09.11.2020 | In Plänen weist der Senat eine Straße auf dem Schaltwerk-Gelände als öffentlich aus. Noch aber transportieren LKWs auf dieser große und leichte Lasten, fahren Gabelstapler und Zulieferer. Macht der Senat seine Pläne wahr, schneidet er die Produktion von Engineering, Verpackung und Prüfstelle ab. Das könnte viele hundert Arbeitsplätze kosten, befürchtet der Betriebsratsvorsitzende Rüdiger Groß und sagt im Interview warum.
Nonnendammallee, Paulsternstraße und die Straße am Schaltwerk grenzen das Schaltwerk in Spandau ein. Auf weiten Teilen des Geländes (lila Umrandung) soll der Siemens-Campus entstehen. Diesen Plänen hatten auch die Betriebsräte der Siemens-Standorte in Spandau zugestimmt. Was plant der Senat genau?
Rüdiger Groß: Wenn wir auf die Karte schauen, will der Senat die rote Linie erst als Busspur, später als öffentliche Straße nutzen. Bislang befindet sich diese auf dem Industriegelände des Schaltwerks. Wenn innerhalb des Geländes nach und nach der Siemens-Campus entsteht, werden die Straßen innerhalb des Campus-Geländes öffentlich. Bisher aber war zugesagt, dass es keine Durchfahrt vom Rohrdamm zur Paulsternstraße geben werde. Genau das aber sehen die neuen Senatspläne vor. Dagegen haben wir bereits Einspruch angemeldet.
Die IG Metall Berlin und Ihre Betriebsräte hatten damals den Senatsplänen zugestimmt unter der Prämisse – so hat es Regina Katerndahl von der IG Metall Berlin formuliert –, dass Siemens den Industriestandort weiter entwickelt, dass das Unternehmen den technologischen Wandel mit den Beschäftigten vorantreibt, die vorhandenen Arbeitsplätze bestehen bleiben und weitere entstehen können. Die Senatspläne passen nicht wirklich zu diesen Aussagen, oder?
Genau. Regina Katerndahl von der IG Metall Berlin hat das gut auf den Punkt gebracht. Die Entscheidung für die Straße gefährdet unsere Arbeitsplätze, weil sie unser Handeln beschneidet. Deshalb muss der Senat auf die Pläne verzichten.
Warum ist die Straße so ein großes Problem?
Oberhalb des roten Strichs liegen die Hallen 22 bis 26 (Schaltwerk 1+2). Hier produzieren wir unsere Schaltgeräte schon jetzt in der neuesten Generation. Links unterhalb des roten Striches sind bisher Verpackung, Prüfstellen, Forschung und Entwicklung angesiedelt. Einer unserer Vorteile ist, dass Fertigung und Forschung eng zusammenarbeiten können. Was sie in der Forschung entwickeln, produzieren wir in den Produktionshallen. Zwischen diesen Bereichen verkehren in der Praxis tagtäglich viele Dutzend Industrietransporter, Gabelstapler und andere Fahrzeuge Güter, Materialien, Produkte. Beschäftigte haben darüber hinaus leichten Zugang zu den unterschiedlichen Hallen. Deshalb benötigen wir diese Straße als nicht öffentlichen Teil des Unternehmensgeländes.
Was wäre, wenn die Straße öffentlich würde?
Wir müssten die Bereiche mit Mauern und Zäunen abgrenzen, Tore errichten, umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen treffen. Und wir müssten neu entwickelte Komponenten aufwändig verpacken, um sie für die Öffentlichkeit nicht einsehbar transportieren zu können. Es liegt auf der Hand, dass Just-in-Time-Lieferungen von kleinen und großen Komponenten logistisch schwerer würden, genauso der Zugang von dem einen in den anderen Bereich. Allein das aufwändige Befahrungsmanagement und die komplizierten Transportwege würden einen immensen Aufwand und damit verbundene Kosten bedeuten.
Und damit zusätzliche Kosten produzieren, richtig?
Die Siemens Energy bezahlt für das Gelände bereits heute eine sehr hohe Miete an die Siemens Real Estate (SRE). Zählt man nun auch noch die aus der Straße resultierenden Kosten hinzu, verteuern sich unsere Produkte dauerhaft. Das schwächt uns im Wettbewerb mit der Konkurrenz und gefährdet viele hundert Arbeitsplätze. Das alles wegen einer Straße, die uns nicht zwingend notwendig erscheint.
Warum wehrt sich Siemens Energy nicht gegen diese Pläne?
Das fragen wir uns auch. Wir haben uns deshalb an die Leitung unseres Standortes gewandt und Einsicht in den Mietvertrag mit der SRE verlangt, was uns bisher verwehrt wurde. Schließlich müsste sich eine solche Regelung in den Mietverträgen wiederfinden. Im Übrigen hat unsere Siemens Energy Leitung dasselbe wirtschaftliche Verständnis wie wir.
Was sagt der Senat?
Der Senat hat gesagt, dass er dem Siemens-Vorstand in vielen Punkten weit entgegengekommen sei. Im Punkt „Straße am Schaltwerk“ hat der Senat ein Entgegenkommen von der Siemens AG eingefordert, welches nicht verweigert wurde.
Was steckt dahinter?
Rüdiger Groß: Das wissen wir noch nicht. Warum der Senat uns die Produktionskosten über dieses Mittel erhöhen will, ist uns genauso wenig verständlich, wie die Missachtung der eigens aufgestellten Leitlinien für zukünftige Wirtschaftsflächenentwicklung, wie sie im Bericht zum Flächennutzungsplan festgehalten sind. Dort steht unter anderem, dass urbane Nutzungsmischung ermöglicht und Nutzungskonflikte vermieden werden sollen. Vielleicht sieht man durch die Straße eine Möglichkeit uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen und die Produktion so zu verteuern, dass sie aus ökonomischer Sicht keinen Sinn mehr macht. Offensichtlich sind Wohnungen, die durch Vermietung Geld abwerfen, lukrativer als unsere Arbeitsplätze und diese nur noch Verhandlungsmasse zum Abwickeln.
Was plant Ihr?
Rüdiger Groß: Wir fordern Antworten! Gern auch bei einer aussagekräftigen Runde mit uns Betriebsräten, Entscheidern und Wissenden. Wenn wir keine bekommen, werten wir das als Bestätigung für unsere Annahme. Ein Trockenlegen und einen schleichenden Arbeitsplatzabbau werden wir nicht hinnehmen. Es ist gut zu wissen, dass die IG Metall Berlin an unserer Seite ist.