Jetzt auch Bosch IO mit Tarifvertrag:

„Das war goldrichtig“: Warum Software-Ingenieure das Leben mit Tarifvertrag und IG Metall schöner finden

21.07.2020 | 2019 ließen sie sich zum ersten Mal im Leben als Betriebsräte wählen, ein Jahr später schon haben Michael Höft und Olaf Märker mit der IG Metall und dem Arbeitgeber den ersten Tarifvertrag in ihrem Unternehmen erzielt: Jetzt profitieren allein in Berlin 300 ITler*innen bei Bosch.IO von flexiblerer Arbeitszeit, besseren Qualifizierungsangeboten, höherer Arbeitsplatzsicherheit – und deutlich mehr Entgelt. Welch‘ steile Lernkurve Michael Höft und Olaf Märker in Sachen Gewerkschaft hingelegt haben, erzählen sie hier im Interview.

Olaf Märker, Betriebsratsvorsitzender bei Bosch.IO: "Großes Kino: endlich ein Lohnsystem im Unternehmen, das für alle gerecht und transparent ist."

Olaf, seit einem Jahr bist Du Betriebsrat, seit einem halben Jahr IG Metall-Mitglied. Hättest Du Dir so was Schönes vor zwei Jahren träumen lassen?
Olaf Märker: Nein, auf keinen Fall.  

Warum nicht?
Ich konnte mir einfach nicht und kann es mir auch jetzt nur schwer vorstellen, mit roter Fahne vor dem Werkstor zu stehen. Für einen Softwareingenieur sind Gewerkschaft und IG Metall erst einmal sehr weit weg.

Und hat es weh getan, in die IG Metall einzutreten?
Olaf: Mir ist es echt schwer gefallen. Im Januar habe ich dann endlich den Mitgliedsantrag ausgefüllt. Heute finde ich es einfach nur Spitze, was die IG Metall für uns auf die Beine gestellt hat, und was wir mit der IG Metall hier bei uns am Arbeitsplatz hinbekommen. Großes Kino.

Wie ging es Dir Michael?
Michael: Ähnlich wie Olaf. Ich glaube, ich wusste einfach zu wenig über Gewerkschaften und IG Metall. Eigentlich sind mir kollektive Prozesse ja nicht fremd, sondern aus meiner langjährigen Tätigkeit als Führungskraft vertraut.

Wie bist Du dann zur IG Metall gekommen?
Michael: Ich habe mich im Zuge der Betriebsratsarbeit mit der IG Metall und der Geschichte von Gewerkschaften beschäftigt und fand sehr spannend, was Gewerkschaften mit ihren Mitgliedern im Laufe der Jahrzehnte erreicht haben. Nach einem ganzen Berufsleben in der Softwareentwicklung ist mir Basisdemokratie und damit die IG Metall eigentlich auch schon lange viel näher als dieser ganze neoliberale Mist. Im September letzten Jahres bin ich dann in die IG Metall eingetreten und heute freue mich sehr darüber, was wir hier bei Bosch.IO alles gemeinsam hinbekommen.

Was hat denn mit der IG Metall so gut funktioniert?  
Michael: Das fing schon damit an, dass die Geschäftsstelle der IG Metall Berlin uns 2019 von Anfang an sehr dabei unterstützt hat, unsere Betriebsratsgründung in die Wege zu leiten und erfolgreich durchzuführen. Wir wussten ja gar nicht, wie das geht, wollten aber in guten Zeiten für schlechte Zeiten vorsorgen.
Olaf: Es war goldrichtig, dass wir das zu dem Zeitpunkt gemeinsam mit der IG Metall Berlin auf die Reihe bekommen haben. Jetzt sieht es in der Autozulieferindustrie schon viel schlechter aus als noch vor einem Jahr. Und in der aktuellen Situation sind wir nun da, um für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen einzutreten.
Michael: Als wir den Betriebsrat hatten, mussten wir ja erst einmal lernen, was unsere Rechten und Pflichten sind und wie man sich als Gremium gegen den Arbeitgeber durchsetzt. Darauf haben uns die Schulungen von Arbeit und Leben sehr gut vorbereitet.
Olaf: Jetzt in der Krise war der kurze Draht zur IG Metall Berlin einfach super. Wir haben erfahren, wie es andere Betriebe regeln und welche Anwälte uns bei unserer Betriebsvereinbarung unterstützen können. Das Thema ist ja für uns alle neu.
Michael: Und Thomas Weber, unser Gewerkschaftssekretär in der IG Metall Berlin, betreut uns einfach sehr gut. Wir Software-Menschen sind ja schon eine sehr eigene Klientel, aber Thomas versteht uns, er spricht unsere Sprache und kann uns gleichzeitig erklären, was wir wie machen können.

Wie war es in den Tarifverhandlungen?
Olaf: Das war unser bisher größter Erfolg. Unter Federführung der IG Metall haben wir es ja auch noch geschafft, trotz Corona erfolgreich die ersten Tarifverhandlungen unseres Lebens zu führen. Wir haben jetzt endlich ein Lohnsystem im Unternehmen, das für alle gerecht und transparent ist. Wir verhandeln unsere Löhne jetzt nicht mehr individuell jeder für sich alleine mit dem Chef, sondern haben einen Tarifvertrag, der für alle gilt.
Michael: Ich möchte gar nicht wissen, was wir ohne die IG Metall in den Verhandlungen erreicht hätten. Da zahlt sich die Erfahrung der IG Metall richtig aus. Das sind hoch professionelle Kollegen, die das Maximale für uns bei Bosch.IO rausgeholt haben. Und jetzt profitieren an allen Standorten in Deutschland mehr als 700 Kolleginnen und Kollegen von den besseren Arbeits- und Tarifbedingungen. Das ist großartig.

Verdienen die Leute jetzt mehr?
Michael: Einige verdienen deutlich mehr. Es wird einen klaren Sprung geben, weil wir uns ja Schritt für Schritt an den Flächentarifvertrag der IG Metall anpassen. Das lohnt sich vor allem für die Kolleg*innen hier in Berlin, da haben viele in den kommenden Jahren kräftige Entgeltsteigerungen. Die haben dann richtig viel mehr Geld in der Tasche.

Es lohnt sich also auch finanziell, ein Prozent vom Brutto als Monatsbeitrag an die IG Metall abzuführen?
Olaf: Auf jeden Fall. Wir können den Mitgliedsbeitrag ja auch von der Steuer absetzen. Den merkt man kaum.
Michael: Unbedingt lohnt sich das. Ich muss gestehen, dass ich für das eine Prozent Brutto ja viel mehr zurückbekomme. Da kommt ja zum Beispiel noch der Rechtsschutz dazu, das ist ein ganz anderes Niveau als bei irgendeiner Rechtsschutzversicherung.

 

Bosch.IO GmbH
Bosch.IO entwickelt durch künstliche Intelligenz gestützte Lösungen für das Internet der Dinge. Das Unternehmen besteht aus mehreren ehemals eigenständigen Softwareunternehmen und hat gut 700 Beschäftigte an mehreren Standorten in Deutschland. Nach Tarifverhandlungen mit der IG Metall tritt das Unternehmen nun dem Arbeitgeberverband bei und wird seine Beschäftigten ab dem 1. September nach einem eigenen Haustarifvertrag beschäftigen. Die Entlohnung wird Schritt für Schritt an das Entgeltniveau des Flächentarifvertrags der IG Metall herangeführt.

 

Von: Jörn Breiholz

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