Ausbildungsstart

StarterCamp 2023. Berliner Azubis lernen ihre Gewerkschaft kennen

31.08.2023 | Über 100 Berufseinsteiger_innen besuchten das StarterCamp am Pichelssee. Zusammen mit ehren- und hauptamtlichen Gewerkschaftsmitgliedern widmeten sie sich Fragen zu Ausbildung und Interessenvertretung.

Kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres kamen am vergangenen Wochenende etwa 110 Auszubildende und dual Studierende im IG Metall Bildungszentrum am Pichelssee zusammen. Ziel der jährlich wiederkehrenden Veranstaltung ist es, die neuen Auszubildenden aus Berliner Betrieben auf den Einstieg ins Berufsleben vorzubereiten und mit  betrieblicher Interessenvertretungbekannt zu machen. Beim StarterCamp lernen die Azubis auch direkt ihre Gewerkschaft kennen – und zwar konkret in Gestalt zahlreicher Betriebsrät_innen und Jugend- und Auszubildendenvertreter_innen (JAV) aus den Betrieben. Die Ehrenamtlichen stellen sich als Ansprechpersonen vor und beantworten Fragen zu Ausbildung und Betrieb sowie Interessenvertretung und Gewerkschaft.

Nach Begrüßung, Kennenlernen und Gruppeneinteilung am Freitag stand am Samstag die eigentlich inhaltliche Arbeit im Fokus.
In sechs nach Betrieben geclusterten Workshops, saßen Betriebsratsmitglieder, JAV und politische Sekretär_innen mit den Auszubildenden zusammen. Zum besseren Kennenlernen wurden Kleingruppen gebildet und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet. Teilt man neben dem künftigen Arbeitgeber vielleicht auch noch ein Hobby oder den Lieblingsfilm? In einem offenen Format wurden Fragen gesammelt, die von Berichtsheft und Berufsschule über Kantinenessen und Urlaubsanspruch bis zur Zukunftsperspektive des gewählten Ausbildungsberufs reichten. Anschließend wurden die Fragen grob sortiert in Betrieb und Ausbildung einerseits und Gewerkschaft und Interessenvertretung (JAV, BR) andererseits. Im Zuge der Beantwortung durch die Haupt- und Ehrenamtlichen wurden auch Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gewerkschaft geklärt und es wurde immer wieder deutlich gemacht, welche Vorteile Tarifverträge beinhalten und warum es Gewerkschaften braucht, um diese zu erstreiten. Dabei kommt es auch zu kurzen historischen Exkursen.
Als sich bei einem Rollenspiel Arbeitgeber und Beschäftigte gegenüberstehen werden die unterschiedlichen Interessenlagen schnell deutlich, was sich in verschiedenen Perspektiven auf Lohn, Arbeitszeit oder Krankenversicherung niederschlägt. Wichtig sei darüber hinaus die besondere Rolle Auszubildender im Blick zu behalten, die im Betrieb seien um zu lernen – und nicht um zu arbeiten. Mitunter ist auch das Wording entscheidend, so heißt es beispielsweise besser Ausbildung statt Lehre, was auch ein fundamentaler Unterschied ist: „Azubis haben Rechte und sind keine Knechte“, bringt es Jakob Heidenreich, Jugendsekretär der IG Metall Berlin, auf den Punkt.

In den Workshops herrscht eine Mischung aus technischen und kaufmännischen Berufen vor, wobei die Zusammensetzung in den letzten Jahren Schwankungen unterliegt. Der deutlichste Trend ist, dass dual Studierende mehr werden. Die Teilnehmenden kommen aus Berlin und Umland. Die hohen Mieten in der Hauptstadt sind mit einem Azubigehalt nur schwer zu bestreiten. Das hat auch zur Folge, dass nicht wenige, die aus Brandenburg stammen, auch nach dem Ausbildungsstart dort wohnen bleiben und lange Fahrtwege in Kauf nehmen müssen. Nicht nur deshalb setzt sich die IG Metall Jugend Berlin für eine höhere Ausbildungsvergütung ein und bereitet sich auf harte Auseinandersetzungen vor.

„Was wir bei den StarterCamps machen ist so wichtig. Die Auszubildenden haben oft nur wenig Ahnung, was sie erwartet. Sie sind nicht naiv, aber auf die Berufsrealität hat sie bisher einfach niemand vorbereitet“, resümiert Heidenreich.
„Mit den StarterCamps bereiten wir nicht nur die Auszubildenden vor, sondern bauen auch unsere gewerkschaftliche Stärke in den Betrieben aus. Die brauchen wir, um gute Tarifverträge zu verhandeln und echte Mitbestimmung zu erreichen. Im Zweifelsfall ist das unsere Versicherung, um Betriebe vor der Schließung zu bewahren und erfolgreich durch die Transformation zu führen“, sagt Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin.
Julian Wilhelm, BR bei Siemens Energy (Gasturbinenwerk) sieht die Situation ganz ähnlich: „Um auch zukünftig gut verhandeln zu können, müssen wir stark sein, um als Verhandlungspartner auch ernst genommen werden. Die IG Metall ist eine Wette auf die Zukunft, aber auch eine Absicherung.“

Die Message aus den Workshops kommt an. Sefa beginnt eine Ausbildung als Elektroniker bei BMW in Spandau. Dort wird er sich künftig mit Betriebstechnik, Roboter et cetera befassen. Er sieht in der IG Metall „viele Pluspunkte und keine Nachteile. Wenn ich was beitragen kann, umso besser.“ Wie viele andere ist Sefa direkt am Wochenende eingetreten. Auch Niklas, der bei Hach Lange eine Ausbildung beginnt, weiß, dass man für Tarifverträge etwas tun muss. Nur von den Vorteilen zu profitieren, die andere erkämpfen, kommt für ihn nicht in Frage.

„Das war dieses Jahr ein volles Camp, und so eine Möglichkeit, überbetrieblich zusammenzukommen und sich auszutauschen, gibt es ja eher selten. Vor allem wissen die Auszubildenden jetzt, an wen sie sich im Betrieb wenden können, wenn der Schuh drückt“, sagt Otto.

Von: cm

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