FairWandel: Über 50.000 demonstrieren für eine faire Transformation

Jörg Hofmann: Schluss mit dem Nichtstun

29.06.2019 | Für eine faire Transformation braucht es klare Ziele, doch die Politik verliert sich im Klein-Klein, Unternehmen kümmern sich zu wenig um Digitalisierung. Auf der Großkundgebung fordern über 50.000 Metaller und Metallerinnen deshalb Pläne, die auch umgesetzt werden – und massive Investitionen.

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(c) Thomas Range

Der Erste Vorsitzender der IG Metall Jörg Hofmann fordert Schluss mit dem Stillstand. (c) Christian von Polentz / transitfoto.de

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Clueso spielt auf. (c) Christian von Polentz / transitfoto.de

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Birgit Dietze, Erste Bevollmächtigte der IG Metall unter Daimler-Kollegen (c) privat

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Großkundgebung haben große Strapazen auf sich genommen, um in Berlin ein Zeichen zu setzen. Sie tun das, weil es um ihre Zukunft und die ihrer Kinder geht. Und weil sie wissen, dass eine chaotische Transformation die Gesellschaft auseinanderreißen kann. „Was wird aus meinem Arbeitsplatz? Und wie werden unsere Kinder in 20 Jahren arbeiten“, hatte Birgit Dietze, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, die Beweggründe skizziert, warum sich über 50.000 Beschäftigte, Aktivistinnen, Metallerinnen und Metaller in Sonderzügen und Bussen nach Berlin aufgemacht haben. „Wir wollen Brücken bauen und ein kraftvolles Zeichen setzen“, sagte sie und sprach damit vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem Herzen.

Berliner Stimmen für einen fairen Wandel
„Wir müssen höllisch aufpassen, dass der Wandel zur Elektromobilität nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, sondern fair stattfindet“, sagte Michael Rahmel, Betriebsratsvorsitzender bei Daimler in Marienfelde. Klar ist vielen Betriebsrätinnen, Vertrauensleuten und Jugend- und Auszubildendenvertretern, dass der Wandel dramatische Auswirkungen haben kann, wird dieser Wandel nicht gut moderiert. Michael Kutz, Vertrauenskörperleiter bei Gillette in Berlin sieht viele Unternehmen im Hintertreffen: „Asiatische Unternehmen sind bei der Digitalisierung gut aufgestellt. Wir dürfen diesen Zug nicht verpassen, sondern müssen in Aus- und Fortbildung investieren, sonst stehen viele Arbeitsplätze in Deutschland zur Disposition“.

Qualifizierung und Investitionen statt Entlassungen
„Die Teilnehmer erwarten von Politik und Arbeitgebern, dass der digitale und ökologische Wandel den Beschäftigten Chancen auf gute Arbeit gibt“, sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Damit Verkehrs- und Energiewende, Klimaschutz und Transformation aber in die richtige Richtung gehen, braucht es einen Plan – und statt der schwarzen Null im Haushalt massive Investitionen in die Zukunft.

Denn allein die Digitalisierung wird 1,5 Millionen Arbeitsplätze vernichten, aber auch 1,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Allerdings werden es andere Arbeitsplätze sein. Jene, die ihren Job verlieren, müssen also zeitnah umlernen können bzw. geschult werden. Dafür brauchen sie und ihre Familien Sicherheit und dafür müssen Politik und Unternehmen den Beschäftigten Brücken bauen. „Deshalb verlangen wir ein Transformationskurzarbeitergeld. Damit werden Entlassungen vermieden“, sagte Hofmann auf der Kundgebung.

Mobilitäts- und Energiewende – Bausteine für Klimaschutz
Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, muss sie sowohl in der Mobilität als auch in der Energieversorgung das Ruder herumreißen. Das ist gut für Beschäftigte und Klimaschutz. Dazu sind aber massive Investitionen notwendig – in ein Netz von Ladestationen, in den öffentlichen Nahverkehr und in Stromtrassen, damit erneuerbare Energien auch dort ankommen, wo sie benötigt werden.

NABU, VDK, Diakonie und IG Metall ziehen an einem Strang
Neben Jörg Hofmann sprachen auch Vertreterinnen und Vertreter vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Diakonie und des Sozialverbands VDK. So betonte Verena Bentele, Präsidentin des VdK, dass die Transformation ein Prüfstein für den Sozialstaat werde. Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie warnte vor der sozialen Spaltung und sprach sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus, wofür es aber gute Rahmenbedingungen durch die Politik brauche. Olaf Tschimpke, NABU-Präsident schließlich warnte, dass Klimaschutz und Mobilitätsbedürfnisse nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften.

35 Stunden für alle – Arbeitgeber überspannen den Bogen
Vor gut einer Woche sind die Tarifgespräche zur Angleichung der Arbeitszeit Ost gescheitert. Auch das war Thema am Brandenburger Tor. Gesamtmetall hatte mit seinen Gegenforderungen den Bogen so überspannt, dass jede Einigungsmöglichkeit ausgeschlossen war. Das bedeutet, dass Beschäftigte im Osten nach wie vor drei Stunden in der Woche länger arbeiten. Es gibt Berliner Firmen, die genau deswegen von West- nach Ost-Berlin umgezogen sind. Bei tariflicher Bestandssicherung hat das zur Folge, dass Mitarbeiter mit 35 Stunden und mit 38 Stunden sich nun am Schreibtisch gegenübersitzen. „Das ist 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ein Skandal“, sagte Birgit Dietze dazu am Brandenburger Tor.

Jugend-Power – Demonstration vor der Kundgebung
Das schmerzbefreite, für die Entwicklung des Landes schädliche Entwicklung, immer weiter so, treibt an diesem Samstag auch die Jugend auf die Straße. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut." Lautstark, bunt und entschlossen zogen Tausende junger Metallerinnen und Metaller vom Neptunbrunnen vorm Roten Rathaus zum Brandenburger Tor. Ihre Mission: Eintreten für eine soziale, ökologische und demokratische Transformation und eine faire Gesellschaft mit gleichen Arbeitsbedingungen und gleichen Arbeitszeiten in Ost- und Westdeutschland.

Abschluss mit Kultur und Musik
Auch zum Schluss wurde es noch einmal laut und kraftvoll. Dafür sorgten das Berlin Boom Orchestra, Silly, Joris, Clueso und Culcha Candela. „Die Stimmung war einzigartig! Der riesengroße Zusammenhalt der IG Metall-Familie war zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule in jedem Winkel zu spüren. Ein großartiges Fest mit Inhalten, die uns in den kommenden Monaten und Jahren in der praktischen Arbeit tiefgehend beschäftigen werden“, sagte Birgit Dietze am Ende der Kundgebung.

Am Schluss war ihr noch wichtig, um all jenen eine Botschaft zu übermitteln, die Metaller und Metallerinnen zu sich nach Hause einluden, als Ordner die Demos begleiteten oder einsprangen, wo es eben notwendig war. "Dank Eurem Engagement haben wir in Berlin nicht nur ein politisches, sondern auch solidarisches Zeichen gesetzt. Darauf bin ich sehr stolz und bedanke mich bei allen für Eure tolle Arbeit."

 

Von: mn

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