Rechtstipp

Fortbildungskosten zurückzahlen?

28.06.2022 | Wechselt ein Arbeitnehmer das Unternehmen, fordert der alte Arbeitgeber manchmal Kosten für Fortbildungen oder Schulungen zurück. Doch wann muss man solche Kosten wirklich zurückzahlen?

Rechtsanwalt Damiano Valgolio (dka Rechtsanwälte)

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber Kosten für Fortbildungen und Schulungen, die er getragen hat, vom Arbeitnehmer nur zurückfordern, wenn dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt ist. Fehlt eine solche eindeutige Klausel, muss der Arbeitnehmer nichts zurückzahlen, selbst wenn er selbst kündigt. Ist eine Rückzahlungsklausel vorhanden, kann der Chef nur Kosten für Fortbildungen auf den Arbeitnehmer abwälzen, die dessen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. War eine Schulung nur dazu da, um die Aufgaben im alten Betrieb besser erledigen zu können, dürfen die Kosten weder auf den Arbeitnehmer umgelegt, noch von diesem zurück verlangt werden.

Außerdem gelten strenge Anforderungen für die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel:
•    Die Klausel darf die Rückzahlung von Fortbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur für den Fall vorsehen, dass der Grund für die Beendigung beim Arbeitnehmer liegt. Also wenn dieser selbst kündigt oder aufgrund von Fehlverhalten gekündigt wird.
•    Die Klausel muss genau beschreiben, welche Art von Kosten vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen sind (Lehrgangsgebühren, Fahrt- und Übernachtungskosten, Freistellungsvergütung usw.). Die allgemeine Formulierung „Fortbildungskosten“ genügt nicht, auch nicht, wenn eine konkrete Schulungsmaßnahme benannt wird. Wenn möglich, muss auch schon die genaue Höhe der Kosten angegeben werden oder zumindest die Berechnungsmethode. Damit der Arbeitnehmer genau weiß, welches Rückzahlungsrisiko er hat, falls er selbst kündigt.
•    Sollen die Fortbildungskosten zurückgezahlt werden, wenn eine bestimmte Stelle nicht angetreten wird, muss im Vertrag auch stehen, um welche Tätigkeit es geht und wie die Vergütung ist.
•    Die Rückzahlungsklausel muss zeitlich begrenzt sein. Je länger die Fortbildung auf Kosten des Arbeitgebers gedauert hat, desto länger darf auch die Rückzahlungspflicht gelten. War der Arbeitnehmer beispielsweise einen Monat für die Schulung bezahlt frei gestellt, so darf die Rückzahlungsklausel nur bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss der Schulung greifen. Hat die Fortbildung bis zu einem Jahr gedauert, darf die Rückzahlungspflicht für bis zu drei Jahren bestehen.
•    Die Klausel muss so gestaltet sein, dass die Höhe der zurückzuzahlenden Kosten langsam abschmilzt. Je später der Arbeitnehmer selbst kündigt, desto weniger muss er von seinen Fortbildungskosten zurückzahlen.

Erfüllt die Rückzahlungsklausel im Arbeitsvertrag eine dieser strengen Anforderungen nicht, so ist sie insgesamt unwirksam. Das heißt der Arbeitnehmer muss keine Kosten zurückzahlen, selbst wenn er eine Eigenkündigung ausspricht oder wegen Fehlverhalten gekündigt wird. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung gerade noch einmal klargestellt (Urteil vom 11.02.2022, Aktenzeichen: 12 Sa 805/21).

Rechtsanwalt Damiano Valgolio (dka Rechtsanwälte)

 

Von: RA Damiano Valgolio

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