10.02.2021 | Bis zum 15. Februar 2021 können sich private und öffentliche Anbieter an der Berliner S-Bahn-Ausschreibung bewerben. Im schlimmsten Falle ist bald ein Dutzend unterschiedlicher Akteure für Teilnetze, Bau, Wartung und Betrieb verantwortlich. Chaos ist vorprogrammiert. Die IG Metall Berlin lehnt deshalb eine Privatisierung und Zerschlagung ab und fordert einen Stopp des Vergabeverfahrens.
485 Millionen Fahrgäste hat die S-Bahn Berlin 2020 nach eigenen Angaben auf ihren 16 Linien transportiert, rund 1,5 Millionen pro Tag. Das Netz der S-Bahn ist weitgehend unabhängig und weist einige Besonderheiten auf. So fahren die S-Bahn-Züge mit Gleichstrom, den sie aus einer Stromschiene beziehen. Die auf den Linien eingesetzten Fahrzeuge sind Spezialanfertigungen. Weil diese nicht ordnungsgemäß gewartet wurden, fielen viele dieser Wagen ab 2009 aus. Es kam zu drastischen Verkehrseinschränkungen und nicht nur für Pendler war die S-Bahn – betrieben von der S-Bahn Berlin GmbH, eine Tochter der DB Regio AG – eine Zumutung.
Zwar ist die S-Bahn in den vergangenen Jahren pünktlicher geworden, doch der Unmut und die Ohnmacht über die Versäumnisse und das Gebaren der S-Bahn Berlin GmbH hat sicherlich dazu beigetragen, dass ein rot-rot-grüner Senat im Mai 2020 das aktuelle Vergabeverfahren für den Betrieb von zwei Dritteln des Berliner S-Bahn-Betriebs für 15 Jahre beschlossen hat.
Ausschreibung, Aufspaltung, Aufschrei
Bis zum 15. Februar 2021 können sich private wie öffentliche Anbieter um bis zu vier Teillose bewerben. Die umfassen die Fahrzeuglieferung, die Instandhaltung und den Fahrbetrieb auf jeweils beiden Teilnetzen. Bieter können sich um ein, mehrere oder alle Einzellose bewerben. Das Auftragsvolumen der Ausschreibung beträgt rund acht Milliarden Euro.
Wer dann in welchem Los zum Zug kommt, ist heute nicht abzusehen. Die Ausschreibung von unterschiedlichen Leistungen soll bewirken, dass sich auch kleinere (private) Anbieter bewerben können, also am Ende nicht nur die Deutsche Bahn AB mitbieten kann, um dann weiterhin als Monopolist agieren zu können. Deshalb schafft das Land Berlin mindestens 1.308 Wagen an, die in seinem Besitz bleiben.
IG Metall Berlin fordert einheitlichen öffentlichen Nahverkehr
Gegen diese Pläne regt sich seit ihrer Bekanntgabe Widerstand. So verständlich diese Überlegungen sind – eine Lösung sind sie nicht. Die vielen zu verteilenden Lose können im Extremfall bedeuten, dass ein Dutzend Akteure für Netze, Bau, Wartung und Betrieb zuständig sind, die Koordinierung entsprechend aufwändig ist und bei Problemen, die Akteure jeweils auf den anderen zeigen können. „Wenn man das S-Bahn-Netz aufteilt und an verschiedene Anbieter vergibt, ist Chaos vorprogrammiert. Deshalb lehnen wir die Aufteilung des Netzes ab“, kritisiert Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin. Der Personennahverkehr gehört wie die Wasserversorgung zur Daseinsvorsorge. „Deshalb sollte dieser Dienst in öffentlicher Hand bleiben“, sagt Jan Otto.
Dafür gibt es weitere Gründe: Private Anbieter, unterschiedliche Beispiele aus der Vergangenheit sind ein Beleg dafür, sparen für ihre Marge nicht nur bei Wartung und Sicherheit, sondern gerne auch bei den Beschäftigten. Gewerkschaften haben in der Vergangenheit mit privaten Bahnanbietern allerdings gute Branchentarife erstritten. Klar muss in Berlin sein, dass nur Anbieter zum Zug kommen dürfen, die den Beschäftigten adäquate Tariflöhne bezahlen. „Hier erklären wir uns als IG-Metaller solidarisch mit allen Bahn- und BVG-Kolleginnen und Kollegen bei der EVG und ver.di“, sagt Jan Otto.
Bezahlbarer und gut vernetzter Nahverkehr
Ein bezahlbarer und gut funktionierender Nahverkehr ist auch für die vielen Unternehmen und Beschäftigten in der Stadt essenziell. Viele Kolleginnen und Kollegen in der Metallindustrie sind privat und beruflich auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Der ist eine Voraussetzung für die sozial-ökologische Verkehrswende. Gerade im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs können zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. Die geplante Aufteilung der S-Bahn-Vernetzung steht diesen Zielen entgegen. Deshalb lehnt die IG Metall Berlin eine Privatisierung der Berliner S-Bahn ab.