Jahresauftakt der IG Metall Berlin

Rück- und Ausblick, Bundesverdienstkreuz inklusive

11.02.2020 | 2020 ist Showtime in der Metall- und Elektroindustrie. Die Tarifrunde vor Augen trafen sich Berliner Metallerinnen und Betriebsräte, Vertrauensleute und Gewerkschaftssekretärinnen zum Jahresauftakt. Vor dem Ausblick ins neue Jahr, schauten alle auf das engagierte Leben von Metaller Günter Triebe zurück, der aus den Händen von Staatssekretär Christian Rickerts das Bundesverdienstkreuz erhielt.

Günter Triebe präsentiert in der Mitte das Bundesverdienstkreuz, zu seiner Rechten stehen Arno Hager und Birgit Dietze, zu seiner Linken Christian Rickerts und Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin.

Christian Rickerts, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

Arno Hager, ehemaliger Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin hält die Laudatio.

Alle Fotos: Christian v. Polentz / transitfoto.de

Die Erste Bevollmächtigte Birgit Dietze blickt zurück und nach vorn.

Ralph Obermauer aus dem Grundsatzreferat der IG Metall springt für Vorstandsmitglied Jürgen Kerner ein.

Vertrauenskörperleiterin Stefanie Siegmund von GE.

Lars Papenbrock, Betriebsratsvorsitzender bei Gillette.

Rüdiger Groß, Betriebsratsvorsitzender bei Siemens Energy.

Frank Droge, Betriebsratsvorsitzender bei BSH Berlin.

Am Ende stand der gesamte Saal. Standing Ovation für einen engagierten Metaller, der sich in seinem Leben unfassbar viele Verdienste erworben hat und vom einfachen Betriebsrat über den Betriebsratsvorsitzenden bis hin zum Vorsitzenden des Eurobetriebsrates bei OTIS Electronics Systems alle Karrieresprünge eines Gewerkschafters vollendet hat. Der ehemalige Erste Bevollmächtigte Arno Hager blickte auf das engagierte Leben von Günter Triebe zurück, nannte Erfolge, beschrieb seinen Einsatz und merkte an, dass der heute 72-Jährige keinem Streit auch mit der IG Metall aus dem Weg gegangen sei, wenn er das für richtig hielt.

Es gibt kaum Schlimmeres für einen alten Kämpen wie Günter Triebe, als mit Lob überhäuft zu werden. Nach Arno Hager setzte Staatssekretär Christian Rickerts noch einen drauf und stellte das persönliche Engagement in den aktuellen gesellschaftlichen Kontext: „Es braucht in der Gesellschaft überall Menschen, die wie Günter Triebe ihren inneren Kompass richtig ausgerichtet haben und sich solidarisch für das Gemeinwohl einsetzen“, sagte er, bevor er dem Gewerkschafter das Bundesverdienstkreuz überreichte.

Rück- und Ausblick
Doch viele dieser alten Haudegen mit dem inneren Kompass verlassen Betriebe und IG Metall und mit den Vertrauensleuten, Betriebsrätinnen, Gesamtbetriebsräten verschwindet auch das Wissen,  wie man Arbeitskämpfe führt und vor allem auch das Verständnis, warum Solidarität die wichtigste Waffe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Ihre Positionen haben in vielen Unternehmen Jüngere übernommen. Das ist angesichts von Transformation und Digitalisierung und neuen Arbeitsprozessen und Methoden gewiss nicht schlecht. Doch sie stehen vor großen Herausforderungen, die Solidarität im Betrieb zu organisieren.

„Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren inneren Kompass gemeinsam ausrichten auf all die Herausforderungen, vor denen wir stehen“, sagte die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin Birgit Dietze. Herausforderungen gab es auch 2019 genug. Infinera, Osram, Siemens, Schnellecke, Würth, Atos und Handwerk waren nur ein paar Betriebe, in denen Betriebsräte, Vertrauensfrauen und IG Metall gefordert waren. Der Autokorso vor der US-Gewerkschaft und das wahnsinnig positive Medienecho auf die Aktionen der Beschäftigten bei Infinera war ein Schlaglicht, die erfolgreichen Betriebsratswahlen bei Würth ein anderes.

