25.02.2021 | Der Siemens Energy-Vorstand will in Berlin über 700 Arbeitsplätze vernichten und die Verbrennungssystemfertigung ins Ausland verlagern. Auch der Daimler-Vorstand will das Werk in Marienfelde rasieren. Beides ist kurzsichtig. Die Industriearbeitsplätze sind der Schlüssel für eine gute Transformation. Sie müssen in Berlin erhalten bleiben.
6,5 Milliarden Umsatz im vierten Quartal von 2020, ein Auftragsbestand von 79 Milliarden Euro und nach Milliardenverlusten ein Gewinn von knapp 100 Millionen Euro. Das sind die aktuellen Kennzahlen bei Siemens Energy. Und doch hat der Vorstand ein Sparprogramm verkündet, mit dem er über 700 Arbeitsplätze allein im Berliner Gasturbinenwerk rasieren will.
Von dort soll die gesamte Verbrennungssystemfertigung verlagert werden. Wenn sie Berlin verlässt, verschwinden alsbald weitere Arbeitsplätze – in Vertrieb, Engineering und im Service. „Mein Gefühl sagt mir, dass wir nun den entscheidenden Kampf um unsere Arbeitsplätze führen müssen“, sagt Günter Augustat, Betriebsratsvorsitzender (BRV) im Gasturbinenwerk. Ein Kampf, den auch die Daimler-Beschäftigten derzeit führen, weil der Daimler-Vorstand trotz eines erwirtschafteten Gewinns von 6,6 Milliarden Euro im Jahr 2020 zulasten der Beschäftigten in Deutschland sparen will.
„Sowohl Siemens Energy als auch Daimler verlagern Teile ihrer Fertigung ins von Viktor Orbán autoritär regierte Ungarn“, kritisiert Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin. „Gleichzeitig halten die Vorstände gerne bei jeder Unterstützung durch die Bundesregierung die Hand auf, für das Gemeinwesen und eine zukunftsgewandte Transformation mit den Beschäftigten tun sie nichts. Das geht gar nicht.“
Deshalb fordert die IG Metall Berlin den Erhalt der Berliner Industriearbeitsplätze und ruft am 1. März 2021, 12 Uhr zur Kundgebung am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus auf. Auf der Veranstaltung sprechen Irene Schulz, Vorstandsmitglied der IG Metall, Günter Augustat, BRV im Gasturbinenwerk, Michael Rahmel, BRV Daimler Marienfelde und weitere Personen. An der Kundgebung werden 450 Beschäftigte – mehr hat die Polizei nicht erlaubt – teilnehmen und für ihre Arbeitsplätze demonstrieren.
Beide Werke sind Urgesteine der Berliner Industrielandschaft, das Gasturbinenwerk mit rund 3.500 Arbeitsplätzen steht für High-Tech im Energiesektor, das Daimler-Werk mit seinen 2.500 Beschäftigten ist das Vorzeigeunternehmen der Autoindustrie in Berlin. Wenn Vorstände hier kurzsichtig Hand anlegen, ist das mehr als ein Symbol. Es gefährdet auch eine in die Zukunft gerichtete Industriepolitik des Berliner Senats.
Wie wichtig Industriearbeitsplätze sind, betont längst auch die Berliner Politik, allen voran der Regierende Bürgermeister Michael Müller. Der wird im Anschluss der Kundgebung Jan Otto, die Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Regina Katerndahl, Günter Augustat und Michael Rahmel empfangen, um mit ihnen über eine förderliche Industriepolitik sprechen.
„Gerade die Industriearbeitsplätze in den Berliner Unternehmen sind der Schlüssel für eine gute Transformation. Verschwinden sie, entreißt man Berlin das industrielle Herz“, sagt Jan Otto. Mit dem Herz aber verschwindet auch der Verstand.
Beides aber braucht die Stadt – in der Transformation und für die Chancen, die sich durch die Energie- und Mobilitätswende für den Standort Berlin mit seinen Hochschulen, Forschungsinstituten und Industrieunternehmen ergeben. „Wir brauchen Vorstände und Unternehmensleitungen, die mutig sind, neue Wege gehen und mit den Beschäftigten die Transformation erfolgreich gestalten wollen. Dafür ist auch die IG Metall als starker Partner zu haben, reinen Abbauplänen stellen wir uns jedoch mit allen Mitteln entgegen“, sagt Jan Otto.
Für Rückfragen: Jan Otto, Tel: 0160 533 10 75