Betriebsrätefachtagung 2016 zu Chancen und Risiken von Industrie & Arbeit 4.0:

„270.000 neue Arbeitsplätze in Berliner Digitalwirtschaft bis 2030“

21.09.2016 | Gut 350 Berliner Metallerinnen und Metaller trafen sich zur jährlichen Betriebsrätefachtagung der IG Metall Berlin, um einen Tag über die Themen Industrie und Arbeit 4.0 zu diskutieren: unter anderem mit Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) aus dem Bundeswirtschaftsministerium und Irene Schulz aus dem geschäftsführenden Vorstand der IG Metall.

Foto: Christian v. Polentz / transitfoto.de

Es war eine sehr frohe Botschaft, die Boris Velten, der Staatssekretär für Arbeit im Berliner Senat, den Berliner Metallerinnen und Metallern am Morgen überbrachte: 50 neue Professuren für den digitalen Wandel, so Velten, würden ab 2017 in den Dienst Berliner Universitäten eintreten. Es ist eine Zahl, die für Aufsehen sorgen wird. Denn bereits heute gilt Berlin als europäische Hauptstadt für Startups und Gründerszene rund um den digitalen Wandel.

Ein Grund, warum die Zukunftsbranche in Berlin so boomt, ist die exzellente Wissenschaftsszene Berlins, verbunden mit einer engen Vernetzung mit Industrie und Wirtschaft an Standorten wie zum Beispiel Adlershof, dem laut Spiegel „größten Wissenschafts- und Technologiecluster Deutschlands.“ „50 neue Professuren allein in 2017 können die positive Entwicklung Berlins sehr kräftig nach vorne treiben, mit guten Möglichkeiten für Wachstum und gute Arbeitsplätze in Berlin“, sagt Klaus Abel, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin.

Velten, der anstelle von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller, die Grußrede des Berliner Senats hielt, hatte weitere sehr beeindruckende Zahlen mitgebracht: 70.000 Beschäftigte hat Berlins Digitalwirtschaft heute – bis 2030 sollen 270.000 weitere Beschäftigte allein in Berlin dazukommen. Velten betonte: „Gerechte Teilhabe und gute Arbeit sind uns wichtig“, sagte er. „Sie müssen jeden Tag neu erstritten und verteidigt werden.“

Die Zahlen ließen die 350 Berliner IG Metall-Betriebsräte nicht unbeeindruckt. Aber die Praktikerinnen und Praktiker wissen auch, dass der digitale Wandel mit seinen Automatisierungsprozessen auch eine Bedrohung für bestehende Arbeitsplätze, Tarifbedingungen und gute Arbeit sein kann. „Die Gestaltung von Arbeit 4.0 braucht Mitbestimmung 4.0“, sagte beispielsweise Irene Schulz aus dem geschäftsführenden Vorstand der IG Metall auf der Podiumsdiskussion am Nachmittag. „Wir als IG Metall schaffen mit unseren Tarifverträgen die Lebensgrundlage für Millionen von Menschen. Das ist unsere Stärke und die müssen wir ausbauen.“

Matthias Machnig verglich die US-amerikanische mit der europäischen Wirtschaft. Während die Industrie jenseits des Atlantiks nur zehn Prozent an der nationalen Wertschöpfung habe, liege sie in Deutschland bei 25 Prozent, mit industrienahen Dienstleistungen sogar bei 40 Prozent. „Wir müssen uns entscheiden, ob wir unseren Weg weitergehen wollen“, sagte Machnig. Der Sozialdemokrat zeigte auf, wie hoch der Investitionsbedarf sei: allein zehn Milliarden Euro jährlich für ein Ausbauprogramm Glasfaser, und ebenfalls große Summen für Aus- und Weiterbildung. „Und wir müssen über Mitbestimmung 4.0 reden“, sagte Machnig. „Es könnte sein, dass auch qualifizierte Arbeitsplätze wegfallen.“  

Wie stark die Veränderung in einem Betrieb sein kann, machte Rüdiger Andreas Günther, CEO bei Francotyp Postalia, klar. „Bei uns geht es ums Überleben. Für uns heißt die Zukunft nicht Maschine, sondern digitale Kommunikation. Darauf müssen wir uns einstellen.“ Ralf Thon, Werkleiter MAN Turbo Diesel, ergänzte: „Der digitale Wandel  läuft schon seit 20 Jahren und er wird weitere 20 Jahre andauern. Wir haben Arbeitsplätze, die verloren gehen werden. Wir werden aber auch neue Arbeitsplätze schaffen. Mit dem 3D-Druck werden wir auch einfache Tätigkeiten wieder zurückbekommen.“

Olaf Bolduan, Sprecher der Berliner Siemens-Betriebsräte und Mitglied im Siemens-Aufsichtsrat, beschrieb die Fragen, die sich Siemens stelle, auch am Standort Berlin: „Wir fragen uns, welches sind  die Anforderungen für unsere Arbeitsplätze: Was muss ein Mechatroniker oder ein Systemtechniker in zehn Jahren können? Und wie integrieren wir das Potenzial junger Leute in in einen Schichtbetrieb, wo nicht alle rund um die Uhr arbeiten wollen? Da bin ich froh, dass wir Tarifverträge haben.“

Von: ka

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