Günter Triebe

Nach über 3.000 Rechtsberatungen ist Schluss

05.08.2020 | Mobbing, Abmahnungen, Entlassungen – elf Jahre hat Günter Triebe Kolleginnen und Kollegen ehrenamtlich am Telefon beraten. Nun ist Schluss. Auch weil sich sie Arbeitswelt drastisch verändert und er in manchen Sachen nicht mehr drinsteckt. Langweilig wird ihm nicht werden. Letzte Woche ist er zum Vorsitzenden des Seniorenarbeitskreises der IG Metall Berlin gewählt worden.

Günter Triebe mit der Zweiten Bevollmächtigen Regina Katerndahl (rechts) und seiner Nachfolgerin Astrid Diebitsch. Fotos (c) privat.

Zum Ausstand brachte Günter Triebe Selbstgekochtes mit. Mitgegessen haben von links nach rechts: Anastasia Hesse (Rechtsbereich), Astrid Diebitsch, Anke Paul (Büro Erste Bevollmächtigte), Jeanette Krug (Rechtsbereich), Günter Triebe und Regina Katerndahl.

„Mein Arbeitsvertrag umfasste zwei Seiten, heutige Verträge auch gern mal 30 Seiten“, weiß Günter Triebe, der sich seit 1970 gewerkschaftlich wie politisch engagiert. Für sein außergewöhnliches Engagement hat er im Februar 2020 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Er bekleidete zahlreiche Ämter, hat 39 Jahre bei Otis gearbeitet und war 31 Jahre Betriebsrat. Wo Beschäftigten der Schuh drückt, weiß er deshalb ganz genau.

Elf Jahre lang saß er immer am Mittwoch von 9 bis 12 Uhr am Telefon und hat die Kolleginnen und Kollegen ehrenamtlich beraten. „Viele rufen an, wenn sie eine Abmahnung erhalten oder der Arbeitgeber ihnen mit Entlassung droht“, erinnert er sich. Zusammen mit den Beschäftigten hat er zahlreiche Arbeitsverträge geprüft. „Da stehen heute Sachen drin, das glaubst Du nicht“, sagt er. In einem hat der Arbeitgeber Schadensersatz bei Zuspätkommen hineingeschrieben, andere Verträge schließen Haftungen aus oder sehen die Nutzung des privaten Mobiltelefons vor. „Da steht häufig sehr viel rechtswidriges Zeug drin, das aber wissen natürlich viele Beschäftigten nicht. Deshalb ist die Rechtsberatung so wichtig“, sagt der bald 73-Jährige.

"In Arbeitsverträgen stehen heute Sachen drin, das glaubst Du nicht"

Gerade bei Aufhebungsverträgen und Abfindungen verliert der eine oder die andere den Blick fürs Wesentliche. „Wenn da zum Beispiel 60.000 Euro im Aufhebungsvertrag steht, dann sprühen bei so manchem die Augen“, weiß der Metaller. Doch davon gehen erst einmal Steuern ab, und die Summe wird häufig aufs Arbeitslosengeld angerechnet. „Wer so einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, dem sperrt die Bundesagentur für Arbeit erst einmal für drei Monate jedwede Zahlungen. Und nach einem Monat muss sich jeder selbst krankenversichern, auch das wissen viele nicht“, beschreibt Triebe das Prozedere. Oft bleibt dann weniger von der Abfindung übrig als es auf den ersten Blick aussieht. Deshalb lohnt sich eine Abfindung nicht für alle Kolleginnen und Kollegen. Es kommt auf die Lebensumstände an. Stehen Beschäftigte kurz vor der Rente oder haben einen Arbeitsplatz gefunden, ist so ein Abfindung Gold wert, bei Jüngeren sieht das auch mal anders aus. Deshalb hat er jedem Zweiten von der Annahme abgeraten.

Vielen der Kolleginnen und Kollegen konnte Günter Triebe durch seine akribische und engagierte Arbeit weiterhelfen. „Die Rechtsprechung ändert sich ständig. Günter hat sich deshalb immer weiter fortgebildet, um die Kolleginnen und Kollegen aktuell und gut beraten zu können. Dieses außergewöhnliche Engagement schätze ich an ihm sehr“, sagt Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin.

Nun übernimmt sein Ehrenamt Astrid Diebitsch. Sie war lange Jahre Betriebsratsvorsitzende bei Nokia und verfügt ebenfalls über große Erfahrung. Günter Triebe hat seine Nachfolgerin eingearbeitet. Nun kann er sich als Vorsitzender um den Arbeitskreis der Senioren in der IG Metall Berlin kümmern.

Von: Michael Netzhammer

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