Absichtserklärung von Betriebsräten, IG Metall und Werksleitung

Daten statt Diesel – aber ohne Produktion läuft gar nichts

05.03.2021 | Der Druck von Beschäftigten, IG Metall-Betriebsräten und IG Metall Berlin haben erste Erfolge gezeitigt. Das Unternehmen bekennt sich erstmals zum Standort Berlin und will in einem Digital-Campus Produktionsprozesse von morgen entwickeln. Das ist schön. Doch am Ende müssen am Standort auch die Komponenten von heute und morgen produziert werden. Betriebsräte und IG Metall verhandeln weiter – und bleiben im Kampfmodus.

Zukunft oder Widerstand? Die Beschäftigten bei Daimler sind streikbereit. (c) Christian von Polentz / transitfoto.de

Daimler in Marienfelde ist das älteste aller produzierenden Daimler-Werke. Bis vor einigen Wochen schien es, dass das Werk keine Zukunft mehr habe, jetzt soll sein Umbau Symbol für den Wandel der Autoindustrie sein. „Indem wir Berlin zu einem Kompetenzzentrum für Digitalisierung mit Produktionsvolumen im Bereich E-Mobilität transformieren, sichern wir erfolgreich die Zukunft des Traditionsstandortes“, verkündete Jörg Burzer, Mitglied des Vorstands der Mercedes-Benz AG, Produktion und Supply Chain vollmundig.

Wo die Beschäftigten bislang noch Dieselmotoren und Komponenten produzieren, soll ein Campus für die Entwicklung, Erprobung und Implementierung von wegweisenden Softwareapplikationen für sein globales Produktionsnetzwerk entstehen, aber auch Komponenten der E-Mobilität montiert werden. Dafür will der Daimler-Vorstand kleines Geld investieren, die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag. Um den Standort nachhaltig zu sichern, haben Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall eine Absichtserklärung unterzeichnet. Damit ist eine Etappe, jedoch nicht das Ziel erreicht.

„Der Campus ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir brauchen auch Produktionsarbeitsplätze hier in Marienfelde“, sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Fevzi Sikar gegenüber der Berliner Zeitung. Das sieht Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin genauso. „In Berlin muss die Produktion weiterhin einen hohen Anteil haben, damit die Forschung und Entwicklung im Campus auch einen Sinn macht“, sagt er.

Eine Etappe erreicht, nicht das Ziel

Doch das jetzige Bekenntnis des Daimler-Vorstandes zum Standort Marienfelde ist ein erster Erfolg, genauso der Plan, dass der Digital Factory Campus eine Schlüsselrolle für Softwareentwicklungen einnehmen soll. Damit habe Marienfelde künftig ein Alleinstellungsmerkmal nicht nur in Deutschland. Entscheidend für Jan Otto ist aber auch, dass Betriebsräte und IG Metall mit ihrem öffentlich erzeugten Druck das Management dazu bringen konnten, statt über Abbaupläne erst einmal über die Zukunft des Werkes zu diskutieren – mit genügend Zeit und auf Augenhöhe.

In den anstehenden Verhandlungen müssen die Bekenntnisse des Vorstands in konkrete Vereinbarungen überführt werden. „Wir sind bereit, an guten Lösungen mitzuarbeiten, sind aber auch in der Lage, sofort den Stecker zu ziehen, wenn der Daimler-Vorstand versuchen sollte, uns zu verarschen“, sagt Jan Otto. Deshalb werden IG Metall-Betriebsräte und IG Metall den Druck auf die Geschäftsführung hochhalten.

Die Verhandlungen bei Daimler haben Signalwirkung

Die Auseinandersetzungen um das Traditionswerk von Daimler in Marienfeld steht symbolhaft für die Frage, welchen Transformationspfad die Unternehmensführungen in Berlin und Deutschland einschlagen werden. Ob sie glaubwürdig ihre Beschäftigten dabei mitnehmen, oder, wie es der Vorstand von Daimler lange postulierte, ihre Betriebe rigoros auf Kosten der Beschäftigten transformieren. Hier steht nicht nur die Daimler-Geschäftsführung nun an einem Scheideweg.

„Wenn wir nicht gemeinsam nachweisen können, dass wir Betriebe klug austariert transformieren können, dass dieser Wandel nicht nur mit dem Verlust von Arbeitsplätzen einhergehen muss, sondern auch neue Jobs und Industriearbeitsplätze bedeuten kann, dann wir die Transformation in Deutschland keine Erfolgsgeschichte werden“, sagt Jan Otto. Deshalb befindet sich die IG Metall Berlin auch in intensiven Gesprächen mit der Landes- und Bundespolitik, die hier gefordert ist. Denn von den Auseinandersetzungen in Marienfelde geht eine Signalwirkung aus.

Deshalb bleiben die IG Metall-Betriebsräte und die IG Metall bei Daimler im Kampfmodus. Für eine realistische Drohkulisse sind auch die Beschäftigten gefordert. Darauf hat Michael Rahmel, der Betriebsratsvorsitzende hingewiesen. Denn dicke Backen könne nur machen, wenn sich die Beschäftigten in der IG Metall organisierten und hinter ihren IG Metall-Betriebsräten stünden.

Das gilt nicht nur für die Beschäftigten bei Daimler, sondern zum Beispiel auch für die Kolleginnen und Kollegen bei Siemens Energy. Auch hier will der Arbeitgeber wertvolle Industriearbeitsplätze verlagern. Auch hier ist ein hoher Organisationsgrat zum einen, und ein engagiertes Eintreten für die eigenen Arbeitsplätze zum anderen der einzige Weg, um Industriearbeitsplätze in der Hauptstadt zu erhalten. Bei Daimler haben die Beschäftigten mit der Absichtserklärung ein erstes Etappenziel erreicht, jetzt steht die nächste Etappe an.

Von: Michael Netzhammer

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