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Nie wieder Faschismus. IG Metall Berlin diskutiert Strategien gegen Rechtsruck

30.01.2024 | Bei einer Veranstaltung am 25. Januar kamen Gewerkschafter_innen und andere zivilgesellschaftliche Akteure zusammen.

(Foto: CM)

Gewerkschaftssekretärin Sophie Bartholdy (Foto: CM)

Bildungreferntin Chaja Boebel (Foto: CM)

Jürgen Schulte, Hufeisern gegen rechts (Foto: CM)

Die Ausgangslage ist bekannt: Gesellschaftliche Krisensituationen überlagern sich und die Umfragewerte für die AfD sind hoch. Neben der sich jährenden Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 sprachen durchaus aktuelle Gründe für die Veranstaltung.

Auf Einladung des Arbeitskreises Internationalismus (AKI) der IG Metall Berlin waren am vergangenen Donnerstag über 50 Interessierte ins IG Metall-Haus gekommen, um über Strategien gegen Rechtsruck und Rassismus zu diskutieren. Auf dem Podium saßen die Historikerin und Bildungsreferentin Chaja Boebel vom IG Metall Bildungszentrum Pichelssee, Gewerkschaftssekretärin Sophie Bartholdy, Jürgen Schulte von der Rudower Bürgerinitiative „Hufeisern gegen rechts” und Christian, von "Aufstehen gegen Rassismus" (AgR).

Jürgen schilderte die Situation in Rudow anschaulich. Die Bürgerinitiative sei durch individuelle Betroffenheit motiviert und nicht durch eine gesellschaftliche Krise oder den Höhenflug der AfD. Denn in Rudow seien seit den 1970ern Rechte aktiv gewesen, darunter auch gewaltaffine. Von ansässigen Altnazis über die FAP bis zu Kameradschaftsstrukturen, die mit Neonazis in Lichtenberg und im Nachbarbezirk Treptow in Austausch standen. Ab den 2000ern sei dann vor allem die NPD präsent gewesen. Immer wieder sei es zu Übergriffen und rechtem Terror gekommen, der die Opfer individualisierte.
„Hufeisern gegen rechts“ wollte die Betroffenen von Angriffen stützen und nicht alleine lassen. Seit 2011 steht die Bürgerinitiative für organisierte Solidarität, lädt zu Diskussionen und Kulturveranstaltungen. Ihr wichtigstes politisches Instrument im Ringen um Hegemonie sei es jedoch, mit Nachbar_innen zu sprechen.  

Auch die Initiative Aufstehen gegen Rassismus setzt auf das Gespräch. Christian koordiniert die
Stammtischkämpfer_innen-Seminare gegen rechte und diskriminierende Parolen. Dabei stehe die Frage im Zentrum, wie man nach der „Schrecksekunde“ angemessen reagieren könne. In 1 400 Seminaren, seien bisher über 20 000 Leute gecoacht worden. In den Workshops gehe man „so theoretisch wie nötig, so praktisch wie möglich“ vor. In manchen Situationen sei es leichter Paroli zu bieten als in anderen, im Betrieb sei es mitunter besonders schwierig, gibt er zu.

Klare Haltung, schwere Aufgabe

Einig sind sich alle Podiumsgäste, dass diskriminierende Rede nicht unwidersprochen bleiben darf. Sophie plädierte dafür „in die Debatte zu gehen“ und sich „nicht wegzuducken“. Auch wenn es unangenehm werden könne, müsste die Gewerkschaft mit klaren Botschaften auch in den Betrieben sichtbar werden. Betriebsräte und Vertrauenskörper könnten dafür etwa ihre Schaukästen nutzen.

In der Diskussion wird deutlich: An der Basis und in den Betrieben ist die Situation herausfordernd. Nicht selten gibt es dort Zustimmung für die reaktionären Parolen der AfD – auch wenn die Gewerkschaftsspitze klar positioniert ist. Gesellschaftliche Konfliktlinien verlaufen auch innerhalb der IG Metall.

Chaja stellte die historische Situation der 1920er/ 30er Jahre der heutigen gegenüber, wollte als Historikerin die Situationen aber keinesfalls gleichsetzen. Historisch sei die Mitgliedschaft politisch weitaus progressiver gewesen als der Vorstand – heute sei es genau andersherum. Und: Der NS sei vom Kleinbürgertum getragen worden, also von den Schichten, welche die IG Metall heute organisiere.  

Gelebte Demokratie im Betrieb und erlebte Durchsetzungsfähigkeit in arbeitsbezogenen Konflikten sei die beste Vorbeugung gegen reaktionäre Entwicklungen unter Lohnabhängigen, sagt Sophie. Das sei die Aufgabe der Gewerkschaften.

Am Ende der Veranstaltung plädiert Chaja für ein berlinweites Bündnis demokratischer Zivilgesellschaft, denn die Rechten betrieben eine Raumergreifungsstrategie. Das sich eben formierende Hand in Hand-Netzwerk, an dem sich auch die IG Metall Berlin beteiligt, sei gut, müsse aber verstetigt werden. Einzelne Aktionen reichten angesichts der aktuellen Situation nicht. Für wehret den Anfängen, sei es zehn Jahre zu spät. Man habe die IG Metall jetzt erfolgreich „vom Betrieb aus“ gedacht – der Betrieb existiere aber nicht im luftleeren Raum. Betriebspolitik und Demokratie müsse man zusammendenken, dies sei „auch keine Raketenwissenschaft“.

Von: cm

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