Partnerschaft oder Rendite?

Neuer Aktionär sorgt für Unruhe bei Francotyp Postalia

20.02.2020 | Ein Aktionär kauft sich nach und nach Aktien bei Francotyp Postalia zusammen und will dann die Unternehmensspitze austauschen. Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall fürchten, dass der neue Großaktionär die Arbeitsbedingungen verschlechtern könnte, um kurzfristig die Rendite zu erhöhen. Die IG Metall Berlin hat ihm signalisiert, dies nicht hinnehmen zu wollen.

Das Betriebsgebäude des Berliner Traditionsunternehmens Francotyp Postalia

Francotyp-Postalia (FP) ist eines der vielen Berliner Unternehmen, die vor der Aufgabe stehen, ihre Produkte und Dienstleistungen in die digitale Welt zu transformieren. Das Unternehmen produziert seit fast 100 Jahren Frankiermaschinen für den Postverkehr. Dieses Geschäft braucht ein Update, da der Briefverkehr weiter abnehmen wird.

Neue Wege geht das Unternehmen bereits seit mehreren Jahren. Heute sieht sich FP als Experten für sicheres Mail-Business und sichere digitale Kommunikationsprozesse – für weltweit 200.000 Kunden, davon 100.000 in Deutschland. 2014 aus dem Tarifvertrag ausgestiegen, haben die Berliner Beschäftigten seit Mai 2016 wieder einen Tarifvertrag und damit die Sicherheit, die es braucht, damit die Beschäftigten den Weg in die Transformation gemeineinsam mit der Unternehmensleitung gehen.

Doch nun hat der neue Großaktionär – die Obotritia Capital KGaA im Besitz des Großaktionärs Rolf Elgeti – dem Vorstand schriftlich mitgeteilt, dass sie die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung verlange, auf welcher über das Ausscheiden des derzeitigen Geschäftsführers entschieden werden solle: ein ungewöhnlicher Vorgang, denn dessen Vertrag war erst kürzlich verlängert worden.

Die Belegschaft von Francotyp-Postalia zeigt sich besorgt über dieses rabiate Vorgehen. „Wir machen uns Sorgen über die Intention des neuen Großaktionärs“, sagt Claus-Peter Schuster, der Vorsitzende des Gemeinschaftsbetriebsrats der Francotyp-Postalia Berlin. „Für die Belegschaft stellt sich die Frage, ob der neue Investor an der Strategie des nachhaltigen Wachstums interessiert ist oder in Zukunft kurzfristige Renditemaximierung im Vordergrund stehen soll. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht ausschließen, dass der Investor strukturelle Veränderungen und eine Abkehr von tariflichen Sicherheiten anstrebt. Das wird auf Widerstand bei der Belegschaft stoßen.“ Der jetzige Geschäftsführer betont die Partnerschaft von Management und Betriebsrat.

Die IG Metall Berlin berät Belegschaft und Betriebsrat von Francotyp-Postalia in Berlin. Sie  hat den Investor nun schriftlich aufgefordert mitzuteilen, welche produkt- und produktionsbezogene Zukunftsstrategie er für das Unternehmen sowie Erhalt und Sicherung der Arbeitsplätze vorsehe. „Sicherheit und Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze bei Francotyp-Postalia liegen uns sehr am Herzen“, sagt Birgit Dietze, die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. „Dafür werden wir uns auch in Zukunft stark machen. Als IG Metall sehen wir Francotyp-Postalia bisher auf dem richtigen Weg in eine nachhaltige Zukunft.“

Von: Jörn Breiholz

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