinnehmen. Viel zu oft erkennen Arbeitnehmer infolge intransparenter Abrechnungen nicht, dass ihnen zustehende Zahlungsansprüche nicht erfüllt worden sind.

Wenn der Arbeitgeber zu viel Entgelt auszahlt
Problematisch sind die Fälle, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer versehentlich zu viel Entgelt ausgezahlt hat. Wenn der Arbeitgeber bewusst zu viel Entgelt gezahlt hat, kann er sich nicht auf einen Rückforderungsanspruch berufen. Häufiger sind die Fälle, in denen irrtümlich zu viel Entgelt ausgezahlt wurde.

Der Arbeitnehmer kann sich grundsätzlich auf den sogenannten „Wegfall der Bereicherung“ berufen, solange er nicht „bösgläubig“ ist, das heißt von der Überzahlung wusste oder hätte wissen können (§ 818 Abs. 3 BGB). Je nachdem, für was der Arbeitnehmer das Geld ausgibt, muss er es zurückzahlen oder eben nicht. Die Juristen sprechen in diesem Fall von Entreicherung. Gibt der Arbeitnehmer das zu viel erhaltene Geld für eine Weltreise, einen teuren Ring oder andere sogenannte „Luxusausgaben“ aus, die er im Normalfall nicht getätigt hätte, ist er juristisch „entreichert“ und muss das zu viel erhaltene Geld nicht zurückzahlen. Gibt er es hingegen für Schuldentilgung oder für den täglichen Bedarf aus, so gilt er als nicht „entreichert“ und muss es zurückzahlen. Wobei der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt.

Hierbei kann ihm jedoch der Beweis des ersten Anscheins zugutekommen. Bei nur geringfügigen Überzahlungen (einmalige Leistung: 10 Prozent des dem Arbeitnehmer zustehenden Betrages, höchstens 153,39 Euro; bei wiederkehrenden Leistungen 10 Prozent aller für den Zeitraum zustehenden Bezüge, höchstens monatlich 153,39 Euro) wird vermutet, dass eine Entreicherung vorliegt. Soweit sich die Überzahlung in diesen Grenzen bewegt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Entreicherung des Arbeitnehmers, so dass die Rückzahlungspflicht entfällt. Im Übrigen muss die Lebenssituation des Arbeitnehmers, insbesondere seine wirtschaftliche Lage so sein, dass die Verwendung der Überzahlung für eine laufende Lebensführung naheliegt. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer nur ein geringes oder mittleres Einkommen erhält. Bei höheren Einkommen ist hiervon nicht auszugehen.

Wenn der Arbeitgeber grob fahrlässig zu viel Entgelt ausgezahlt hat, kann der Arbeitnehmer mit einem Schadenersatzanspruch aufrechnen, wenn er aufgrund der fehlerhaften Lohnauszahlung Ausgaben tätigt, die er bei Kenntnis der Überzahlung nicht getätigt hätte. Der Arbeitgeber schuldet nämlich eine korrekte Berechnung der Vergütung als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag.

Zu beachten ist im Übrigen, dass Entgeltansprüche nach drei Jahren verjähren. Ansprüche aus dem Jahre 2016 verjähren, also am 31.12.2019. Im Übrigen muss der Arbeitnehmer immer Ausschlussfristen aus dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag beachten. Es gibt ein- und zweistufige Ausschlussfristen. Die erste Stufe betrifft die schriftliche Geltendmachung innerhalb einer bestimmten Frist ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Entgeltanspruchs. In der zweiten Stufe – soweit eine Ausschlussfrist eine solche zweite Stufe vorsieht – muss der Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Zeit nach der schriftlichen Geltendmachung auf der ersten Stufe oder nach Reaktion des Arbeitgebers Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht erheben.

Der Arbeitnehmer muss unbedingt darauf achten, innerhalb welcher Zeiträume und ab welchem Zeitpunkt entsprechende Handlungen vorzunehmen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes müssen Ausschlussfristen für beide Parteien gleichermaßen gelten und eine Mindestfrist von drei Monaten auf jeder Stufe vorsehen. In vielen Arbeitsverträgen werden kürzere Ausschlussfristen vereinbart, die jedoch unwirksam sind.

Insgesamt ist zu beachten, dass bei Entgeltfragen der Arbeitnehmer ganz genau seine Lohnabrechnung prüfen muss, um festzustellen, dass alle Positionen ordnungsgemäß abgerechnet wurden. Er muss sodann auch regelmäßig sein Konto überwachen, um zu prüfen, ob alle Zahlungspositionen auch tatsächlich erfüllt wurden.

In Bezug auf Überstunden ist zu raten, dass der Arbeitnehmer immer eine persönliche Übersicht über die angeordneten und geleisteten Überstunden führen sollte. Zahlreiche Fragen bei der Entgeltzahlung (Gleichbehandlungsgrundsatz, betriebliche Übung, freiwillige Zahlungen und Widerruf von solchen Zahlungen, Gewinnbeteiligung, Sonderzahlungen) sind sehr umstritten und rechtlich kompliziert.

Die Prüfung arbeitsvertraglich vereinbarter Zahlungsansprüche sollte daher, wenn der Arbeitnehmer entsprechende Bedenken hat, durch die Rechtsberatungsstelle der IG Metall und die dort tätigen Juristinnen und Juristen geprüft werden.

Rechtsanwalt Nils Kummert ist seit 18 Jahren Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Spezialist im Betriebsverfassungs- und dem übrigen kollektiven Arbeitsrecht. Er ist Partner in der Kanzlei dka Rechtsanwälte | Fachanwälte.

Von: nk

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