Tarifrunde: Zukunft, Entgelt, Angleichung
Angesichts der anstehenden Transformation ist die IG Metall eine der wenigen Akteure, die dem Wandel analytisch begegnet. Der Transformationsatlas, für den viele Berliner Betriebsrätinnen und Betriebsräte in den Unternehmen die Entwicklungen zusammentrugen, ermöglichte eine Analyse und das Ergebnis befriedigte nicht: „Viele unserer Unternehmen sind für die Transformation nicht gut aufgestellt“, monierte Birgit Dietze. Deshalb zogen 50.000 Metallerinnen und Metaller bei der Fairwandel-Demo ans Brandenburger Tor, deshalb hat die IG Metall die Unternehmen vor der Tarifrunde ein Moratorium angeboten, um den Wandel und die damit verbundenen Herausforderungen im Sinne der Beschäftigten zu gestalten. Und deshalb setzt sie in der Tarifrunde auf den Dreiklang Zukunft, Entgelt, Angleichung.

Für eine faire Transformation braucht es jedoch auch eine Politik, die vernünftige Rahmenbedingungen vorgibt, damit Unternehmen auch in die Transformation investieren können. „Damit wir als Gewerkschaft von der Politik gehört werden, müssen wir uns in den Betrieben noch besser organisieren, mehr Mitglieder gewinnen und uns fit für zukünftige Auseinandersetzungen machen“, sagte Birgit Dietze.

Klimawandel – Treiber von Entwicklung
Das ist gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels wichtig, der ein Treiber der Transformation ist, aber auch ein Treiber für gute Arbeitsplätze sein kann. IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner wollte zu diesem Punkt in Berlin sprechen, der Sturm machte ihm ein Strich durch die Rechnung. Gut dass die Grundsatzabteilung der IG Metall auch in Berlin ein Büro hat. Aus dem kam Ralph Obermauer in den Alwin Brandes-Saal. Der unterstrich, dass Klimapolitik und Beschäftigung kein Widerspruch sein müsse, im Gegenteil. „Die IG Metall ist Mentor für ökologische Innovation“, sagte Ralph Oberbauer. Die müssen in Deutschland stattfinden entlang der gesamten Wertschöpfung und damit Hebel sein, deutsche Industriearbeitsplätze für die Zukunft zu sichern.

Transformation Made in Berlin
Da geschieht so einiges in Berliner Betrieben. Das zeigte die Podiumsdiskussion, bei der die Vertrauenskörperleiterin Stefanie Siegmund von GE und die drei Betriebsratsvorsitzenden Lars Papenbrock von Gillette, Frank Droge von BSH und Rüdiger Groß von Siemens Energy auf dem Podium saßen. „Unser Unternehmen hat die Notwendigkeit begriffen, aber das braucht auch Zeit“, sagte Lars Papenbrock. Stefanie Siegmund beschrieb, wie wichtig es sei, im Wettbewerb bei Schnellladesystemen für Autos und Nutzfahrzeuge ganz vorne mitzuspielen, „weil wir dann im hart umkämpften Markt auch Geld verdienen, Arbeitsplätze sichern können.“ Frank Droge berichtete von Initiativen bei der BSH, Elektrogeräte wie Waschmaschinen und Trockner haltbarer zu machen und sie gleichzeitig so zu bauen, dass sie einfacher repariert werden könnten. Rüdiger Groß wiederum wies auf Widersprüche bei der Windenergie hin. Einerseits ist ihre Produktion für die Abkehr von fossilen Energieträgern unverzichtbar, andererseits muss ihre Produktion ökologischer werden.

Auf die Podiumsdiskussion entstand ein Pingpong zwischen Auditorium und Podium. Unter den Gästen war auch Jasper Stender von Fridays for Future, der sich für die Einladung bedankte und betonte, dass sie nicht allein radikale Klimabefürworter seien, sondern die sozialen Herausforderungen und die Beschäftigten im Blick hätten. „In der heutigen Zeit ist es wichtig, dass Gewerkschaften und gesellschaftliche Gruppen wie Fridays for Future erst einmal ihre gemeinsamen Interessen identifizieren und erst danach auf die Differenzen schauen“, sagte er.

Dafür bekam er Beifall aus dem Auditorium. Klimawandel, Transformation, Solidarität, Tarifrunde – der Jahresauftakt war in diesem Jahr ein Galopp durch die aktuellen Herausforderungen und Themen mit einem emotionalen Beginn und einem kraftvollen Ausblick. Das Credo: Die Berliner Metallerinnen und Metaller wollen Zukunft und sie haben auch die Macht dazu.

 

Von: Michael Netzhammer

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