14.11.2019 | Große Unruhe am Berliner Robert Bosch-Standort in Reinickendorf: Das Management hat angekündigt, mehr als 100 Beschäftigte entlassen und eventuell sogar das ganze Werk verkaufen zu wollen. Bei der Übernahme vor vier Jahren hatte es noch geheißen, dass kein einziger Arbeitsplatz abgebaut werde.
Wenn die Beschäftigten hier auch noch in sieben Jahren Teile für Lenkungen produzieren, können sie den hundertsten Geburtstag ihres Standortes feiern: Seit 1926 existiert das Werk in Reinickendorf. Hier produzieren heute 530 Beschäftigte Pumpen für Servolenkungen bei PKW und LKW, seit der Übernahme von ZF 2015 im Auftrag der Robert Bosch GmbH.
Doch während das Bosch-Management damals verkündet hatte, alle Arbeitsplätze erhalten zu wollen, heißt es nun, dass mehr als 100 Beschäftigte im Berliner Werk gehen sollen – als eine von vielen Maßnahmen, mit denen der Geschäftsbereich Pumpe in der Robert Bosch GmbH neu aufgestellt werden soll. Gleichzeitig, so das süddeutsche Management in einem Schreiben im August, verhandele man bereits mit potenziellen Käufern für das Pumpengeschäft.
Kein Wunder also, dass die Management-Pläne bei den Beschäftigten auf deutliche Ablehnung stoßen. „Wir haben jedes Vertrauen in das Bosch-Management verloren“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Nicole Bock. "Wenn jeder vierte oder fünfte Beschäftigte rausgeworfen werden soll, dann ist das ein Kahlschlag ohnegleichen. Das zeigt uns, dass die Bosch-Manager keine verantwortungsvolle und vorausschauende Unternehmenspolitik betreiben."
In Reinickendorf geht es um die Arbeitsplätze von weit mehr als 100 Beschäftigten, die hier hochspezialisiert Pumpen produzieren. Werden sie entlassen, wird es für sie schwer werden, einen adäquaten Industriearbeitsplatz in Berlin zu finden. Das Einkommen vieler Dutzend Familien steht also auf dem Spiel.
Dass das Management die langjährig Beschäftigten auf die Straße setzen will, ohne wenigstens zu versuchen, ihnen eine Alternative im großen Unternehmen Bosch anzubieten, ist wenig verantwortungsvoll. Dabei gäbe es Möglichkeiten, sagt Wirtschaftsberater Thomas Löffler, der im Auftrag von Betriebsrat und IG Metall Berlin Lösungen für die Beschäftigten entwickelt: „Das Bosch-Management selbst hat ja vor längerem laut über Batterietechnologie nachgedacht. Das könnte auch für Berlin eine Alternative sein. Eine andere Möglichkeit ist, die rasant wachsenden Bosch-Digitalisierungsaktivitäten im Raum Berlin an einem „neuen“ Standort mit hervorragender Infrastruktur zu konzentrieren“.
Dabei denkt Löffler, der sich als langjähriger ZF-Manager in der Zuliefererbranche sehr gut auskennt, an das Berliner Werk in Reinickendorf, um dieses Werk für Lenkungspumpen weiterzuentwickeln: „Letztlich verfügt das bestehende Pumpenwerk in Reinickendorf über eine breite Palette von technologischen Kernkompetenzen, die geeignet sind, auch jenseits der Pumpenproduktion für neues Geschäft zu sorgen um über diesen Weg Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.“
Mit dem sozialen Unternehmertum, wie es Unternehmensgründer Robert Bosch wichtig war, hat das bisherige Gebaren des Managements nicht viel zu tun. Robert Bosch führte Anfang letzten Jahrhunderts als einer der ersten Unternehmer den Acht Stunden-Tag für seine Beschäftigten ein. Der Unternehmensgründer hielt sich auch an den Grundsatz, dass Vermögen verpflichtet. Er übergab mehr als 90 Prozent der Firmenanteile nicht an seine Nachkommen, sondern an eine Stiftung. Diese finanziert seitdem mit den jährlichen Einnahmen aus den Firmenanteilen hunderte Projekte in den Bereichen Gesundheit, Wissenschaft, Gesellschaft und Bildung.
Die IG Metall Berlin wird den Beschäftigten mit ihrem ganzen Knowhow zur Seite stehen. „Wir werden das Management nicht aus seiner sozialen Verantwortung entlassen“, sagt Andreas Buchwald, der zuständige politische Sekretär der IG Metall Berlin. „Sondern uns genau überlegen, wie wir die Kolleginnen und Kollegen am besten unterstützen können.“
Die Robert Bosch GmbH
Die Robert Bosch GmbH und ihre rund 460 Tochter- und Regionalgesellschaften beschäftigten in gut 60 Ländern mehr als 400.000 Menschen, davon allein fast 140.000 in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern zählen unter anderem die Autozuliefererindustrie, die Produktion von Elektrowerkzeugen und Haushaltsgeräten sowie die automatisierte Verpackungstechnik.