Rechtstipp

BAG-Entscheidung: Verhandlungsgeschick ist kein Rechtfertigungsgrund für unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen

25.04.2023 | Das Bundesarbeitsgericht hat in einer viel beachteten Entscheidung (Aktenzeichen 8 AZR 450/21) festgestellt, dass eine unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen bei gleichwertiger Tätigkeit nicht allein dadurch begründet werden kann, dass der männliche Kollege besser verhandelt habe. Benedikt Rüdesheim von DKA Rechtsanwälte Fachanwälte beleuchtet die Auswirkungen des Urteils.

RA Benedikt Rüdesheim, dka Fachanwälte

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war eine Mitarbeiterin gemeinsam mit zwei männlichen Arbeitnehmern im Außendienst beschäftigt. Der männliche Kollege, der ähnlich lange wie die Klägerin bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt war, verhandelte mit dem Arbeitgeber eine Vergütung, die 1.000 € über dem Entgelt der Klägerin lag.

Die Klägerin machte geltend, dass sie durch die unterschiedliche Bezahlung aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werde und einen Anspruch auf gleiches Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege habe. Da sie die gleiche Arbeit mache und eine ähnliche Betriebszugehörigkeit aufweise, liegt die Vermutung nach § 22 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) nahe, dass eine Diskriminierung stattfindet.

Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG (Entgelttransparenzgesetz) ist eine umittelbare oder mittelbare Benachteiligung bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile verboten. Eine Ausnahme ist in § 3 Abs. 3 Satz 2 EntgTransG geregelt, wonach insbesondere arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien ein unterschiedliches Entgelt rechtfertigen können.

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, dass Gehaltsverhandlungen individuell stattfinden und ein Arbeitnehmer durch Verhandlungsgeschick ein besseres Ergebnis für sich erzielen konnte. Liegt eine unterschiedliche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit vor, reicht das für die Vermutung einer geschlechterbezogenen Diskriminierung aus. In diesem Fall muss dann der Arbeitgeber im Prozess darlegen, dass einer der in § 3 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG aufgeführten Kriterien eine ungleiche Bezahlung objektiv rechtfertigt.

Die Entscheidung dürfte ganz besonders in solchen Unternehmen, in denen ein Tarifvertrag oder anderweitig zur Anwendung gebrachte Vergütungsordnung existiert, Relevanz erlangen. Arbeitgebern wird es hier zukünftig deutlich schwerer fallen, ungleiche Vergütung außerhalb solcher Vergütungsordnungen zu rechtfertigen.

Beschäftigte können über das EntgTranspG (§ 10) und die Benennung anderer vergleichbarer Beschäftigter Auskunft darüber erlangen, ob ihr Entgelt unter dem Medianentgelt anderer Beschäftigter liegt. Im zweiten Schritt besteht ein Anspruch auf Anpassung des eigenen Entgelts, wenn der Arbeitgeber die Gehaltsunterschiede nicht ausreichend begründen kann. Seit der Entscheidung des BAG ist nun klar, dass das Argument der individuellen Verhandlung einer geschlechtergerechten Vergütung nicht entgegenstehen kann.

Von: RA Benedikt Rüdesheim, dka Fachanwälte

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