Ein sehr starkes Zeichen für Berlins Industriearbeitsplätze am Roten Rathaus:

„Wir sind hier mit einer ganz klaren Botschaft: Daimler und Siemens Energy sind Berlin“

01.03.2021 | Gut 400 Berliner Metallerinnen und Metaller demonstrierten heute Mittag für den Erhalt der mehr als 1.500 von Abbau betroffenen Industriearbeitsplätze bei Siemens Energy und Daimler: Bei der anschließenden Gesprächsrunde im Roten Rathaus erörtern die beiden Bevollmächtigten der IG Metall Berlin, IG Metall-Vorstandsmitglied Irene Schulz und die Betriebsräte der betroffenen Betriebe gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) mögliche Lösungen für die beiden Berliner Traditionsunternehmen.

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Nur wer kämpft, erhält seinen Arbeitsplatz.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller empfängt die Bevollmächtigten der IG Metall Berlin Jan Otto und Regina Katerndahl sowie Michael Rahmel von Daimler und Günter Augustat vom Gasturbinenwerk. Fotos: (c) Christian von Polentz /transitfoto.de

Die Sonne ist gerade vor einer halben Stunde rausgekommen und der Platz am Neptunbrunnen vor Berlins politischem Machtzentrum, dem Roten Rathaus, füllt sich nach und nach mit gut 400 Metallerinnen und Metallern. Dann sagt Irene Schulz, langjährige Beschäftigte in der IG Metall Berlin und seit einigen Jahren geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall: „Wir sind heute hier mit einer ganz klaren Botschaft: Daimler und Siemens Energy sind Berlin.“

Die Trommler trommeln, die gut 400 Beschäftigten Berliner Industriebetriebe klatschen Beifall, Rasseln knattern übern Platz, Pfiffe ertönen. Irene Schulz trifft damit, was hier jeder fühlt: Ohne die Kolleginnen und Kollegen von Daimler und ohne die etwa 1.500 Beschäftigten, die bei Siemens Energy in der Huttenstraße und bei Daimler von Arbeitsplatzverlust bedroht sind, schrumpft Berlins Industrielandschaft dramatisch zusammen.

Das wäre das Ende von über 100 Jahren Turbinenbau
Das hätte Folgen für jeden Einzelnen und jede Einzelne, die hier steht. Zum Beispiel für die Kolleginnen und Kollegen im Gasturbinenwerk: „Die Leute haben verstanden, dass es um alles geht. Nimmt man die Zukunftsfertigung raus, dann wird man uns in drei, vier Jahren erklären, dass der Standort nicht mehr haltbar ist“, sagt Günter Augustat, der dortige Betriebsratsvorsitzender von Siemens Energy in der Huttenstraße. „Das wäre das Ende von über 100 Jahren Turbinenbau, Tradition und Geschichte.“

Beim Daimler-Werk in Marienfelde hat das Management sogar angekündigt, gar nicht mehr in den Standort investieren zu wollen. „Die Stimmung bei uns beim Daimler ist seit September unverändert, wir sind seit September im Kampfmodus. Wir haben seit September auch keiner Mehrarbeit mehr zugestimmt. Die Leute haben Zukunftsangst, sie wollen wissen, wie es weitergeht“, sagt Michael Rahmel, Betriebsratsvorsitzender in Marienfelde.
Gemeinsam mit der IG Metall Zukunftskonzepte entwickeln

Kämpfen heißt vor allem auch: Zukunftskonzepte entwickeln, damit der Standort eine wirtschaftliche Zukunft hat. Zukunftskonzepte, die Betriebsräte und Vertrauensleute gemeinsam mit der IG Metall entwickeln: „Wir machen uns als Betriebsräte und Vertrauensleute gemeinsam mit der IG Metall stark dafür, Ideen zu entwickeln, wie der Standort weiter entwickelt werden kann, damit wir auch in Zukunft gute Arbeitsplätze am Standort in Berlin haben“, sagt Jessica Haspel, Betriebsrätin bei Daimler Marienfelde.  

Klar ist aber auch: Nur wer gut organisiert ist und den Großteil der Beschäftigten hinter sich weiß, der hat ein Druckmittel: „Wenn wir in den Betrieben einen Organisationsgrad von 70 Prozent IG Metall-Mitgliedern haben, dann kämpfen wir nicht nur für unsere Arbeitsplätze, dann kontrollieren wir die Unternehmen selber“, sagt Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin.

Zu der Kundgebung kamen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus anderen Berliner Betrieben, um ihre Solidarität zu zeigen oder auch, weil sie selbst von Arbeitsplatzverlust bedroht sind: das Siemens Dynamowerk, die ehemalige Hochspannung in Siemens Energy, Siemens Mobility, Francotyp Postalia, die BSH und Otis. „Auf die Berliner Metaller ist Verlass“, sagt Irene Schulz. „Wir wissen, was Solidarität ist und die brauchen wir in den nächsten Wochen.“ 

„Daimler und Siemens Energy sind die besten Beispiele dafür, dass unsere zentrale Tarifforderung nach Zukunftstarifverträgen richtig, notwendig und unverzichtbar sind“, sagte Irene Schulz in ihrer Rede. „Auf Veränderungen zu warten und zu hoffen, dass die Unternehmen es in unserem Interesse richten, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf das Schiff zu warten. Unser Tarifauftakt heute ist der Startschuss für eine gemeinsame, solidarische Tarifbewegung in der ganzen Republik.“

Winziger Hoffnungsschimmer des Regierenden Bürgermeisters
Nach der Kundgebung gingen Jan Otto und Regina Katerndahl, die beiden Bevollmächtigten, mit Irene Schulz und den beiden Betriebsratsvorsitzenden Günter Augustat und Michael Rahmel direkt ins Rote Rathaus, um mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller über Lösungswege zu diskutieren, wie die bedrohten Berliner Industriearbeitsplätze bei Siemens und Daimler erhalten bleiben können.
„Das war heute ein gutes Gespräch mit den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern mit der IG Metall. Und wir sind uns einig, das ist eine beinharte Situation, man muss um jeden Arbeitsplatz in der Produktion auch kämpfen“, sagte Michale Müller im Anschluss an das Gespräch. „Aber es ist auch richtig, dass zu einem guten Wirtschaftsstandort Industriepolitik und Arbeitsplätze in der Produktion gehören. Wir haben starke Unternehmen, traditionelle Unternehmen hier auch am Standort, ob es Mercedes, Siemens ob BMW. Aber diese Partner müssen und sollen auch diesen Standort mit uns zukunftsfähig machen. Darauf wollen wir jetzt auch gemeinsam setzen.“

Es ist also ein winziger Hoffnungsschimmer, den der Regierende Bürgermeister nach dem Gespräch andeutete. Und es ist ein Zeichen dafür, dass nur der was bekommt, der seine Interessen selbst in die Hand nimmt ¬– und der sie mit der IG Metall als starkem Partner an der Seite an den richtigen und wichtigen Stellen vortragen kann.

 

Von: Jörn Breiholz

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