IG Metall Jugend

Ein Stück vom Kuchen für das Kfz-Handwerk - Ein Gespräch mit Philipp Singer

20.06.2013 | 5,5 Prozent mehr Geld und 600 Euro Ausbildungsvergütung fordern Metallerinnen und Metaller des Kfz-Handwerks. Philipp Singer, Kfz-Mechatroniker bei der BMW Niederlassung Berlin, argumentiert im Gespräch mit der IG Metall Jugend, warum Arbeitgeber ihren Belegschaften im Kfz-Handwerk dringend mehr Geld zahlen sollten!

Foto von Constantin Borchelt

IG Metall Jugend: Philipp, Du bist gelernter Kfz-Mechatroniker und aktiver Metaller. Kfz-Mechatroniker gehört in Deutschland zu den beliebtesten Ausbildungsberufen, obwohl Metallerinnen und Metaller in der Industrie häufig doppelt so hohe Ausbildungsvergütungen erhalten. Warum hast Du Dich für das Kfz-Handwerk entschieden?

Philipp Singer: Ich wollte immer etwas mit Autos machen - Autos fahren, Autos reparieren und an Autos basteln. Ich habe mich im Vorfeld meiner Ausbildung nicht mit den Verdienstmöglichkeiten im Kfz-Handwerk beschäftigt. Als Kfz-Mechatroniker hat man eine Leidenschaft für Autos. Die Azubivergütung war daher Nebensache. Ich habe mich bei den namhaften deutschen Autobauern und Niederlassungen beworben.

IG Metall Jugend: Häufig haben Azubis im Kfz-Handwerk noch einen Nebenjob, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Welche Erfahrungen hast Du gemacht?

Philipp Singer: Bei uns hatten während der Ausbildung viele einen Nebenjob, um sich die eigene Wohnung, ihr Hobby Auto, aber auch einen vollen Kühlschrank leisten zu können. Die meisten Kfz-Azubis haben beim Pizzaservice gearbeitet oder sich die Nächte in Kneipen oder am DJ-Pult um die Ohren geschlagen. Da blieb bei vielen wenig Zeit, um für die Klausuren in der Berufsschule lernen zu können. Ohne zusätzliche Finanzspritzen wäre ich allein auch nicht über die Runden gekommen.

IG Metall Jugend: Warum ist es Deiner Meinung nach wichtig, dass wir in der Tarifrunde 2013 die Schrauben im Kfz-Handwerk anziehen und ein Plus von 5,5 Prozent bei den Einkommen und mindestens 600 Euro Ausbildungsvergütung fordern?

Philipp Singer: Die Forderungen nach 5,5 Prozent mehr Geld und 600 Euro Ausbildungsvergütung sind richtig und wichtig, weil uns für unsere tägliche gute Arbeit in den Werkstätten und Niederlassungen auch ein ordentliches Stück vom Kuchen zusteht. Es ist doch traurig, dass gerade die jungen Kolleginnen und Kollegen im Kfz-Handwerk täglich Autos reparieren, aber selbst nicht genug Kohle haben, um ihr eigenes Auto in der Werkstatt abzugeben oder daran zu basteln. Azubis müssen auch während der Ausbildung ihren Lebensunterhalt allein bestreiten können. Bei weniger als 600 Euro Ausbildungsvergütung ist das bei den aktuellen Mieten und Lebenshaltungskosten unmöglich. Mal abgesehen davon ist es doch auch nicht fair, wenn du in der Berufsschule feststellst, dass die Azubis, die Kfz-Mechatroniker in der Industrie lernen, mitunter doppelt soviel verdienen.

IG Metall Jugend: In Ostdeutschland soll es noch eine Schippe obendrauf geben und die Arbeitsbedingungen an Westdeutschland angepasst werden. Was hältst du davon?

Philipp Singer: In Ostdeutschland arbeiten die Kolleginnen und Kollegen im Kfz-Handwerk häufig mehr Wochenstunden als jene in Westdeutschland. Die Ausbildungsvergütungen sind in den westdeutschen Bundesländern deutlich höher. Hier sollte gleiches Geld für gleiche Arbeit gelten.
Abgesehen von der finanziellen Seite sprechen noch zwei weitere Aspekte für ein Plus von 5,5 Prozent, mindestens 600 Euro, für Azubis und eine extra Schippe im Osten - der demografische Wandel und die Zukunftsperspektive im Kfz-Handwerk. Noch haben wir in Berlin jedes Jahr genug Bewerbungen, aber die Zahl sinkt kontinuierlich. In den sächsischen Niederlassungen hat BMW schon Probleme, ausreichend Azubis für sich zu gewinnen. Die Belegschaften in der Branche überaltern. Immer mehr ältere Kolleginnen und Kollegen scheiden aus Altersgründen aus, ohne dass genug Nachwuchs nachkommt. Problematisch ist hier auch, dass die Azubis nach der Ausbildung nicht oder nur befristet übernommen werden. Wir müssen uns im Kfz-Handwerk stärker organisieren, denn nur so können wir Verantwortung übernehmen und unsere Forderungen mit Nachdruck verfolgen.

IG Metall Jugend: Vielen Dank Philipp.

Von: pk

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