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"Sehr guter Abschluss". Bei ASML in Berlin tritt zu Juli der neue Haustarifvertrag in Kraft

27.06.2023 | Ab 1. Juli profitieren die Beschäftigten bei ASML Berlin von einem Haustarifvertrag. Das Ergebnis liegt in vielen Aspekten über dem Flächentarifvertrag. Eine gemeinsame Pressekonferenz von IG Metall und ASML informierte über den Abschluss.

Jan Otto, Warnstreik bei ASML im Herbst 2022 (Foto: C. v.Polentz)

Betriebsrat Neels Wied, Warnstreik bei ASML im Herbst 2022 (Foto: C. v.Polentz)

Philipp Singer, Warnstreik bei ASML im Herbst 2022 (Foto: C. v.Polentz)

Transformationskonferenz 2022 (Foto: C. v.Polentz)

Vorbereitung ist alles, Tarifkommission ASML (Frühling 2022)

„Mit der IG Metall haben wir den richtigen Partner an der Seite, der die Interessen der Arbeitnehmer vertritt. Es ist gut, dass die Vorzüge der IG Metall hier endlich Anwendung finden.“ Ismail Onat, Betriebsratsvorsitzender bei ASML, freut sich über den „sehr guten Abschluss“. Die ASML Berlin GmbH erhält einen neuen Haustarifvertrag. Bereits im März wurde ein Verhandlungsergebnis erreicht. Während der Verhandlungen, die nach nur 14 Runden zu einem Ergebnis kamen, hatte die Verhandlungskommission Rückenwind. Unterstützt wurde sie von einem fortlaufenden Organisationsprozess im Betrieb, bei dem immer mehr Kolleginnen und Kollegen in die IG Metall eingetreten sind.

Höheres Entgelt, niedrigere Arbeitszeit, mehr Flexibilität

Der so erzielte Haustarifvertrag kann sich sehen lassen: Es gibt eine neue Eingruppierungssystematik und eine neue Vergütungsstruktur, zudem gibt es ein 13. Monatsgehalt – auch für Azubis. Darüber hinaus wird stufenweise die 35h-Woche eingeführt. „Der Tarifabschluss mit ASML ist ein großer Erfolg für die Beschäftigten, für die Branche und für die IG Metall. Der Tarifvertrag liegt in Teilen über dem Niveau der Metall- und Elektrobranche und wir gehen von einer konstituierenden Wirkung für die Branche aus“, so Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin.

„Die Arbeitszeit ist ein wesentlicher Bestandteil des Tarifvertrags. Mit einem Stufenplan senken wir die wöchentliche Arbeitszeit innerhalb von nur zwei Jahren auf 35 Stunden ab. Das ist schneller als wir es in anderen Tarifverträgen häufig realisieren konnten. Darüber hinaus wird es den Beschäftigten ermöglicht, ihre Arbeitszeit einvernehmlich zu erhöhen, aber vor allem auch, sie bei Bedarf kurzfristig wieder abzusenken. Das ist Flexibilität – aber im Sinne der Arbeitnehmer_innen. Sie gewinnen Zeitsouveränität“, erklärt Philipp Singer, Gewerkschaftssekretär der Berliner IG Metall. Neels Wied, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, pflichtet ihm bei. Man habe es „endlich geschafft, zeitgemäße Arbeitsbedingungen zu schaffen. Es gibt faire Entlohnung und faire Arbeitszeit: 35 Stunden ab 2025.“ Das betrifft auch klassische Industrieberufe. „Damit ist ASML wettbewerbsfähig und beispielsweise für Industriemechaniker attraktiver als vergleichbare Betriebe“, führt Wied aus. 
Der neue Haustarifvertrag tritt am 1. Juli 2023 in Kraft und läuft bis Anfang 2026. „Die finale Eingruppierung steht allerdings noch bevor“, gibt Betriebsrat Paul Schulz zu bedenken. Er sei daher trotz des guten Ergebnisses „vorsichtig optimistisch“.

ASML auf Expansionskurs

Bei einem gemeinsamen Pressegespräch von IG Metall und ASML am gestrigen Montag zeigte sich auch das Unternehmen sichtbar stolz für die guten Arbeitsbedingungen, die es bieten kann. Angesichts der wachsenden Sorge um Fachkräfte ist der Haustarifvertrag auch ein handfester Konkurrenzvorteil. Unternehmensspezifische Besonderheiten seien bei der Aushandlung berücksichtigt worden, Regina Draheim-Krieg, Personalleiterin und Verhandlungsführerin bei ASML in Berlin. „Am ersten Juli gehen wir live“, sagt sie zum baldigen Inkrafttreten des Tarifvertrags.

ASML ist ein wichtiger Teil der Halbleiterindustrie. Das globale Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden hat knapp 40 000 Mitarbeiter_innen macht über 20 Milliarden Euro Jahresumsatz. In Berlin geht die Zahl der Beschäftigten auf die 2000 zu. Die hier gefertigten Module gehen von hier zu Chipproduzenten in der ganzen Welt und werden dort verbaut. „ASML Berlin ist für die Halbleiterbranche enorm wichtig, hier geht es um Grundlagen der Techindustrie, hier entscheidet sich, was passiert“, sagt Jan Otto. Das Unternehmen baut kritische Hochpräzisionskomponenten für die Strukturierung von Siliciumwafern, auf denen Computerchips basieren. Damit ist ASML ein Single Source Anbieter und hat quasi eine Monopolstellung. Die Technologie von ASML ist für die weitere Verkleinerung von Mikrochips essentiell. Das Stichwort ist EUV-Lithografie (extreme ultra violet, EUV), womit eine technische Schranke überwunden und der Miniaturisierungstrend weiterverfolgt werden konnte.
Ein knappes Fünftel der Beschäftigten arbeitet in Forschung und Entwicklung. 40 Prozent der aktuellen Beschäftigten in Berlin hat ASML in den letzten zwei Jahren eingestellt. Und damit ist nicht Schluss – die Geschäftsführung geht davon aus, die Betriebsgröße etwa alle fünf bis sechs Jahre zu verdoppeln.

Der neue Haustarifvertrag unterstützt das weitere Wachstum der Berliner Niederlassung von ASML, womit sich die Attraktivität des Standortes weiter erhöht. Im Unterschied zu manch anderen Fertigungsbetrieben in Berlin befindet sich ASML in einer guten Situation und will den Standort ausbauen. Das bestimmt auch die Situation für die IG Metall. „Hier können wir das machen, wofür wir gegründet wurden, mit dem Arbeitgeber über bessere Arbeitsbedingungen verhandeln“, sagt Jan Otto. Es ist eine Position der Stärke, von der aus die Interessen der Beschäftigten hier ins Zentrum gerückt werden. „Dass wir hier einen so guten Tarifvertrag erreichen konnten, hat große Strahlkraft über Berlin hinaus. Der Abschluss hat sogar das Potential, branchenübergreifend auf die Digitalwirtschaft zu wirken“, sagt Jan Otto.

Von: cm

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